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Beim politischen Streik ist nicht ein Arbeitgeber, sondern die Regierung, das Parlament oder die Justiz Adressat der Forderungen. Deswegen hält die weitaus überwiegende Auffassung diese Streikform für rechtswidrig. Zu folgern ist dies aus einem Eingriff in die verfassungsmäßige Ordnung gem. Art. 20 GG, zum anderen weil die Forderungen nicht tarifbezogen sind (LAG München v. 19.12.1979, EzA Art. 9 GG, Arbeitskampf Nr. 35; LAG Rheinland-Pfalz v. 5.3.1986, NZA 1986, 264; ErfK/Linsenmaier, GG, Art. 9 Rn 119; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn 54 ff.). Dagegen wird geltend gemacht, dass z.B. Proteststreiks, deren Ziel auf dem Gebiet der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegt, wirksam sind. Dies wird vor allem daraus gefolgert, dass das GG keine Einschränkung für politisch motivierte Streiks vorsieht, Regierung und Parlament vielfältigen Einflüssen ausgesetzt sind, deswegen ein Gleichgewicht aus der Sicht der Arbeitnehmerseite herbeigeführt werden muss, die ESC und das ILO-Abkommen Nr. 87 ausdrücklich Proteststreiks erlauben. Kein politischer Streik liegt dagegen vor, wenn durch einen Tarifvertrag eine andere als die gesetzliche Regelung erstreikt werden soll. Zu denken ist insb. an die Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder ein früherer Ladenschluss (BAG v. 27.6.1989 – 1 AZR 404/88, DB 1989, 2228; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn 55 und 64).

Arbeitskämpfe werden in der Regel durch kommunikative Auseinandersetzungen, etwa in Gestalt von Flugblättern, Pressemitteilungen, Interviews in den Medien oder Stellungnahmen in sozialen Netzwerken, begleitet. Machen in diesem Zusammenhang betroffene Arbeitgeber Unterlassungsansprüche geltend, sind diese nur begründet, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen, die nicht meinungsbezogen sind, verbreitetet werden und/oder eine das Persönlichkeitsrecht verletzende Formalbeleidigung oder Schmähkritik vorliegt (BVerfG v. 14.6.2019 – 1 BvR 2433/17). Gewerkschaftliche Stellungnahmen zur Tarifauseinandersetzung und zum Arbeitskampfgeschehen, kritische Kommentare zum Verhalten des Arbeitgebers im Streik oder dessen fehlender Kompromissbereitschaft und auch streikvorbereitende oder -begleitende gegen den Arbeitgeber gerichtete Öffentlichkeitskampagnen fallen unter die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit, die verstärkend zu dem den öffentlichen Meinungskampf gewährleistenden Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG hinzutritt.

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