Rz. 55

Erhebt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid Widerspruch oder reagiert er auf den Vollstreckungsbescheid mit einem Einspruch, wird die Auseinandersetzung im streitigen Erkenntnisverfahren fortgesetzt. Gleiches gilt, wenn nach einem Widerspruch der Antragsteller das Verfahren nicht weiterbetreibt, aber der Antragsgegner seinerseits den weiteren Gerichtskostenvorschuss zahlt und die Abgabe an das Streitgericht beantragt.[27]

 

Rz. 56

Hier erhält der RA zunächst die Gebühren nach Nrn. 3100 und 3104 VV RVG, d.h. eine 1,3-Verfahrengebühr (Nr. 3100 VV RVG) und eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG). Die frühere Streitfrage, ob es sich bei dem Mahnverfahren und dem anschließenden Streitverfahren um zwei Angelegenheiten handelt, ist in diesem Sinne durch § 17 Abs. 2 RVG entschieden.

 

Rz. 57

Nach den Anm. zu Nrn. 3305, 3307 VV RVG wird die Gebühr nach dieser Nummer auf die Verfahrensgebühr für einen nachfolgenden Rechtsstreit angerechnet.

 

Rz. 58

 

Hinweis

Beauftragt ein Mandant einen Rechtsanwalt mit der Durchführung eines Mahnverfahrens und mandatiert er für den späteren Rechtsstreit einen anderen Anwalt, kommt es nicht zu einer Gebührenanrechnung nach Nr. 3307 S. 2 VV RVG; Mehrkosten eines derartigen "Anwaltswechsels" fallen nicht unter § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO.[28]

 

Rz. 59

Dabei ist nicht nur die nach der Anrechnung der Geschäftsgebühr noch verbleibende Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG vollständig auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, sondern die gesamte vor der Anrechnung entstandene Verfahrensgebühr.[29] Der BGH leitet dies zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut der Anm. zu Nr. 3305 VV RVG her, zum anderen aus dem Sinn dieser Regelung. Ansonsten entstünde das vom Gesetzgeber nicht gewollte Ergebnis, dass für die Tätigkeit des nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung zunächst im Mahnverfahren und anschließend im Hauptverfahren tätigen Rechtsanwalts mehr Gebühren festzusetzen wären als für die Tätigkeit des Anwalts, der nach außergerichtlicher Geschäftsbesorgung direkt das Hauptsacheverfahren betreibt. Das ist nicht ohne Kritik geblieben,[30] im Ergebnis aber hinzunehmen.

 

Rz. 60

Dass es sich bei dem gerichtlichen Mahnverfahren und dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren nach § 17 Abs. 2 RVG um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, bleibt danach unerheblich. Allerdings führt dies dazu, dass anrechnungsfrei die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG zweimal entsteht.

 

Rz. 61

 

Beispiel

Im vorstehenden Beispiel erhält der RA also die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, vermindert um die im Mahnverfahren im Ausgang angefallene 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 sowie eine 1,2-Terminsgebühr. Es ergibt sich nun folgende Berechnung:

Erkenntnisverfahren:

 
Geschäftswert 10.000,00 EUR
1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG 725,40 EUR
./. anzurechnenden Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG (1,0) ./. 558,00 EUR
zuzüglich einer 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG 669,60 EUR
zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR
Zwischensumme 857,00 EUR
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer 162,83 EUR
Gesamt gerichtlich 1.019,83 EUR

Anzurechnen ist die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Mahnverfahren auf die nachfolgende Verfahrensgebühr im gerichtlichen Erkenntnisverfahren nur insoweit, wie die Gegenstände identisch sind.[31]

Unerheblich bleibt für die Anrechnung, ob der vertretenen Partei Prozesskostenhilfe gewährt wurde.[32]

[27] OLG Sachsen-Anhalt AGS 2012, 122 m. Anm. Schneider.
[29] BGH JurBüro 2011, 80; OLG Hamm AGS 2014, 453.
[30] Hansens, RVGreport 2009, 81, 84.
[31] OLG München AGS 2013, 512.

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