Rz. 61
Aus Sicht des Nacherben besonders wichtig sind die Hinterlegungs- und Anlagerechte der §§ 2116–2119 BGB. Sie bieten dem Nacherben Schutz gegen Verfügungen des Vorerben über besonders verkehrsgängige Papiere und Bargeld.
1. Wertpapiere
a) Materielles Recht
aa) Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 62
Eine "vorgelagerte Herausgabepflicht" statuiert § 2116 BGB. Auf ein entsprechendes Verlangen des Nacherben müssen Wertpapiere vom Vorerben gesperrt hinterlegt werden, sodass eine Herausgabe nur mit Zustimmung des Nacherben erfolgen kann.
Der Anspruch kennt keine besonderen materiellen Voraussetzungen, insbesondere ist eine Gefährdung der Rechte des Nacherben nicht erforderlich.[65]
Rz. 63
Folgende Wertpapiere sind zu hinterlegen:[66]
▪ | Inhaberpapiere, insbesondere Schuldverschreibungen auf den Inhaber (§§ 793 ff. BGB), Inhabergrundschuldbriefe (§ 1195 BGB), Inhaberrentenschuldbriefe (§ 1199 BGB) und Inhaberaktien (§§ 10, 278 Abs. 3 AktG). Nicht zu hinterlegen sind nach § 2116 Abs. 1 S. 2 BGB Inhaberpapiere, die verbrauchbare Sachen i.S.d. § 92 BGB darstellen, insbesondere Banknoten (hier ist aber § 2119 BGB zu beachten; vgl. unten Rdn 80 ff.); ferner Legitimationspapiere (§ 808 BGB), wie z.B. Sparbücher und Pfandscheine. |
▪ | Orderpapiere mit Blankoindossament, also Wechsel, Schecks und kaufmännische Orderpapiere (§ 363 HGB) sowie Namensaktien (§ 68 AktG). Nicht zu hinterlegen sind Papiere, die verbrauchbare Sachen i.S.d. § 92 BGB darstellen: zu denken ist hier in erster Linie an zum Betriebsvermögen gehörende Wechsel und Schecks. |
Rz. 64
Hinweis
Der Erblasser kann den Vorerben von den Verpflichtungen aus §§ 2116–2119 BGB befreien, vgl. § 2136 BGB.
bb) Rechtsfolgen der Hinterlegung
Rz. 65
Bis zur Hinterlegung ist der Vorerbe in seiner Verfügungsbefugnis über die Papiere frei (§ 2112 BGB). Auch ein Hinterlegungsverlangen des Nacherben führt noch nicht zu einer Verfügungsbeschränkung. Es gelten insoweit jedoch die allgemeinen Beschränkungen, insbesondere das Verbot der unentgeltlichen Verfügung nach § 2113 Abs. 2 BGB.
Eine nach der Hinterlegung vorgenommene Verfügung des Vorerben ist ohne die Zustimmung des Nacherben unwirksam, denn die Beschränkung des § 2116 Abs. 2 BGB ist dinglicher Natur.[67] Soweit eine Verfügung über die Papiere für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist, kann der Vorerbe von dem Nacherben unter den Voraussetzungen des § 2120 BGB (vgl. § 4 Rdn 66 ff.) die Zustimmung zur Herausgabe der Papiere verlangen.[68]
cc) Hinterlegungsverfahren
Rz. 66
Das formelle Hinterlegungsrecht wird durch Landesrecht geregelt. Die Landesjustizverwaltungen haben einen Musterentwurf für ein Hinterlegungsgesetz erarbeitet, der sich an den Vorgaben der zum 1.12.2010 außer Kraft getretenen Hinterlegungsordnung orientiert. Mittlerweile haben auf dieser Basis sämtliche Länder eigene Regelungen geschaffen.[69] Hinterlegungsstellen sind weiterhin die Amtsgerichte.[70]
Für die Hinterlegung von Wertpapieren sind eigenständige Regelungen geschaffen worden. Danach können Wertpapiere einem geeigneten Kreditinstitut zur Verwaltung und Verwahrung übergeben werden.[71] Die Hinterlegung bei einer Bank ist der Hinterlegung beim Amtsgericht vorzuziehen, da in diesem Fall das relativ schwerfällige formelle Hinterlegungsrecht nicht gilt.[72]
b) Prozessrecht
aa) Zuständigkeit
Rz. 67
Das Hinterlegungsverlangen ist vor dem Prozessgericht durchzusetzen.[73] Ein besonderer Gerichtsstand der Erbschaft besteht nicht, maßgeblich ist der Wohnsitz des Vorerben (§§ 12, 13 ZPO).
bb) Einstweiliger Rechtsschutz
Rz. 68
Wegen der hohen Verkehrsgängigkeit von Wertpapieren sollte stets die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes erwogen werden. Ein Verfügungsgrund kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Vorerbe die Hinterlegu...
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