A. Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht, § 69 StGB

I. Systematik

 

Rz. 1

§ 69 Abs. 1 StGB regelt die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangenen Straftat. Sie ist eine verschuldensunabhängige Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 StGB), die sich ausschließlich an der Sicherheit des Straßenverkehrs orientiert. § 69 Abs. 2 StGB enthält Regelbeispiele, die der Vereinheitlichung der Rechtsprechung dienen und wonach ein Täter nach Verwirklichung der Tat in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kfz anzusehen ist. Hierbei handelt es sich um:

Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB),
Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB),
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB),
Vollrausch (§ 323a StGB).
 

Rz. 2

Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis handelt es sich somit nicht um eine Nebenstrafe. Ihre Anordnung und Dauer hängen daher nicht von der Schwere der Tatschuld, sondern ausschließlich von der Ungeeignetheitsprognose des Täters ab. Der Gesetzeszweck des § 69 StGB ist der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit über Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges setzt daher voraus, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.[1]

 

Rz. 3

Wer bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges ein typisches Verkehrsdelikt begeht, verstößt daher regelmäßig dadurch gegen die Pflichten eines Kraftfahrers; dabei sind Verkehrsstraftaten nicht nur solche, die im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB aufgeführt sind. Eine in diesem Sinne typische Verkehrsstraftat ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis, die, wenn sie häufig und nach gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis begangen wird, auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hindeutet.[2]

 

Rz. 4

Mit Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung erlischt die Fahrerlaubnis gem. § 69 S. 1 StGB. Mit dem Urteil ordnet das Gericht zugleich eine Sperre an, vor deren Ablauf die Verwaltungsbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf, § 69a StGB.

 

Rz. 5

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist in § 69 StGB an wesentlich engere Voraussetzungen gebunden als im Verwaltungsrecht. Der Strafrichter kann von der Entziehung nur ausnahmsweise absehen, wenn er besondere Gründe in den Tatumständen oder in der Person des Täters erkennt, die ein Abweichen vom Regelfall vertretbar erscheinen lassen.[3] Eine derartige Ausnahme sieht die Rechtsprechung mitunter in Fällen nur sehr kurzer Trunkenheitsfahrten.[4]

 

Rz. 6

Der in diesen Straftaten verteidigende Rechtsanwalt muss somit versuchen, Umstände darzulegen, die sich von den Tatumständen des Durchschnittsfalls ganz erheblich abheben.[5]

 

Rz. 7

Checkliste:

Die Tat selbst hat Ausnahmecharakter.
Die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bietet Gewähr dafür, dass er in Zukunft gleiche oder ähnliche Taten nicht mehr begehen wird.
Es liegen vor oder nach Tatbegehung besondere Umstände vor, objektiver oder subjektiver Art, die den Eignungsmangel entfallen lassen.
 

Hinweis

Häufig wird die Argumentation der Verteidigung für einen Verzicht auf eine Entziehung der Fahrerlaubnis auf wirtschaftliche Gesichtspunkte des Mandanten gestützt. Dieser Hinweis ist falsch, da der Anknüpfungspunkt der Entziehung die Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr ist.[6] Wirtschaftliche Gesichtspunkte können allenfalls mittelbar, etwa in Form einer rascheren Beseitigung des Eignungsmangels als Argument herangezogen werden.

[1] BGHSt 50, 93 ff.
[3] Heiler/Jagow, Führerschein, S. 263.
[4] Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1988 – 5 Ss 460/87 – 3/88 I = NZV 1988, 29.
[5] Ausführlich Janker, SVR 2004, 139.
[6] Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 69a StGB Rn 2.

II. Sperrfrist für die Wiedererteilung

 

Rz. 8

Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht bestimmt dieses zugleich die Dauer, für die seitens der Fahrerlaubnisbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (sog. Sperrfrist). Diese Sperre ist für die Fahrerlaubnisbehörde bindend. Die Sperre beträgt mindestens sechs Monate und maximal fünf Jahre. Nur in außergewöhnlichen Fällen ist eine lebenslange Sperre zulässig.

 

Rz. 9

Das Mindestmaß der Sperrfrist von sechs Monaten verlängert sich auf zwölf Monate, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperrfrist angeordnet worden ist, vgl. § 69a Abs. 3 StGB.

Die Dauer der vorläufigen Entziehung gem. § 111a StPO wird bei der Bemessung der Sperre berücksichtigt. Das Mindestmaß der Sperre verkürzt sich um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Das Mindestmaß darf aber drei Monate nicht unterschreiten.

 

Rz. 10

Bei einem Absehen von der Entziehung ist das Strafgericht nach § 267 Abs. 6 S. 2 StPO verpflichtet, in den Urteilsgründen anzugeben, warum die Fahrerlaubnis nicht nach § 69 StGB entzogen und eine Sperre für die Wiederertei...

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