Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Tarifverträge zur Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel sind nach § 1 Abs 1 TVG zulässig. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt nicht für Tarifverträge mit einem nach § 1 Abs 1 TVG zulässigen Inhalt.

2. Arbeitskämpfe um einen Tarifvertrag zur Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel verstießen nicht gegen die Friedenspflicht aus dem Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel vom 2. April 1985.

3. Arbeitskämpfe um eine solche tarifvertragliche Regelung sind keine unzulässigen politischen Arbeitskämpfe gegen eine geplante Änderung des Ladenschlußgesetzes.

4. Ein Antrag auf Feststellung, daß ein Arbeitskampf rechtswidrig ist oder war, ist unzulässig.

 

Orientierungssatz

1. Verweist ein Tarifvertrag lediglich auf eine gesetzliche Regelung, so macht er diese im Zweifel nicht zum Inhalt des Tarifvertrages und zu einer tariflichen Norm.

2. § 256 ZPO erlaubt lediglich die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Verpflichtungen aus einem solchen Rechtsverhältnis, nicht aber die Feststellung von Tatsachen oder tatsächlichen Vorgängen.

3. Ein Zwischenfeststellungsantrag kann kein Hilfsantrag sein. Er tritt vielmehr als zusätzlicher Antrag neben den Hauptantrag. Seine Besonderheit liegt darin, daß das Feststellungsinteresse an der mit ihm erbetenen Feststellung schon dann bejaht werden kann, wenn die Entscheidung über den Hauptantrag ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses abhängt.

 

Normenkette

ZPO § 256; GG Art. 9 Abs. 3; WettbewG §§ 1, 25, 96; TVG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 19.05.1988; Aktenzeichen 14 Sa 22/88)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.01.1988; Aktenzeichen 4 Ca 403/87)

 

Tatbestand

1. Die Klägerin ist ein Kaufhausunternehmen und betreibt u.a. in Berlin eine Reihe von Kaufhäusern. Sie ist Mitglied des Gesamtverbandes des Einzelhandels e.V. in Berlin. Zwischen diesem, dem Fachverband Deutscher Eisenwaren- und Hausrathändler e.V., Berlin, und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirk Berlin, ist am 2. April 1985 der "Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel" (im folgenden nur MTV) abgeschlossen worden. Die Bestimmungen des MTV über die Arbeitszeit lauten - soweit hier von Interesse - wie folgt:

§ 5

1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit einschließ-

lich der Pausen beträgt 38,5 Stunden, und zwar auch

für Jugendliche. Abweichend hiervon kann durch Be-

triebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat

durch Einzelarbeitsverträge, eine regelmäßige wö-

chentliche Arbeitszeit bis 40 Stunden vereinbart

werden.

Wird eine regelmäßige Arbeitszeit bis 40 Stunden ver-

einbart, so ist die über die 38,5-Stunden-Woche hin-

aus bis zur 40-Stunden-Woche vereinbarte Arbeitszeit

zuschlagsfrei zusätzlich zu vergüten.

2. Eine von Ziff. 1 abweichende Regelung kann durch Be-

triebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat

durch Einzelarbeitsverträge getroffen werden, sofern

a) eine im voraus festgelegte zusammenhängende regel-

mäßige Freizeit ... vereinbart wird und dabei der

Durchschnitt von 52 Wochen eines Kalenderjahres

38,5 Stunden pro Woche ergibt,

b) bei Arbeitszeitsystemen ohne Jahresarbeitszeitre-

gelung, die durch die Verkürzung der Wochenarbeits-

zeit entstehende Freizeit zusammengefaßt und in Ab-

schnitten von ... im voraus geregelt wird.

...

3. Wird die Arbeitszeit an einzelnen Tagen regelmäßig

verkürzt, so kann die ausfallende Arbeitszeit auf

die übrigen Wochentage zuschlagsfrei verteilt werden.

Fällt in die Woche ein gesetzlicher Feiertag, so ver-

mindert sich die Wochenarbeitszeit um die auf diesen

Feiertag entfallenden Arbeitsstunden.

4. Bei Teilzeitbeschäftigten ...

5. Sind bei Ladenschluß noch Kunden anwesend, so muß

zum Zu-Ende-Bedienen dieser Kunden und für das damit

verbundene Wegräumen der Ware Arbeit geleistet werden.

§ 6 Ziff. 1 ist zu beachten.

6. Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit sowie

der Pausen sind unter Berücksichtigung der gesetzli-

chen Bestimmungen betrieblich zu regeln und jedem Ar-

beitnehmer in geeigneter Weise bekanntzumachen.

§ 6

1. Mehrarbeit ist die Zeit, die über die nach § 5

Ziff. 1 und 2 festgelegte regelmäßige Arbeitszeit

hinausgeht.

2. Mehrarbeit, desgleichen auch Nacht-, Sonn- und Fei-

ertagsarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie

ist auf Veranlassung der Betriebsleitung nur vorüber-

gehend in Fällen einer dringenden geschäftlichen Not-

wendigkeit nach Anhörung des Betriebsrats (soweit ein

solcher vorhanden ist) zulässig.

3. Bei der Festsetzung des Entgelts ...

4. - 7. ...

§ 7

1. Nachtarbeit ist die in der Nachtzeit zwischen 20.00

und 6.00 Uhr geleistete Arbeit.

2. Sonntagsarbeit ist die in der Zeit von Sonntag von

0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit.

3. Feiertagsarbeit ist die an gesetzlichen Feiertagen

in der Zeit zwischen 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete

Arbeit.

4. Für die Arbeit nach Ziff. 1 - 3 sind zum Entgelt

folgende Zuschläge zu zahlen: ...

5. - 7. ...

§ 17

1. Die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes

bleiben durch diesen Tarifvertrag unberührt.

...

3. Der Vertrag gilt für unbestimmte Zeit. Er kann von

jeder Vertragspartei mit dreimonatiger Frist zum

Vierteljahresschluß, frühestens jedoch zum 31. De-

zember 1988, gekündigt werden. ...

2. Im Frühjahr 1986 legte die HBV, Landesbezirk Berlin, einen Entwurf für einen "Tarifvertrag zur Sicherung humaner Arbeitszeiten im Berliner Einzelhandel" vor, der wie folgt lautete:

§ 2

Arbeitszeitrahmen im Verkauf

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit an den Tagen Mon-

tag bis Freitag endet um 18.30 Uhr. Am Sonnabend endet

die Arbeitszeit um 14.00 Uhr; am ersten Sonnabend oder,

wenn dieser auf einen Feiertag fällt, am zweiten Sonn-

abend im Monat und an den vier aufeinanderfolgenden Sonn-

abenden vor dem 24. Dezember um 18.00 Uhr.

Am 24. Dezember, wenn dieser auf einen Werktag fällt,

endet die Arbeitszeit um 14.00 Uhr. Sonn- und Feiertage

sind arbeitsfrei.

§ 3

Ausnahmen

Entsprechend § 15 Ziff. 5 MTV ... kann die Arbeitszeit im

Verkauf zum Zu-Ende-Bedienen der Kundschaft und für das da-

mit verbundene Wegräumen der Ware bis höchstens 18.45 Uhr,

14.15 bzw. 18.15 Uhr verlängert werden.

§ 4

Schlußbestimmungen

Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung des 1. Mai 1986 in

Kraft.

Verhandlungen über diesen Tarifvertrag unter den Tarifvertragsparteien in Berlin, aber auch in den anderen Tarifbezirken des Bundesgebietes über ähnliche oder gleichlautende Forderungen, blieben ohne Erfolg. Die HBV, Landesbezirk Berlin, schrieb daher am 28. Oktober 1987 an den Gesamtverband des Einzelhandels Berlin u.a.:

... Aus diesen Gründen muß ich feststellen, daß

1. die Fortsetzung der Tarifverhandlungen über das Ar-

beitszeitende im Verkauf ohne den hierfür unerläß-

lichen Verhandlungsspielraum auf Ihrer Seite aus-

sichtslos ist und

2. eine Auflösung dieser Verhandlungssperre allein durch

eine Änderung der Haltung des sozialpolitischen Aus-

schusses der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzel-

handels möglich ist.

Ich darf Sie deshalb davon in Kenntnis setzen, daß

der Landesbezirk Berlin der Gewerkschaft HBV sich

selbstverständlich in die jetzt auf der Ebene der

Gesamtorganisation notwendigen Maßnahmen einreihen

wird und eine - wie auch immer geartete - Friedens-

pflicht nicht mehr als gegeben ansieht.

...

In der Folgezeit kam es zur Vorbereitung von Arbeitskampfmaßnahmen und zu Anträgen der Arbeitgeberseite auf Erlaß von einstweiligen Verfügungen zur Untersagung solcher Arbeitskämpfe.

Am 11. Dezember 1987 kam es zu einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien, wonach eine Kommission zur Prüfung der Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung der bestehenden Tarifverträge und eines Tarifvertrages über das Arbeitszeitende im Verkauf gebildet werden sollte. Die Verhandlungen über einen solchen Tarifvertrag sollten am 15. Januar 1988 fortgesetzt werden und bis dahin alle Arbeitskampfmaßnahmen unterbleiben. Die HBV überreichte am 22. Januar 1988 einen neuen Entwurf für einen Tarifvertrag zur Sicherung humaner Arbeitszeiten im Verkauf, der im wesentlichen den gleichen Inhalt wie der Entwurf vom 11. März 1986 hatte. Die weiteren Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis und wurden am 26. Januar 1988 von der HBV, Landesbezirk Berlin, für gescheitert erklärt.

In der Folgezeit kam es in Hamburg zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien über einen entsprechenden Tarifvertrag. Die Tarifvertragsparteien in Berlin vereinbarten daraufhin am 4. März 1988:

1. Die TV-Parteien verpflichten sich, unverzüglich

nach einer AVE für den Hamburger TV vom 26. Fe-

bruar 1988 zum Abschluß des TV gemäß Ziff. 2 und 3

zusammenzutreten und für diesen dann unverzüglich

die AVE zu beantragen.

2. Grundlage für die Verhandlung über diese tarifli-

che Regelung soll der TV ... für den Hamburger EH

sein.

3. Die TV-Parteien erklären, daß sie Verhandlungen über

das AZ-Ende im Verkauf ... am 22. März 1988 aufnehmen.

4. Diese Vereinbarung gilt bis zum Tage der AVE Hamburg.

Bis dahin verpflichten sich die Gewerkschaften, kei-

ne Arbeitskampfmaßnahmen ... zu führen.

5. ...

Nachdem am 13. April 1988 der Tarifausschuß die Allgemeinverbindlicherklärung für den Hamburger Tarifvertrag abgelehnt hatte, schrieb die HBV, Landesbezirk Berlin, an den Gesamtverband des Einzelhandels e.V., Berlin, am 6. Mai 1988:

...

Es bleibt uns bedauerlicherweise aufgrund Ihrer Weige-

rung nur die Feststellung, daß unser Versuch einer fried-

lichen Beilegung des Konfliktes um die wirkungsvolle Ver-

hinderung von Schicht- und Nachtarbeit im Einzelhandel

vorerst gescheitert ist.

Sie zwingen uns dadurch, gemeinsam mit den Tarifgebieten

in der Bundesrepublik den Kampf um die tarifvertragliche

Absicherung des Feierabends im Einzelhandel mit allen ge-

werkschaftlichen Mitteln fortzusetzen.

...

3. Schon am 7. Dezember 1987 hatte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Berlin das gegen die HBV und die HBV, Landesbezirk Berlin, gerichtete vorliegende Verfahren anhängig gemacht, mit dem sie sich gegen Arbeitskampfmaßnahmen zur Erzwingung eines Tarifvertrages über die Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel wendet. Sie hält einen solchen Tarifvertrag für unzulässig. Er verstoße gegen die durch den MTV begründete Friedenspflicht und sei darüber hinaus deswegen unzulässig, weil die erstrebte Regelung gegen § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die angedrohten Kampfmaßnahmen gegen § 25 Abs. 2 GWB verstießen. Sie hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es ... zu unter-

lassen, vor dem Ablauf des 31. Dezember 1988

Arbeitskampfmaßnahmen, insbesondere Arbeitsnie-

derlegungen, ... in den Betrieben der Klägerin

in Berlin ... durchzuführen oder durchführen zu

lassen, insbesondere die Arbeitnehmer dieser Be-

triebe zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen oder

aufrufen zu lassen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie halten die Klage gegen die HBV für unzulässig. Zuständig für den Abschluß von Tarifverträgen und für die Führung von Arbeitskämpfen sei allein der Landesbezirk Berlin. Arbeitskämpfe zur Erzwingung eines Tarifvertrages über das Arbeitszeitende im Verkauf des Einzelhandels verstießen nicht gegen die Friedenspflicht. Die erstrebte tarifliche Regelung werde vom Kartellverbot des GWB nicht erfaßt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin ihren Klageantrag um die folgenden Hilfsanträge erweitert:

Festzustellen, daß es unzulässig ist, seitens

der Beklagten bis zum Ablauf des Manteltarif-

vertrages für den Berliner Einzelhandel vom

2. April 1985 zur Unterstützung der vom Beklag-

ten zu 2) erhobenen Forderungen ... in den Be-

trieben der Klägerin Arbeitskampfmaßnahmen

durchzuführen oder durchführen zu lassen ...

weiter hilfsweise

festzustellen, daß Arbeitskampfmaßnahmen der

vorbezeichneten Art gegen die aus dem Mantelta-

rifvertrag ... resultierende Friedenspflicht

verstoßen.

Die Klägerin hat weiter geltend gemacht, daß die Frage, ob die erstrebte tarifliche Regelung gegen das GWB verstoße, von den zuständigen Kartellgerichten zu entscheiden sei. Das Landesarbeitsgericht müsse daher den Rechtsstreit gemäß § 96 Abs. 2 GWB aussetzen.

Das Landesarbeitsgericht hat ohne Aussetzung des Rechtsstreits die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren ersten Hilfsantrag weiter. Sie hat den Unterlassungsantrag für erledigt erklärt.

Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen und beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin konnte nicht verlangen, daß die Beklagten Arbeitskampfmaßnahmen zur Unterstützung ihrer Forderung auf Abschluß eines "Tarifvertrages zur Sicherung humaner Arbeitszeiten im Berliner Einzelhandel" unterließen. Der Hilfsantrag der Klägerin ist unzulässig.

I. Der Senat ist an der Entscheidung über den Unterlassungsantrag der Klägerin nicht deswegen gehindert, weil diese den Antrag in der Revisionsinstanz für erledigt erklärt hat. Dieser Erledigungserklärung haben die Beklagten widersprochen. Im Falle einer solchen einseitigen Erledigungserklärung durch den Kläger eines Rechtsstreites ist daher zu prüfen, ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat. Ist das der Fall, so ist dies durch das Gericht auszusprechen. Fehlt es an einer Erledigung, so ist über den ursprünglichen Sachantrag zu entscheiden. Nur so wird vermieden, daß einmal der Kläger gezwungen wird, an seinem erledigten Antrag festzuhalten und dessen Abweisung hinzunehmen. Ihm wird auf der anderen Seite die Möglichkeit genommen, ein nicht erledigtes Verfahren ohne Zustimmung der Beklagten, wie sie § 269 ZPO für die Rücknahme der Klage ausdrücklich fordert, der gerichtlichen Entscheidung zu entziehen.

Ein Verfahren ist nur dann erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, das den Kläger hindert, seinen Antrag mit Erfolg weiterzuverfolgen, weil dieses Ereignis den Antrag unzulässig oder unbegründet gemacht hat. Die Erledigung der Hauptsache setzt damit voraus, daß der Klageantrag zunächst zulässig und begründet war (BAGE 19, 342 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO; BAG Urteil vom 22. Januar 1975 - 4 AZR 10/74 - AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAGE 52, 150 = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972 für das Beschlußverfahren; BGH Urteil vom 7. November 1968 - VII ZR 72/66 - AP Nr. 14 zu § 91 a ZPO; BGH Urteil vom 15. Januar 1980 - VI ZR 191/78 - VersR 1980, 384, 385; BFH Urteil vom 30. April 1980 - VII R 94/74 - AP Nr. 16 zu § 91 a ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 91 a Anm. 2 D c; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 91 a Anm. 7 und 7 b). Eine Klage, die von Anfang an unzulässig oder unbegründet war, kann sich nicht durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes Ereignis erledigen.

Im vorliegenden Falle ist ein erledigendes Ereignis eingetreten. Der auf die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 befristete Unterlassungsantrag ist mit dem Ablauf der Frist gegenstandslos geworden. Die Klägerin könnte heute die Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen "bis zum 31. Dezember 1988" selbst dann nicht mehr verlangen, wenn ihr bis zu diesem Zeitpunkt ein solcher Unterlassungsanspruch zugestanden hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

II. Die auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen gerichtete Klage der Klägerin war von Anfang an unbegründet.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß der von einem Arbeitskampf betroffene Arbeitgeber (BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) oder die andere Tarifvertragspartei, der Gegner des Arbeitskampfes (Urteil vom 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen), die Unterlassung von Maßnahmen des Arbeitskampfes verlangen kann, wenn der Arbeitskampf selbst oder einzelne Maßnahmen rechtswidrig sind. Die von den Beklagten gegen Betriebe der Klägerin bis zum 31. Dezember 1988 geführten Arbeitskampfmaßnahmen waren nicht rechtswidrig. Daß angedrohte weitere Arbeitskampfmaßnahmen rechtswidrig gewesen wären, ist nicht ersichtlich.

2. Arbeitskämpfe der Beklagten waren nicht deswegen rechtswidrig und deshalb der Klägerin gegenüber zu unterlassen, weil die erstrebte tarifliche Regelung gegen die durch den MTV begründete Friedenspflicht verstieß.

a) Die gesetzliche, dem Tarifvertrag immanente - relative - Friedenspflicht eines Tarifvertrages verbietet den Tarifvertragsparteien nur, einen bestehenden Tarifvertrag inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, daß sie Änderungen oder Verbesserungen der vertraglich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreichen wollen (BAGE 41, 209 = AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; zuletzt Urteil des Senats vom 5. März 1985, BAGE 48, 160 = AP Nr. 85 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Diese ihnen obliegende relative Friedenspflicht aus dem MTV haben die Beklagten nicht verletzt.

b) Die Beklagten erstrebten eine tarifvertragliche Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel schon für eine Zeit, für die der MTV noch galt und daher eine durch ihn begründete Friedenspflicht noch nicht beendet war. Das machen die Entwürfe der HBV, Landesbezirk Berlin, für einen solchen Tarifvertrag deutlich. Dieser sollte schon zum 1. Mai 1986 in Kraft treten, mithin neben die weiter bestehenden Regelungen des MTV treten. Der Senat braucht daher nicht die Frage zu entscheiden, ob während des Bestehens einer tariflichen Regelung schon Arbeitskämpfe zur Herbeiführung einer erst nach deren Ende in Kraft tretenden Regelung geführt werden dürfen.

c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß der MTV keine Regelung des Endes der täglichen Arbeitszeit im Einzelhandel enthielt.

aa) Die §§ 5 bis 7 MTV enthalten im wesentlichen Bestimmungen, die die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, deren Verteilung auf die einzelnen Wochen und Wochentage, die Zulässigkeit von Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie deren Vergütung regelt. Die Frage, ob die so ihrer Dauer nach bestimmte Arbeitszeit an den einzelnen Wochentagen spätestens zu einem bestimmten Zeitpunkt enden muß, ist damit nicht geregelt worden. Diese Frage betrifft nicht die Dauer der Arbeitszeit, sondern deren zeitliche Lage. Der Revision ist zuzugeben, daß der MTV auch Bestimmungen über die Lage der in ihrer Dauer tariflich geregelten Arbeitszeit enthält. Die Regelungen des MTV über Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit betreffen auch die Lage der tariflich geschuldeten Arbeitszeit insoweit, als damit geregelt ist, daß diese Arbeitszeit auch zu Nachtzeiten oder an Sonn- und Feiertagen abgeleistet werden kann. Unter welchen Voraussetzungen die tariflich geschuldete Arbeitszeit auch zu Nachtzeiten oder an Sonn- und Feiertagen abzuleisten ist, ist in § 6 Ziff. 2 MTV lediglich dahin geregelt, daß dies nur vorübergehend in Fällen einer dringenden geschäftlichen Notwendigkeit und gegebenenfalls nach Anhörung des Betriebsrats zulässig ist.

Darüber, wann die an den einzelnen Tagen und gegebenenfalls in den Nachtstunden einzelner Tage einer Woche zu leistende Arbeit spätestens zu enden hat, enthält der MTV keine Bestimmungen. Auch § 5 Ziff. 5 MTV stellt keine solche Regelung dar. Wenn hier bestimmt wird, daß bei Ladenschluß noch anwesende Kunden zu Ende bedient und Waren weggeräumt werden müssen, so folgt daraus nicht, daß das Ende der täglichen Arbeitszeit schon auf den jeweiligen Ladenschluß festgelegt wird. Diese Bestimmung hat lediglich den Inhalt, eine Arbeitspflicht in diesen Fällen auch über die Zeit des jeweiligen Ladenschlusses hinaus zu begründen. Sie stellt darüber hinaus durch die Verweisung auf § 6 Ziff. 1 MTV klar, daß das Zu-Ende-Bedienen der Kundschaft und das Wegräumen der Waren gegebenenfalls Mehrarbeit ist.

bb) § 5 Ziff. 6 MTV bestimmt hinsichtlich Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit sowie der Pausen, daß diese unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen betrieblich zu regeln und jedem Arbeitnehmer in geeigneter Weise bekannt zu machen sind. Schon mit dem Hinweis auf die "Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen" sowie zusätzlich durch § 17 Nr. 1 MTV, wonach die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes unberührt bleiben, wird damit klargestellt, daß in Betrieben mit Betriebsrat Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu regeln sind. Der MTV überläßt daher die Festlegung des Arbeitszeitendes der betrieblichen Regelung, ohne dieser selbst bestimmte Grenzen, etwa hinsichtlich eines spätesten Arbeitszeitendes, vorzugeben. Die unter Mitbestimmung des Betriebsrats zu treffende betriebliche Regelung kann daher durchaus auch ein Ende der regelmäßigen Arbeitszeit vorsehen, das nach den gesetzlichen Ladenschlußzeiten liegt, mag dies auch in der Praxis relativ selten geschehen sein.

cc) Fehlt es damit an einer unmittelbaren tariflichen Regelung der Frage, wann die regelmäßige tägliche Arbeitszeit spätestens zu enden hat, so bleibt lediglich zu entscheiden, ob das Überlassen einer nur gesetzliche Bestimmungen berücksichtigenden Regelung über das Arbeitszeitende an die Betriebspartner als eine eigenständige tarifliche Regelung anzusehen ist, durch die die Tarifpartner für die Dauer der Laufzeit des MTV darauf verzichtet haben, diese Frage tariflich zu regeln, so daß auch diese "Nichtregelung" im Tarifvertrag eine die Friedenspflicht begründende tarifliche Regelung darstellt, die Arbeitskämpfe zur Änderung dieses Rechtszustandes verbietet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend verneint.

Seinem Wortlaut nach enthält § 5 Ziff. 6 MTV lediglich einen Hinweis auf die ohnehin bestehende gesetzliche Regelung, wonach Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats betrieblich zu regeln sind. Dieses in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG normierte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht immer dann, wenn es an einer tariflichen Regelung dieser Frage fehlt. Es bedarf dazu keiner Ermächtigung oder Übertragung der Regelungsbefugnis durch die Tarifvertragsparteien (BAGE 37, 255 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die Nichtregelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit durch einen Tarifvertrag läßt vielmehr nur die schon gesetzlich begründeten Mitbestimmungsrechte zur Anwendung kommen, so daß es an sich eines Hinweises im Tarifvertrag auf diese Gesetzeslage nicht bedarf.

Daraus, daß der Tarifvertrag gleichwohl einen solchen Hinweis enthält, kann nicht geschlossen werden, damit habe eine tarifliche Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im oben dargelegten Sinne getroffen werden sollen. Für ein solches Verständnis des Hinweises in § 5 Ziff. 6 MTV auf die bestehende Gesetzeslage fehlt jeder Anhaltspunkt. Alle dem MTV 1985 vorausgehenden Manteltarifverträge enthielten insoweit die gleiche Bestimmung. Schon das spricht dafür, daß im Laufe von 30 Jahren die Frage nach Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit keine Frage einer eigenständigen tariflichen Regelung unter den Tarifvertragsparteien war. Für eine solche Regelung bestand jedenfalls bis zum Jahre 1984 auch kein Anlaß. Mit den durch das Ladenschlußgesetz vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten war praktisch sichergestellt, daß jedenfalls für den größten Teil der im Einzelhandel beschäftigten Arbeitnehmer eine über die Ladenöffnungszeiten hinausgehende Arbeitszeit - vom Zu-Ende-Bedienen der Kundschaft abgesehen - nicht in Frage kam, weil insoweit kein Bedürfnis für eine Beschäftigung bestand. Auch der Umstand, daß seit 1984 in Berlin an zwölf Freitagen im Jahr das Offenhalten der Geschäfte über die sonst geltenden Ladenschlußzeiten hinaus zulässig war, hat anläßlich des Abschlusses des MTV 1985 keine Veranlassung gegeben, an dieser Regelung etwas zu ändern. Auch jetzt haben es die Tarifvertragsparteien bei der gesetzlichen Regelung belassen, daß Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit - auch für die zwölf Freitage - unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats betrieblich geregelt werden.

Diese Umstände machen deutlich, daß das Ende der täglichen Arbeitszeit, so wie sie durch den von den Beklagten angestrebten Tarifvertrag geregelt werden soll, zu keiner Zeit Gegenstand von Tarifverhandlungen und der jeweils abgeschlossenen Manteltarifverträge war. Dann bestand aber auch keine Veranlassung, eine eigenständige tarifliche Regelung dieser Frage für die Dauer eines Manteltarifvertrages auszuschließen. Abgesehen davon hätte ein solcher Ausschluß nur dann angenommen werden können, wenn dieser deutlicher als durch den in § 5 Ziff. 6 MTV enthaltenen Hinweis auf die bestehende gesetzliche Regelung zum Ausdruck gekommen wäre. Verweist ein Tarifvertrag lediglich auf eine gesetzliche Regelung, so macht er diese im Zweifel nicht zum Inhalt des Tarifvertrages und zu einer tariflichen Norm (BAG Beschluß vom 16. Januar 1980 - 4 AZN 87/79 - AP Nr. 3 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 35, 185 = AP Nr. 17 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

dd) Damit setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 31. August 1982 (BAGE 39, 351 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Wenn hier der Senat ausgesprochen hat, daß eine tarifliche Regelung über die Einführung der bargeldlosen Lohnzahlung auch ohne eine besondere Regelung der Frage, wer die Kontoführungsgebühren zu tragen hat, eine Sperre für das sonst gegebene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats darstellt, so betraf das den Inhalt der materiellen tariflichen Regelung der bargeldlosen Lohnzahlung. Im vorliegenden Fall geht es jedoch darum, ob der bloße Hinweis auf die bestehende gesetzliche Regelung auch einen Verzicht auf eine materielle tarifliche Regelung der gleichen Frage - Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit - enthält.

Das ist - wie dargelegt - zu verneinen, so daß Arbeitskampfmaßnahmen zur Herbeiführung einer solchen tarifvertraglichen Regelung nicht gegen die Friedenspflicht verstießen.

3. Rechtswidrig ist ein Arbeitskampf, der zur Durchsetzung eines tariflich nicht regelbaren Zieles geführt wird (BAGE 30, 189 = AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; zuletzt Urteil des Senats vom 7. Juni 1988 - 1 AZR 372/86 - AP Nr. 106 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Der von den Beklagten geführte Arbeitskampf zur Regelung des Arbeitszeitendes betraf eine durch Tarifvertrag regelbare Angelegenheit. Eine tarifliche Regelung des Arbeitszeitendes im Verkauf verstößt nicht gegen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

a) Diese Frage kann der Senat selbst entscheiden. § 96 Abs. 2 GWB verpflichtet den Senat nicht, den Rechtsstreit auszusetzen und darüber eine Entscheidung der Kartellgerichte einzuholen.

Nach § 96 Abs. 2 Satz 1 GWB hat ein Gericht das Verfahren bis zur Entscheidung durch die nach dem GWB zuständigen Behörden und Gerichte auszusetzen, wenn die Entscheidung eines vor ihm anhängigen Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu treffen ist. Nach § 87 Abs. 1 GWB sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz oder aus Kartellverträgen und aus Kartellbeschlüssen ergeben, die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.

Da zwischen den Tarifvertragsparteien ein Tarifvertrag noch nicht abgeschlossen worden ist, handelt es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit auf keinen Fall um einen Rechtsstreit "aus einem Kartellvertrag oder aus einem Kartellbeschluß". Der vorliegende Rechtsstreit ist auch keine Rechtsstreitigkeit, die sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergibt. Dieses Gesetz erstreckt sich nicht auf Tarifverträge und Maßnahmen zum Abschluß von Tarifverträgen.

Schon diese Entscheidung muß notwendig das erkennende Gericht selbst treffen. Wenn die Klägerin geltend macht, bereits diese Frage sei eine Frage, die sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergebe, so daß sie nur von den Kartellgerichten entschieden werden könne, und der vorliegende Rechtsstreit daher auszusetzen sei, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Wäre diese Ansicht zutreffend, so wäre ein Rechtsstreit schon immer dann auszusetzen, wenn nur entfernt die Möglichkeit bestünde, daß seine Entscheidung von einer kartellrechtlichen Frage abhängt. Schon darüber, ob der Rechtsstreit auszusetzen ist, müßte im Ergebnis das Kartellgericht entscheiden.

b) Das Recht, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifvertrag selbständig zu regeln, ist den Tarifvertragsparteien durch Art. 9 Abs. 3 GG garantiert. Diese Verfassungsbestimmung gewährleistet den Koalitionen als solchen einen Kernbereich der Koalitionsbetätigung und damit auch das Recht, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfGE 50, 290, 367 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG; Urteil des Senats vom 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Zu dieser geschützten koalitionsmäßigen Betätigung gehört der Abschluß von Tarifverträgen, durch die die Koalitionen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme Lohn- und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem Bereich regeln, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit weit zurückgenommen hat (BVerfGE 44, 322, 340 f. = AP Nr. 15 zu § 5 TVG; 58, 233, 246 = AP Nr. 31 zu § 2 TVG; BAGE 48, 160, 169 = AP Nr. 85 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu II 3 c der Gründe). Die nähere Ausgestaltung des Rechts auf koalitionsmäßige Betätigung obliegt dem Gesetzgeber. Ein solches, die Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisierendes Gesetz ist das Tarifvertragsgesetz (Urteil des Senats vom 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Gegenstand tarifvertraglicher Regelungen können nach § 1 TVG Rechtsnormen sein, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen. Damit können auch Regelungen über Beginn und Ende der Arbeitszeit Inhalt von Tarifverträgen sein, gleichgültig, ob man sie als Inhaltsnormen oder betriebliche Normen qualifiziert (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 152 ff.; Bechtold, Zur Anwendung des Kartellverbots auf wettbewerbsbeschränkende Tarifverträge, RdA 1983, 99, 100).

c) Das Tarifvertragsgesetz selbst enthält keine Einschränkung dieser Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung im Hinblick auf mögliche wettbewerbsrechtliche Auswirkungen von Tarifverträgen. Solche Einschränkungen sind auch nicht dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu entnehmen, auch wenn der Arbeitsmarkt in den Bereichsausnahmen der §§ 98 ff. GWB nicht ausdrücklich aufgeführt wird.

aa) Das entspricht einer weit verbreiteten Meinung, insbesondere im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. Wiedemann/Stumpf, aaO, Einl. Rz 96, mit weiteren Nachweisen; Müller-Henneberg/Schwartz, GK-GWB, 4. Aufl., § 1 Rz 49; Säcker, Streikhilfeabkommen und Kartellrecht, ZHR 137, 455, 464; Bechtold, aaO). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. Auch unter Berücksichtigung der im Kartellrechtsschrifttum vorgebrachten Einwände und Überlegungen (Nacken, WuW 1988, 475; Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rz 340) folgt der Senat der Ansicht, daß der Abschluß von Tarifverträgen von den Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht erfaßt wird.

bb) Schon der Wortlaut von § 1 GWB erfaßt nicht Tarifverträge oder den Abschluß von Tarifverträgen. Nach dieser Vorschrift sind Verträge, die Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen zu einem gemeinsamen Zweck schließen, und Beschlüsse von Vereinigungen von Unternehmen unwirksam, soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen.

Tarifverträge sind Verträge zwischen Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband oder - beim Firmentarifvertrag - einem einzelnen Arbeitgeber. Gewerkschaften sind in diesem Sinne keine Unternehmen. Auch wenn der Unternehmensbegriff in § 1 GWB weit und funktional zu verstehen ist, werden die Gewerkschaften beim Abschluß von Tarifverträgen nicht in einer Unternehmereigenschaft am Markt für Waren oder gewerbliche Leistungen, sondern als Koalitionen tätig.

Regelungsgegenstand von § 1 GWB sind nur Verträge, die zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen und geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für Waren und gewerbliche Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen. Wenn auch tarifvertragliche Regelungen über das Ende der Arbeitszeit geeignet sind, die Marktverhältnisse für den Warenverkehr dadurch zu beeinflussen, daß sie das Angebot von Waren außerhalb der zulässigen Arbeitszeit für die tarifgebundenen Arbeitgeber zumindest praktisch unmöglich machen, so werden sie doch nicht zu einem gemeinsamen Zweck abgeschlossen. Einem gemeinsamen Zweck dienen den Wettbewerb beeinflussende Abreden nur dann, wenn sie die wettbewerbsrelevante Handlungsfreiheit von Wettbewerbern der Vertragsschließenden beschränken (BGH Urteil vom 27. Mai 1986 - KZR 32/84 - WuW/E 2285, 2287 = ZIP 1986, 1489, 1491). Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind aber keine Wettbewerber auf dem Güter- oder Dienstleistungsmarkt.

Vom Wortlaut des § 1 GWB werden daher Tarifverträge nicht erfaßt. Dementsprechend heißt es auch schon in der Amtlichen Begründung für den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BT-Drucks. 2/1158, S. 30):

Die Fassung des Gesetzes stellt andererseits klar,

daß Abreden über den Abschluß oder Inhalt von Ar-

beits- oder Dienstverhältnissen nicht darunter fal-

len. Diese sind keine gewerblichen Leistungen. Ko-

operative Bindungen der Arbeitgeber oder der Arbeitneh-

mer über die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedin-

gungen fallen also nicht unter das Gesetz.

cc) Soweit in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. I davon ausgegangen wird, daß der Arbeitsmarkt als ungeschriebener Ausnahmebereich von den Regelungen des GWB ausgenommen ist, der Zweck dieser Freistellung aber als Grenze des Ausnahmebereiches angesehen werden müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Zutreffend sieht das Gutachten diesen Zweck in der ordnungspolitischen Sonderstellung des Arbeitsmarktes.

Gleichwohl wird in dem Gutachten geprüft, ob einzelne, bestimmte tarifvertragliche Regelungen der Arbeitsbedingungen vom Freistellungszweck noch gedeckt werden. Vorgenommen wird eine Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer an der tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der Vermeidung wettbewerbsbeschränkender Abreden. Für den vorliegenden Fall einer tarifvertraglichen Regelung des Endes der täglichen Arbeitszeit im Einzelhandel wird die Ansicht vertreten, daß der damit verbundene soziale Schutz der Arbeitnehmer "eher am Rande kollektiv zu verfolgender Arbeitnehmerinteressen" liege. Hinzu komme, daß schon die beabsichtigte gesetzliche Ladenschlußregelung die Arbeitnehmerinteressen wahre und damit sozialpolitische Belange noch abdecke. Demgegenüber sei die Ladenöffnungszeit ein wichtiger Wettbewerbsparameter im Einzelhandel. Sie habe neben dem Preis eine zentrale Bedeutung. Der Geltungsanspruch des Kartellverbotes müsse sich daher durchsetzen.

Eine solche auf die jeweilige tarifvertragliche Regelung abstellende Interessenabwägung ist unzulässig. Wie dargelegt können Gegenstand tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 TVG alle Rechtsnormen sein, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen. Alle diese Rechtsnormen können im Grundsatz mittelbare oder unmittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb der Arbeitgeber zueinander haben und damit diesen Wettbewerb beschränken. Daß diese wettbewerbsrelevante Wirkung von Regelungen über das Ende der Arbeitszeit im Einzelhandel besonders offensichtlich ist, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Es liegt in der Entscheidung der Tarifvertragsparteien, ob sie unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer eine solche Regelung abschließen oder im Hinblick auf die wettbewerbsbeschränkende Wirkung einer solchen Regelung diese unterlassen.

Für eine Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer an einer Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und den Interessen der Allgemeinheit an möglichst weiträumigen Ladenöffnungszeiten und an einem Wettbewerb der Einzelhandelsunternehmen durch Ausschöpfung der möglichen Ladenöffnungszeiten fehlt es an normativen Bewertungsmaßstäben. Das Interesse der Arbeitnehmer an einem Arbeitszeitende, das den gegenwärtig möglichen Ladenschlußzeiten entspricht, gering zu veranschlagen, zumal es sich bloß um eine geringfügige Veränderung der Ladenschlußzeiten durch die Einführung nur eines Dienstleistungsabends in der Woche handele, geht daher (entgegen der Auffassung des Gutachtens) nicht an. Abgesehen davon, daß die tarifvertragliche Regelung über ein Ende der täglichen Arbeitszeit nicht nur die Ausschöpfung des geplanten Dienstleistungsabends unmöglich macht, sondern auch Arbeiten bei geschlossenen Verkaufsstellen jenseits des erstrebten Arbeitszeitendes unterbinden will, die gegenwärtig vom Ladenschlußgesetz nicht verboten werden, wäre bei einer solchen Betrachtung die Frage zu beantworten, ab welcher Größenordnung das Interesse der Arbeitnehmer an einem frühen Feierabend ein solches Gewicht erhielte, daß demgegenüber wettbewerbsrechtliche Erwägungen zurückstehen müssen. Eine tarifvertragliche Regelung, die das tägliche Arbeitszeitende auf 15.00 oder 16.00 Uhr festlegen wollte, müßte dann möglicherweise wegen der großen Bedeutung der für den Nachmittag und Abend gewonnenen Freizeit für die Arbeitnehmer zulässig sein. Angesichts des Umstandes, daß sozialpolitische Fortschritte zugunsten der Arbeitnehmer regelmäßig nur in begrenzten Schritten möglich sind, müßte eine Interessenabwägung anhand der jeweils "geringen Bedeutung" des erzielten Fortschrittes dazu führen, daß sich "der Geltungsanspruch des Kartellverbotes" gegenüber jeder tarifvertraglichen Regelung von Arbeitsbedingungen, die wettbewerbsrechtliche Relevanz hat, durchsetzt.

dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Gesetzgeber durch das geltende Ladenschlußgesetz und die geplante Neuregelung dieses Gesetzes zum Ausdruck bringt, daß er die Interessen der Arbeitnehmer an einem möglichst frühen Feierabend gegenüber den Interessen der Allgemeinheit an längeren Ladenöffnungszeiten geringer bewertet. Eine solche rechtspolitische Entscheidung steht allein dem Gesetzgeber zu.

Das Ladenschlußgesetz enthält jedoch, abgesehen von § 17, keine Vorschriften, die unmittelbar die Arbeitszeit der in Verkaufsstellen beschäftigten Arbeitnehmer regeln. Es verbietet insbesondere durch die Vorschriften über den Ladenschluß keine Beschäftigung von Arbeitnehmern nach dem Ende des Ladenschlusses. Es geht daher nur davon aus, daß faktisch für den überwiegenden Teil der in Verkaufsstellen beschäftigten Arbeitnehmer eine Beschäftigung nach dem Ladenschluß nicht in Frage kommt und daher die Vorschriften über den Ladenschluß dem Arbeitnehmer mittelbar einen Feierabend ab einer bestimmten Uhrzeit sichern. Auf der anderen Seite verpflichtet es keinen Inhaber von Verkaufsstellen, die Ladenschlußzeiten auszuschöpfen, und keinen Arbeitnehmer, bis zum Ladenschluß zu arbeiten. Es überläßt die Regelung der Arbeitspflicht der arbeitsrechtlichen Regelung durch Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag. Damit überläßt es auch die Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer an einem bestimmten Arbeitszeitende und der Arbeitgeber an der Ausschöpfung der Ladenschlußzeiten den Tarifvertragsparteien, ohne dieser Interessenabwägung normative Vorgaben zu setzen. Das gilt für die geltende Ladenschlußregelung ebenso wie für die geplante Regelung der Einführung eines Dienstleistungsabends.

ee) Die Unterwerfung von Tarifverträgen mit einem nach § 1 TVG zulässigen Inhalt unter die Geltung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, je nach dem Gewicht der in der tariflichen Regelung zum Ausdruck gekommenen Arbeitnehmerinteressen und der Relevanz der tariflichen Regelung für den Wettbewerb der tarifgebundenen Arbeitgeber untereinander, vermag auch deswegen nicht zu überzeugen, weil sie zu widersprüchlichen und in sich unausgewogenen Ergebnissen führt.

Auch das genannte Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß eine tarifvertragliche Regelung des Endes der Arbeitszeit kein nach § 1 GWB verbotener Vertrag ist. Gleichwohl soll der Zustimmungsbeschluß des Arbeitgeberverbandes zu einem solchen Tarifvertrag, d.h. der Beschluß, einen solchen Tarifvertrag abzuschließen, ein nach § 1 GWB unwirksamer Beschluß einer Vereinigung von Unternehmen sein.

Eine solche Rechtsfolge der vom Gutachten vertretenen Konzeption ist widersprüchlich. Tarifverträge sind Verträge zwischen den Tarifvertragsparteien. Ist Tarifvertragspartei wie beim Verbandstarifvertrag, der die Regel bildet, ein Arbeitgeberverband, so setzt der Abschluß eines Tarifvertrages notwendig eine entsprechende Beschlußfassung im Arbeitgeberverband voraus. Ist das aber der Fall, so ist nicht zu begründen, warum der Beschluß, einen Tarifvertrag abzuschließen, nach § 1 GWB unwirksam sein soll, obwohl die gleiche Vorschrift einen solchen Tarifvertrag nicht verbietet. Der für den Abschluß eines Tarifvertrages notwendige Beschluß der Tarifvertragspartei kann keinen anderen Zulässigkeitsregelungen unterliegen als der Tarifvertrag selber.

d) Ein Tarifvertrag zur Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel wäre möglicherweise dann unwirksam, wenn er allein in wettbewerbsregelnder Absicht abgeschlossen würde, die Form des Tarifvertrages somit rechtsmißbräuchlich zur Verdeckung eines nach § 1 GWB unzulässigen Vertrages oder Beschlusses benutzt würde. Für ein solches rechtsmißbräuchliches Verhalten der Tarifvertragsparteien sind jedoch Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

aa) Auf seiten der Gewerkschaft ist ein Interesse an einer den Wettbewerb der Einzelhandelsunternehmen regelnden Vereinbarung nicht ersichtlich. Ihr Interesse liegt in der Schaffung humaner Arbeitsbedingungen im Einzelhandel, worunter sie auch die Festlegung eines arbeitsfreien Feierabends ab einer bestimmten Uhrzeit versteht und verstehen konnte. Ein solches Interesse ist legitim. Der Abschluß eines entsprechenden Tarifvertrages ist das geeignete und von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellte Mittel, dieses legitime Ziel zu erreichen.

Daß es der Gewerkschaft nicht um dieses sozialpolitische Anliegen, sondern nur oder in erster Linie um eine Verhinderung einer Änderung der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten ging, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht durch die Präambel des Schlichtungsvorschlages für den Hamburger Einzelhandel belegt. Diese Präambel besagt nichts über das Ziel der Gewerkschaft, auch wenn sie mit der Annahme des Schlichtungsvorschlages die Billigung der Gewerkschaft gefunden hat. Wenn sie den ohnehin bekannten Widerstand der Gewerkschaften gegen eine gesetzliche Neuregelung des Ladenschlußgesetzes noch einmal dokumentiert, so besagt doch dieser Widerstand nichts für eine Absicht der Gewerkschaft, die erstrebte tarifliche Regelung allein zur Regelung des Wettbewerbs im Einzelhandel abzuschließen.

bb) Auch auf seiten des Arbeitgeberverbandes sind Anhaltspunkte für eine Umgehung des Verbots wettbewerbsbeschränkender Verträge nicht ersichtlich. Schon der Widerstand des Arbeitgeberverbandes gegen einen solchen Tarifvertrag macht deutlich, daß dieser nicht als Mittel gedacht sein kann, die Ausnutzung der Möglichkeiten der geplanten Neuregelung in wettbewerbsbeschränkender Absicht zu unterbinden.

e) Gilt damit das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht für Tarifverträge, so stellen Arbeitskampfmaßnahmen zum Abschluß eines Tarifvertrages keine nach § 25 Abs. 2 GWB verbotenen Handlungen dar. Sie sind nicht durch das Androhen oder Zufügen von Nachteilen darauf gerichtet, den Arbeitgeberverband zum Abschluß eines Vertrages zu veranlassen, der nach § 1 GWB verboten wäre.

4. Die Klägerin hat geltend gemacht, die von den Beklagten geplanten und durchgeführten Arbeitskampfmaßnahmen seien auch deswegen unzulässig, weil sie nicht erforderlich seien und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Die Klägerin erstrebe mit dem Tarifvertrag nur die Festschreibung dessen, was gegenwärtig ohnehin gesetzliche Regelung sei. Dieser Einwand ist schon aus tatsächlichen Gründen verfehlt.

Das Ladenschlußgesetz enthält - wie dargelegt - keine Regelung über das Arbeitszeitende der im Einzelhandel beschäftigten Arbeitnehmer, es läßt deren Beschäftigung vielmehr auch nach dem Ladenschluß zu. Schon von daher hat die Gewerkschaft ein berechtigtes Interesse daran, das Arbeitszeitende tariflich zu regeln, um auf diese Weise Arbeiten nach Ladenschluß ganz oder teilweise unmöglich zu machen. Auch wenn die angestrebte tarifliche Regelung weitgehend den tatsächlichen Verhältnissen entsprach, weil Arbeiten nach Ladenschluß praktisch nur eine geringe Rolle spielten, macht das einen Arbeitskampf für eine entsprechende tarifliche Regelung nicht unzulässig. Eine entsprechende Entscheidung würde voraussetzen, daß Arbeitskämpfe nicht für eine tarifliche Regelung geführt werden dürfen, die ihrerseits keine großen praktischen Auswirkungen hat und keine wesentlichen Vorteile für die Arbeitnehmer bringt. Ein solcher Rechtssatz würde einer Tarifzensur gleichkommen, die den Gerichten verwehrt ist.

Darüber hinaus kann im vorliegenden Falle nicht unberücksichtigt bleiben, daß eine Änderung der gesetzlichen Ladenschlußzeiten und damit auch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch 1987 und 1988 schon in naher Zukunft ernsthaft zu erwarten war. Wenn daher die Gewerkschaft dieser zu erwartenden Änderung durch eine tarifliche Regelung des Arbeitszeitendes zu begegnen versuchte, können auf eine solche tarifliche Regelung gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen nicht als nicht erforderlich und daher unzulässig angesehen werden.

5. Die von den Beklagten gegen die Klägerin geführten Arbeitskampfmaßnahmen stellen sich auch nicht als ein unzulässiger politischer Streik dar.

Es ist das Recht einer Gewerkschaft, eine geplante gesetzliche Regelung, die ihrer Ansicht nach Interessen der Arbeitnehmer beeinträchtigt, abzulehnen. Wenn sie die für die Arbeitnehmer nachteiligen Folgen der geplanten Neuregelung der Ladenschlußzeiten durch den Abschluß eines Tarifvertrages mit einem zulässigen Inhalt beseitigen oder mildern will, so ist dies keine rechtsmißbräuchliche Nutzung des Tarifvertrages. Die angestrebte tarifliche Regelung bleibt auch dann eine zulässige Regelung von Arbeitsbedingungen, wenn sie im Ergebnis dazu führt, daß die geplante Neuregelung der Ladenschlußzeiten nicht oder nicht voll wirksam werden kann. Damit wird kein unzulässiger Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt. Dem Gesetzgeber steht es frei, der geplanten Neuregelung dadurch Wirksamkeit zu verschaffen, daß er entsprechende tarifliche Regelungen verbietet.

6. Verstößt damit die erstrebte tarifliche Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel nicht gegen Vorschriften des Kartellrechts und stehen Arbeitskampfmaßnahmen zur Herbeiführung einer solchen Regelung weder die Friedenspflicht aus dem MTV noch allgemeine Regeln des Arbeitskampfes entgegen, so waren die gegen die Klägerin gerichteten Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten rechtmäßig. Der Unterlassungsantrag der Klägerin war daher von Anfang an unbegründet. Darüber, ob ein möglicher Unterlassungsanspruch auch gegenüber der HBV selbst oder nur gegenüber dem Landesbezirk Berlin gegeben gewesen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

III. Der Feststellungsantrag der Klägerin war von Anfang an unzulässig.

Mit ihrem Antrag begehrte die Klägerin die Feststellung der Unzulässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen durch die Beklagten in ihren Betrieben, mithin eines bestimmten Handelns. Ein solcher Antrag ist unzulässig. § 256 ZP0 erlaubt lediglich die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Verpflichtungen aus einem solchen Rechtsverhältnis, nicht aber die Feststellung von Tatsachen oder tatsächlichen Vorgängen (Urteil des Senats vom 12. September 1984, BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).

Als nach § 256 Abs. 2 ZP0 möglicherweise zulässige Zwischenfeststellungsklage kann der Feststellungsantrag der Klägerin nicht verstanden werden. Die Klägerin hat ihren Feststellungsantrag hilfsweise für den Fall gestellt, daß ihr Unterlassungsantrag abgewiesen wird. Ein Zwischenfeststellungsantrag kann jedoch kein Hilfsantrag sein. Er tritt vielmehr als zusätzlicher Antrag neben den Hauptantrag. Seine Besonderheit liegt darin, daß das Feststellungsinteresse an der mit ihm erbetenen Feststellung schon dann bejaht werden kann, wenn die Entscheidung über den Hauptantrag ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses abhängt.

IV. Die Kosten der erfolglosen Revision hat nach § 97 ZP0 die Klägerin zu tragen.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Koerner Dr. Federlin

 

Fundstellen

BAGE 62, 171-192 (LT1-4)

BAGE, 171

DB 1989, 2228-2231 (LT1-4)

ASP 1989, 264 (K)

EWiR 1989, 1127-1127 (S1-5)

JR 1990, 132

NZA 1989, 969-974 (LT1-4)

RdA 1989, 381

ZIP 1989, 1356

ZIP 1989, 1356-1362 (ST1-2)

AP, Arbeitskampf (LT1-4)

AR-Blattei, Arbeitskampf I Entsch 31 (LT1-4)

AR-Blattei, ES 170.1 Nr 31 (LT1-4)

EzA, Arbeitskampf Nr 94 (LT1-4)

JA 1990, 54-56 (S)

JuS 1990, 332

JuS 1990, 332-333 (LT1,3-4)

WuW/E, VG 347-354 (T)

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