I. Gewaltschutzsachen nach § 1 GewSchG

1. Ehegatten und Lebenspartner

 

Rz. 9

Art. 17a EGBGB, der gemäß Art. 17b Abs. 2 S. 1 Alt. 2 EGBGB auf Lebenspartner entsprechend anwendbar ist, umfasst auch die mit der Überlassung der Ehewohnung zusammenhängenden Betretungs-, Näherungs- und Kontaktverbote nach § 1 GewSchG, wenn sie mit der Überlassung der Wohnung zusammenhängen.[24] In solchen Fällen ist bei im Inland gelegenen, aber jedenfalls im Ergebnis auch bei im Ausland gelegenen Wohnungen (vgl. oben Rn 7), nach bzw. entsprechend Art. 17a EGBGB deutsches Recht anwendbar.

Greift Art. 17a EGBGB nicht ein, weil die Verletzung keinen Bezug zu einer Ehewohnung im Inland aufweist, muss das internationale Deliktrecht angewendet werden. Auch bei Anwendung der allgemeinen Kollisionsnorm gelangt man oft zum deutschen Recht. So greift bei schuldhafter Rechtsgutverletzung und insbesondere beim "stalking" ohne Bezug zu einer inländischen Wohnung zwar Art. 17a EGBGB nicht ein. Gleichwohl ist deutsches Recht nach Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB als Tatort im Regelfall Deliktsstatut. Anders ist es nur, wenn Täter und Opfer ihren gewöhnlichen Aufenthalt beide in demselben ausländischen Staat haben und deshalb Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGBGB eingreift.[25] Die am 11.1.2009 in Kraft getretene Rom II-VO (Art. 32 Rom II-VO) nimmt das Gebiet des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 1 Abs. 2g Rom II-VO insgesamt vom Anwendungsbereich der Rom II-VO aus. Der Persönlichkeitsschutz und damit auch § 1 GewSchG unterliegen, soweit nicht Art. 17a EGBGB eingreift, dem allgemeinen Deliktsstatut.[26] Gegen die Anwendung der Rom II-VO spricht, dass – im Gegensatz zu den Vorentwürfen – generell Ansprüche wegen der Verletzung der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten bis hin zur Verleumdung nach Art. 1 Abs. 2g Rom II-VO ausgeschlossen sind. Im Vorentwurf waren dagegen nur Pressedelikte vom Anwendungsbereich ausgenommen. Diese sachwidrige Begrenzung ist nun richtigerweise aufgegeben worden, wenngleich der Totalausschluss von Persönlichkeitsrechten aus der Rom II-VO nicht überzeugt.[27] Hintergrund für die Nichtregelung des internationalen Privatrechts der Persönlichkeitsverletzungen in der Rom II-VO sind die nach wie vor nicht geringen Unterschiede innerhalb Europas, was das auch private Presserecht und vor allem die Bedeutung der Pressefreiheit in Relation zum individuellen Persönlichkeitsrecht angeht.[28]

[24] Bamberger/Roth/Heiderhoff, § 17a EGBGB Rn 4, 19 ff.; Henrich, Rn 154.
[25] Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 17a EGBGB Rn 22.
[26] A.A. Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 17a EGBGB Rn 22, die Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO befürworten. Auch hier ist jedoch im Regelfall das deutsche Recht Deliktsstatut.
[27] So zutreffend Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 723 f.
[28] Bamberger/Roth/Spickhoff, Art. 1 Rom II-VO Rn 17 f.

2. Nichteheliche Lebensgemeinschaften

 

Rz. 10

Auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ist Art. 17a EGBGB entsprechend anwendbar (str.).[29] Die Rechtslage entspricht deshalb derjenigen bei Ehegatten und Lebenspartnern.

[29] Bamberger/Roth/Heiderhoff, Art. 17a EGBGB Rn 14; MüKo-BGB/Winkler v. Mohrenfels, Art. 17a EGBGB Rn 16; AnwK-BGB/Gruber, Art. 17a EGBGB Rn 22; jeweils m.w.N. zum Streitstandpunkt.

II. Gewaltschutzsachen nach § 2 GewSchG

 

Rz. 11

Bei Ehegatten und Lebenspartnern ist § 2 GewSchG nicht anwendbar; die Vorschrift wird von §§ 1361b, 1568a BGB, §§ 14, 18 LPartG wegen Subsidiarität in Folge erschöpfender Regelungen verdrängt. Kollisionsrechtliche Probleme treten mithin nicht auf.

Bei Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist Art. 17a EGBGB entsprechend anwendbar und deshalb bei im Inland wie im Ausland gelegenen Wohnungen deutsches Recht anwendbar/vgl. oben Rn 4 ff. und 7 ff.).

III. Europäische Schutzanordnung

 

Rz. 12

Der Gewaltschutz ist in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In einigen Mitgliedstaaten ist er ausschließlich strafrechtlich, in anderen hingegen verwaltungs- oder zivilrechtlich geregelt. Aus diesem Grunde hat die Europäische Union die Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung[30] verabschiedet, die in bestimmten Fällen auch in zivilrechtlicher Hinsicht Bedeutung erlangen kann. Sie ist bis zum 11.1.2015 in nationales Recht umzusetzen.[31]

[30] Richtlinie 2011/99/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die europäische Schutzanordnung (ABl EU Nr. L 338 vom 21.12.2011, S. 2).
[31] Vgl. näher Cirullies/Cirullies, Rn 314 f.; Wagner, NJW 2012, 1333; ders ., NJW 2013, 1653, 1654.

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