Rz. 29

Nach wie vor gibt es verschiedenste Möglichkeiten der Beiordnung im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe; alle mit den unterschiedlichsten Folgen im Hinblick auf die zu erstattenden Reisekosten des Rechtsanwalts, die nachfolgend näher erläutert werden sollen.

1. Uneingeschränkte Beiordnung

 

Rz. 30

Ist die VKH-Beiordnung ohne Einschränkung erfolgt, bewirkt dies, dass sämtliche Reisekosten des Anwalts unter Berücksichtigung der Voraussetzungen der Nrn. 7003 ff. VV RVG grundsätzlich zu erstatten sind.

Es gibt auch keine Obergrenze dahingehend, dass nur maximal die Kosten zu erstatten wären, die bei Beauftragung eines Verkehrsanwalts angefallen wären.[5]

[5] Vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 11.

2. Beschränkung auf "ortsansässigen" Anwalt

 

Rz. 31

Vor dem 1.6.2007 war es aufgrund des Wortlauts des § 121 Abs. 3 ZPO a.F. ("Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn…") übliche Praxis, dass die Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" eingeschränkt wurde mit der Folge, dass Reisekosten nicht zu erstatten waren. Durch das Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft[6] ist § 121 Abs. 3 ZPO abgeändert worden, wonach eine Beschränkung der Beiordnung lediglich noch "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" zulässig ist.

 

Rz. 32

 

Hinweis

Für die Vergütungsfestsetzung ist nicht die Rechtslage nach § 121 Abs. 3 u. 4 ZPO bzw. § 78 Abs. 3 u. 4 FamFG ausschlaggebend, sondern ausschließlich der Inhalt des Beiordnungsbeschlusses, auch wenn er ihm Widerspruch zu § 121 Abs. 3 ZPO steht (Bindungswirkung).[7] Ist eine Beschränkung der Beiordnung unzulässigerweise "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" erfolgt, sollte der Beiordnungsbeschluss hinsichtlich der einschränkenden Beiordnung mit der sofortigen Beschwerde (§§ 76 Abs. 1, 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127, 567 u. 569 ZPO) angegriffen werden.

 

Rz. 33

Die Beschränkung der Beiordnung auf einen ortsansässigen Rechtsanwalt hat zur Folge, dass dem Anwalt Reisekosten grundsätzlich nicht erstattet werden. Wird der diesbezügliche Beiordnungsbeschluss nicht angegriffen, ist der Rechtsanwalt von einer Reisekostenerstattung ausgeschlossen, auch wenn er im Gerichtsbezirk des jeweiligen Gerichts niedergelassen ist.

[6] Gesetz vom 26.3.2007, BGBl I S. 358 m.W.v. 1.6.2007.
[7] Vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 7.

3. Beiordnung zu den Bedingungen eines im Bezirk des Gerichts niedergelassenen Anwalts

 

Rz. 34

Wird der Rechtsanwalt entsprechend § 121 Abs. 3 ZPO bzw. § 78 Abs. 3 FamFG "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" beigeordnet, hat dies zur Folge, dass dem Anwalt Reisekosten nur soweit zu erstatten sind, als diese einem Rechtsanwalt entstanden wären, dessen Sitz innerhalb des Gerichtsbezirks am weitesten vom jeweiligen Prozessgericht entfernt liegt.

 

Rz. 35

Zu beachten ist, dass der Bezirk des jeweiligen Gerichts maßgeblich ist, d.h. beim AG also dessen Bezirk, beim OLG dessen viel größeren Gerichtsbezirk. Soweit die Beiordnung in einem vor dem OLG anhängigen Verfahren erfolgt, ist auf den Bezirk des OLG abzustellen.[8]

 

Rz. 36

 

Beispiel

Die einfache Fahrtstrecke des Rechtsanwalts zum Verfahrensgericht beträgt 55 km. Der am weitesten vom Gericht entfernte Ort XY des Gerichtsbezirks ist 25 km entfernt.

Die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten betragen:

 
55 km x 2 x 0,30 EUR = 33,00 EUR
Von Ort XY wären lediglich folgende Fahrtkosten entstanden:  
25 km x 2 x 0,30 EUR = 15,00 EUR

Gegen die Staatskasse besteht daher ein Erstattungsanspruch von

Zzgl. der entsprechenden Abwesenheitspauschale nach Nr. 7005 VV RVG.
15,00 EUR.

Zur eventuellen Geltendmachung der darüber hinausgehenden Reisekosten, vgl. Ausführungen unter § 5 Rdn 48. Zu den Reisekosten im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe siehe auch § 7 Rdn 117 ff.

[8] Vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 17.

4. Beiordnung mit Beschränkung auf die Kosten eines Verkehrsanwalts

 

Rz. 37

Nicht selten erfolgt eine VKH-Beiordnung mit der Beschränkung auf die Kosten eines Verkehrsanwalts. Dies hat zur Folge, dass in diesem Fall die fiktiven Kosten eines Verkehrsanwalts ermittelt und den tatsächlich entstandenen Reisekosten gegenübergestellt werden müssen.[9]

 

Rz. 38

Sind die tatsächlichen Reisekosten niedriger als die Vergütung für einen Verkehrsanwalt, so sind sie in voller Höhe zu erstatten. Liegen die Reisekosten darüber, werden die Kosten lediglich bis zur Höhe der fiktiven Verkehrsanwaltsvergütung erstattet.

 

Rz. 39

 

Beispiel

Die einfache Fahrtstrecke des Rechtsanwalts zum Verfahrensgericht beträgt 500 km; Hin- und Rückfahrt erfolgen am gleichen Tag. Der Verfahrenswert wurde auf 5.500,00 EUR festgesetzt.

Die tatsächlichen Fahrtkosten errechnen sich wie folgt:

 
500 km x 2 x 0,30 EUR = 300,00 EUR
Abwesenheitsgeld über 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG 70,00 EUR
Zwischensumme 370,00 EUR
+ 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 70,30 EUR
Summe 440,30 EUR

Für die Beauftragung eines Verkehrsanwalts wären angefallen:

1,0 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3400 VV RVG aus 5.500,00 EUR

 
aus der Tabelle gemäß § 49 RVG 267,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 287,00 EUR
+ 19 ...

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