Rz. 175

Der Anwalt, der eine gegen die Erbengemeinschaft geltend gemachte Forderung abwehren soll, wird zunächst sehr genau zu prüfen haben, ob er tatsächlich alle Miterben vertreten kann, oder ob hier nicht eine Interessenkollision droht.[412] Nach der Entscheidung des II. Senats des BGH zur Rechtsfähigkeit der GbR[413] wurde (erneut) diskutiert, ob diese Rspr. auf die Erbengemeinschaft zu übertragen sei. Die Diskussion dürfte durch die Entscheidung des XII. Senats zugunsten der bisherigen Rechtsauffassung beendet worden sein:[414] Zwar ist auch bei der Erbengemeinschaft ein durch die Gesamthand gebundenes Sondervermögen vorhanden. Die Erbengemeinschaft ist im Gegensatz zur GbR jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie gesetzlich und nicht rechtsgeschäftlich begründet wird. Außerdem ist die Erbengemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet und keine werbende Gesellschaft. Es bleibt mithin dabei, dass jeder einzelne Miterbe im Prozess Partei ist. Etwas anderes gilt lediglich im sozialgerichtlichen Verfahren, § 70 Nr. 2 SGG.

 

Rz. 176

Einer oder mehrere Miterben können Forderungen der Erbengemeinschaft im Aktivprozess geltend machen. Aufgrund von § 2039 BGB ist auf Leistung an sämtliche Miterben zu klagen.[415] Dies gilt auch dann, wenn ein Erbe Nachlassforderungen gegen einen Miterben geltend macht: In diesem Fall ist ebenfalls auf Leistung an die Erbengemeinschaft zu klagen.

 

Rz. 177

Regelmäßig wird es falsch sein, die Nachlassforderung um den Anteil des verklagten Miterben zu kürzen, weil er insoweit ohnedies Inhaber der Forderung sei. Dies ist nur dann zulässig, wenn der Nachlass ansonsten bereits vollständig auseinandergesetzt ist. Andernfalls würde es sich um eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses handeln, die wegen fehlender Teilungsreife unbegründet wäre.[416]

 

Rz. 178

In einem Prozess unter Beteiligung der vollständigen Gemeinschaft sind deshalb die einzelnen Miterben selbst Partei. Dies hat zur Folge, dass jeder Einzelne prozessualen oder materiell-rechtlichen Einwendungen ausgesetzt sein oder solche geltend machen kann.[417] Miterben sind daher im Aktivprozess wohl auch nicht notwendige Streitgenossen.[418]

 

Rz. 179

Der Anwalt, der Erben im Prozess vertritt, hat stets an den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. § 780 ZPO zu denken, der ausdrücklich beantragt werden muss. Dies gilt auch, wenn ein Miterbe klagt. Für den Fall des Unterliegens ist ausdrücklich Haftungsbeschränkung auch hinsichtlich der Kostentragungspflicht zu beantragen (wobei der Antrag auf Haftungsbeschränkung hinsichtlich der Kosten nur dann Erfolg haben wird, wenn ein Prozess des Erblassers durch die Erben fortgesetzt wird).

[412] Siehe hierzu auch unten Rdn 326.
[414] BGH ZErb 2002, 352 = NJW 2002, 3389.
[415] Nicht jedoch auf Leistung an die Erbengemeinschaft (keine eigene Rechtspersönlichkeit).
[416] Siehe hierzu auch unten Rdn 293 sowie Rißmann/Rißmann, Die Erbengemeinschaft, § 9 Rn 20 ff.
[417] BGH NJW 1989, 2133, 2134.
[418] Offengelassen von BGH NJW 1989, 2133, 2134; ausdrücklich verneinend: Brandenburgisches OLG OLGR 1998, 421, 422 m.N. zum Meinungsstand.

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