Leitsatz (amtlich)

1. Die vereinbarte Rechtsfolgenregelung der Obliegenheitsverletzung in § 11 Nr. 2 VGB 88 wird unwirksam, wenn der Versicherer von der Möglichkeit der Vertragsanpassung nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat.

2. Der Versicherer kann sich in diesem Fall nicht auf (teilweise) Leistungsfreiheit berufen; ein Leistungskürzungsrecht ergibt sich auch nicht aus § 28 Abs. 2 S. 2 VVG unmittelbar.

3. Auf grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 Abs. 2 VVG oder Gefahrerhöhung nach den §§ 23 ff. VVG kann sich der Versicherer weiterhin berufen.

 

Normenkette

VVG §§ 28, 32, 23, 81; EGVVG Art. 1; VGB 88 § 11

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen 24 O 458/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.10.2011; Aktenzeichen IV ZR 199/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Köln vom 21.1.2010 - 24 O 458/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde durch Beschluss des AG Luckenwalde vom 15.3.2007 - 17 L 221/06 - zum Zwangsverwalter des im Grundbuch von X, Blatt 3284 eingetragenen Miteigentumsanteils, lfd. Nr. 1, ½ Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung X, Flur ..., Flurstück ..., verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Haus 1 gelegenen Räumen, Aufteilungsplan Nr. 1, bestellt. Eigentümer und Schuldnerin war die M-Haus Wohnungsbaugesellschaft mbH in M. Die Schuldnerin hatte bei der Beklagten eine "Wohngebäude-Vielschutz-Versicherung abgeschlossen. Diese beinhaltete eine Wohngebäudeversicherung, der die VGB 88 zugrunde lagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Nachtrag Nr. 1 zum Versicherungsschein (Bl. 7) und die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88, Fassung Januar 1995, Bl. 27 ff.) Bezug genommen. Versicherungsort war 15745 X, Xa 99. Eine Anpassung der AVB an das neue Versicherungsvertragsgesetz vom 23.11.2007 war nicht erfolgt.

Das Objekt stand leer und wurde zur Vermietung vorgehalten. Am 8.1.2009 wurde als Folge eines Heizungsausfalls mit Einfrieren einer Leitung mit Rohrbruch ein Leitungswasserschaden festgestellt. Unter dem 13.1.2009 zeigte der Kläger der Beklagten den Schaden an und veranlasste dringend notwendige Arbeiten zur Schadensbeseitigung.

Mit Schreiben vom 20.2.2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte und übersandte ein Angebot des Heizungs- und Sanitär -Unternehmens T & T GbR vom 29.1.2009 über die bereits ausgeführten hinausgehende weitere Arbeiten zum Preis von 3.712,87 EUR. Die Beklagte beantwortete dieses Schreiben zunächst nicht. Mit Schreiben vom 29.4.2009 übersandet der Kläger der Beklagten eine Rechnung der Firma T & T vom 23.4.2009 über 2.292,54 EUR. Daraufhin schaltet die Beklagte ihren Schadensregulierer Unglaube ein. Am 13.5.2009 kam es zu einem Ortstermin im Objekt. Mit Schreiben vom 17.6.2009 forderte die Beklagte den Kläger auf, die restlichen erforderlichen Klempnerarbeiten gemäß Angebot T & T vom 29.01. in Auftrag zu geben und der Beklagten die abschließende Rechnung einzureichen. Die Beklagte werde "nach Erhalt 50 % des Gesamtschadens regulieren und zur Auszahlung bringen".

In dem Schreiben hieß es u.a.: "Vertragsgemäß hat der Versicherungsnehmer u.a. nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit, ist der Versicherer dazu berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Aus diesem Grund können wir uns lediglich hälftig an den zu erwartenden bzw. endgültigen Schadensbeseitigungsaufwendungen beteiligen, da die Wasserleitungsanlage nicht abgesperrt und entleert wurde."

In der Folgezeit gab der Kläger die Arbeiten in Auftrag. Die hierüber erteilte Rechnung zahlte der Kläger und übersandte die Rechnung vom 16.7.2009 über 3.917,80 EUR mit Schreiben vom 24.7.2009 an die Beklagte unter Fristsetzung zum Ausgleich auch der Rechnung vom 23.4.2009 bis 7.8.2009. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht.

Der Kläger hat behauptet, am 30.12.2008 sei das Haus durch die Mitarbeiterin der Ta Hausverwaltung GmbH kontrolliert worden. Es habe keine Hinweise auf Probleme der Leitungen gegeben. Die Heizung sei in Betrieb gewesen. Gleichwohl sei der Schaden eingetreten, weil die Heizung offenbar ausgefallen sei. Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass das Schreiben vom 17.6.2009 ein Schuldanerkenntnis enthalte. Im Übrigen könne sich die Beklagte nicht auf eine Obliegenheitsverletzung berufen, da sie die Versicherungsbedingungen nicht an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepass...

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