Leitsatz (amtlich)

Verlässt der Versicherungsnehmer entgegen seiner Aufklärungsobliegenheit aus E. 1.3 Satz 2 AKB 2008 unerlaubt den Unfallort, geht dies regelmäßig mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einher, die einen Kausalitätsgegennachweis aus § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG unmöglich machen und damit entsprechend § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 30.08.2011; Aktenzeichen 4 O 122/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 30.8.2011 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau, Az.: 4 O 122/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Das Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 30.8.2011 ist für die Beklagte ohne die Vollstreckungsschutzanordnung zugunsten des Klägers in Ziff. 3 Satz 2 des Urteilstenors vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz eines Unfallschadens i.H.v. rd. 6.460,- EUR aus einer Vollkaskoversicherung in Anspruch.

Am 10.7.2010 kam es mit dem Fahrzeug des Klägers, einem Pkw Audi A 6, amtliches Kennzeichen ..., der mit einer Selbstbeteiligung von 500,- EUR unter Geltung der AKB 2008 bei der Beklagten kaskoversichert war, in D. in der K. Straße 7 im Bereich einer dort befindlichen Baustelle gegen 07:20 Uhr zu einem Unfall, bei dem nicht nur erheblicher Schaden an dem Audi entstand, sondern auch mehrere Bauzaunfelder, zwei Stahlpaletten und ein Betonfülltrichter stark beschädigt wurden. Unmittelbar anschließend, ohne dass irgendwelche Feststellungen zum Unfall getroffen wurden, verließ der Fahrer des Audi die Unfallstelle und stellte das beschädigte Fahrzeug mehrere hundert Meter weiter - der genaue Abstellort ist umstritten - ab. Mehrere Bauarbeiter, welche den Unfall beobachtet hatten, verständigten die Polizei, woraufhin gegen 07:30 Uhr zwei Polizeibeamte vor Ort eintrafen, die den Fahrer des Unfallfahrzeuges weder dort noch woanders antreffen konnten.

Der Kläger hat behauptet, er sei Führer des Pkw Audi gewesen und habe lediglich aus Unachtsamkeit, ohne unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen, den Unfall verursacht. Anschließend sei er verstört gewesen, habe den Ort deshalb unüberlegt verlassen und das Fahrzeug im Bereich der K. Straße, in der Nähe seiner Wohnung, abgestellt, von wo aus er sich zu Fuß in eine unweit gelegene Gartenanlage begeben habe. Als er wenig später von dort aus die Polizei telefonisch über den Unfall informiert habe, sei er zwar aufgefordert worden, umgehend auf der Polizeidienststelle zu erscheinen, habe sich jedoch entschlossen, erst am nächsten Tag dort vorzusprechen.

Der Kläger hat neben dem ihm entstandenen Fahrzeugschaden auch vorprozessuale Anwaltskosten gegen die Beklagte geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.463,41 EUR sowie vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten von 603,93 EUR jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass der Kläger das Fahrzeug selbst gesteuert habe, und auch den von ihm geschilderten Unfallhergang in Abrede gestellt. Zudem hat sie die Ansicht vertreten, auf Grund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei geworden zu sein.

Das LG hat die Klage durch Urteil vom 30.8.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe auf Grund widersprüchlicher Angaben bereits nicht ausreichend dargelegt, dass es überhaupt zu einem Versicherungsfall in der Vollkaskoversicherung, das heißt zu einem Unfall, gekommen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine Angaben zum Unfallgeschehen als plausibel dargestellt verteidigt und im Weiteren beanstandet, das LG habe unzulässigerweise von einer Vernehmung der benannten Baustellenarbeiter als Zeugen zum Unfallgeschehen abgesehen. Ferner hat er umfangreich Kopien aus der inzwischen vernichteten Ermittlungsakte (Bl. 53 - 85 d.A.) vorgelegt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, so wie in erster Instanz beantragt, zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aus dem zugrunde liegenden Vollkaskoversicherungsvertrag zusteht.

Entgegen der Ansicht des LG ist zwar von einem grundsätzlich die Leistungspflicht in der Kasko-Versicherung auslösenden Unfall auszugehen (1), die Beklagte muss jedoch wegen Verletzung einer Obliegenheit des Klägers nach Eintritt des Versicherungsfalles gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG keine Entschädigung leisten (2).

1. Der Annahme des LG, es fehle hier bereits an einem die Leistungspflicht der Beklagten auslösenden Unfall, der in den AKB 2008 unter A. 2.3.2, 2. Satz als ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einw...

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