Rz. 41

Im Zuge des 2. KostRMoG wurde auch der Wortlaut des § 50 Abs. 1 S. 1 RVG geändert, wonach bislang nach Deckung der in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche "die Staatskasse über die Gebühren des § 49 hinaus weitere Beträge bis zur Höhe der Gebühren nach § 13 einzuziehen" hatte. Aufgrund dieser Formulierung war es in der Vergangenheit umstritten, ob von dieser Vorschrift auch die über die Gebühren hinausgehenden Ansprüche des Rechtsanwalts (z.B. nicht von der Beiordnung umfasste Reisekosten) mit umfasst sind.

 

Rz. 42

§ 50 Abs. 1 S. 1 RVG lautet seit 1.1.2014 wie folgt:

Zitat

Nach Deckung der in § 122 Absatz 1 Nummer 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Kosten und Ansprüche hat die Staatskasse über die auf sie übergegangenen Ansprüche des Rechtsanwalts hinaus weitere Beträge bis zur Höhe der Regelvergütung einzuziehen, wenn dies nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung und nach den Bestimmungen, die das Gericht getroffen hat, zulässig ist.

 

Rz. 43

Der Gesetzgeber begründet die Änderung wie folgt:[11]

Zitat

Der Vorschlag dient der redaktionellen Klarstellung, dass die Staatskasse nach Befriedigung ihrer Ansprüche nicht nur die Gebührendifferenz, sondern auch zusätzliche Auslagen wie z.B. eine höhere Auslagenpauschale nach Nummer 7002 oder Auslagen, die nicht aus der Staatskasse zu erstatten sind, einzuziehen hat.

 

Rz. 44

Die Staatskasse ist daher verpflichtet, auch von der Beiordnung nicht umfasste Kosten (z.B. Reisekosten des Anwalts) beim VKH-Mandanten im Rahmen der angeordneten Ratenzahlung einzuziehen. Das hat für den VKH-Anwalt den Vorteil, dass er sich nicht selbst um die Beitreibung kümmern muss.

 

Rz. 45

Nach neuem Recht hat der Rechtsanwalt nunmehr zwei Möglichkeiten:

Er kann entweder seine Vergütungsansprüche (somit auch Reisekosten), die von der Staatskasse nicht getragen werden, weil sie nicht zum Umfang der Beiordnung gehören, unmittelbar mit seinem Mandanten abrechnen, da die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für derartige Vergütungsansprüche nicht greift.[12]
Aufgrund der Neufassung des § 50 Abs. 1 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Differenzvergütung (z.B. Reisekosten) aber auch durch die Staatskasse einziehen lassen.
 

Rz. 46

Wendet sich der Rechtsanwalt direkt an seinen Mandanten, hat dies den Vorteil dass er schneller über das Geld verfügt, wenn der Auftraggeber die Kostenrechnung zügig ausgleicht. Entscheidet sich der Anwalt für die Beitreibung durch die Staatskasse, spart er sich allerdings die eigene Einziehung beim Auftraggeber.

 

Rz. 47

Schneider/Thiel befürchten, dass die Neufassung des § 50 RVG als Argument dafür verwendet werden könnte, der Anwalt könne Vergütungsansprüche/Auslagen außerhalb des Umfangs seiner Beiordnung nicht unmittelbar gegenüber seinem Auftraggeber geltend machen.[13] Eine derartige Auslegung ist unseres Erachtens nicht richtig. Allerdings wird den Anwalt wohl eine Hinweispflicht gegenüber seinem Auftraggeber treffen.

 

Rz. 48

 

Beispiel

In einem Unterhaltsverfahren vor dem Amtsgericht XY wird der Rechtsanwalt mit Sitz in Z zu den Bedingungen eines im Amtsgerichtsbezirk XZ niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet. Der Verfahrenswert wird auf 10.500,00 EUR festgesetzt; die einfache Fahrtstrecke von Z nach XY beträgt 120 km. Der am weitesten vom Amtsgericht XY entfernteste Ort innerhalb des Gerichtsbezirks liegt 25 km entfernt. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss.

Berechnung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung:

 
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG aus 10.500,00 EUR  
aus der Tabelle gemäß § 49 RVG 417,30 EUR
1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus 10.500,00 EUR  
aus der Tabelle gemäß § 49 RVG 385,20 EUR
Fahrt mit dem eigenen Pkw, Nr. 7003 VV RVG  
25 km x 2 x 0,30 EUR = 15,00 EUR
Abwesenheitsgeld unter 4 Stunden, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 25,00 EUR
 
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 862,50 EUR
+ 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 163,88 EUR
Summe 1.026,38 EUR
 
Gebühren des Wahlanwalts:  
1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG aus 10.500,00 EUR  
aus der Tabelle gemäß § 13 RVG 785,20 EUR
1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus 10.500,00 EUR  
aus der Tabelle gemäß § 13 RVG 724,80 EUR
Zwischensumme 1.510,00 EUR
Übertrag Zwischensumme 1.510,00 EUR
Fahrt mit dem eigenen Pkw, Nr. 7003 VV RVG  
120 km x 2 x 0,30 EUR = 72,00 EUR
Abwesenheitsgeld über 4 Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG 40,00 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 1.642,00 EUR
+ 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 311,98 EUR
Summe 1.953,98 EUR
Differenz zwischen VKH und Wahlanwaltsvergütung netto 927,60 EUR.

Die Staatskasse ist verpflichtet, diese Vergütungsdifferenz nach § 50 Abs. 1 RVG einzuziehen, soweit eine Ratenzahlung angeordnet worden ist und die geleisteten Ratenzahlungen 48 Monate nicht übersteigen.[14]

[11] BT-Drucks 17/11471 v. 14.11.2012, S. 423.
[12] So auch OLG Nürnberg AGS 2002, 67 = JurBüro 2001, 481 = FamRZ 2001, 1157; Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrecht für Rechtsanwälte, ...

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