Rz. 6

Das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem privaten (Kunden-)Parkplatz stellt eine verbotene Eigenmacht in Form einer Besitzstörung dar (§ 858 Abs. 1 BGB),[7] für die nicht nur der Fahrer, sondern ebenfalls der Halter verantwortlich ist.[8] Gemäß § 859 Abs. 1 BGB darf der Besitzer sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren; ihm steht also insoweit ein Selbsthilferecht zu.[9] Dem Fahrer des zugeparkten Fahrzeugs ist demnach auf der Grundlage des § 859 Abs. 1 BGB die rechtliche Möglichkeit eröffnet, selbst für die Beseitigung des zuparkenden Fahrzeugs zu sorgen, wobei er verpflichtet ist, in einer das fremde Eigentum möglichst schonenden Weise vorzugehen. Dem entspricht es, wenn der Zugeparkte selbst einen Abschleppunternehmer mit der Beseitigung des Fahrzeugs beauftragt.[10]

 

Rz. 7

Das gilt nicht nur dann, wenn das Parken überhaupt nicht erlaubt ist, sondern auch dann, wenn das Parken an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, wie z.B. beim Parken auf einem Kundenparkplatz oder beim Parken auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz ohne Entrichtung des Entgelts und ohne Auslegen des Parkscheins.[11] Der unmittelbare Grundstücksbesitzer darf in einem solchen Fall das Fahrzeug abschleppen lassen.[12] Grenzen des Rechts zur Besitzkehr sind Treu und Glauben und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit seiner Mittel-Zweck-Relation.[13] Das unbefugt auf fremdem Grund abgestellte Fahrzeug darf auch ohne konkrete Behinderung abgeschleppt werden.[14] Überlässt der Halter sein Fahrzeug einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr, so ist er Zustandsstörer, wenn es unberechtigt auf einem fremden Grundstück abgestellt wird.[15] Er kann auch auf künftige Unterlassung in Anspruch genommen werden, auch nach Beendigung der Störung.[16]

 

Rz. 8

Allerdings erlaubt § 859 Abs. 3 BGB nur ein sofortiges Handeln. Dies verlangt grundsätzlich ein Tätigwerden, so schnell wie nach objektiven Maßstäben möglich, ungeachtet der subjektiven Kenntnis von der Besitzstörung.[17] Der Begriff "sofort" wird streitig diskutiert.[18]

 

Rz. 9

Der BGH[19] stellt in diesem Zusammenhang aber die rechtliche Bedeutung und das Gewicht des unmittelbaren Besitzes heraus. Er setzt sich dabei nicht mit den insofern vertretenen strengen Auffassungen auseinander, nach denen eine "sofortige Besitzkehr" z.B. "bei noch warmer Motorhaube" des unbefugt Parkenden gefordert wird und daraus ein rechtmäßiges Abschleppen binnen 30 Minuten verlangt wird.[20] Der BGH stellt fest, dass das Selbsthilferecht "dann unzulässig ist, wenn es der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger schwer wiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären; es gilt das Gebot der schonendsten Sanktion."[21] Grenzen des Rechts zur Besitzkehr sind damit der Treu und Glauben und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit seiner Mittel-Zweck-Relation.

 

Rz. 10

Geht man davon aus, dass die Einhaltung einer strengen zeitlichen Verknüpfung für den Berechtigten meist bereits deshalb schon nicht möglich ist, weil er sie nicht kennt, ließe diese Auffassung das Recht zur Besitzkehr zumeist leer laufen. Deshalb ist es auch zutreffend, die Ausübung der Besitzkehr noch am folgenden Tag zuzulassen.[22]

 

Rz. 11

Für den BGH[23] umfasst das Selbsthilferecht zur Beseitigung der Besitzbeeinträchtigung auch, dass ein unbefugt auf einem fremden Grundstück abgestelltes Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung entfernt werden darf. Andernfalls müsste, so der BGH, der Besitzer die verbotene Eigenmacht all derer dulden, die nur eine kleine, räumlich abgegrenzte Grundstücksfläche unbefugt nutzen, ohne dass dadurch die Nutzungsmöglichkeit der übrigen Fläche eingeschränkt wird. Von seinem Selbsthilferecht dürfte der Besitzer dann nur gegenüber demjenigen Gebrauch machen, der sein Fahrzeug ohne Berechtigung auf dem letzten freien Platz abstellt. Dies wiederum würde dann aber der rechtlichen Bedeutung des unmittelbaren Besitzes nicht gerecht.

 

Rz. 12

Wird auf einem mit eindeutigen Hinweisschildern mit Abschleppandrohung versehenen Supermarktparkplatz geparkt, ohne dass im Markt eingekauft wird, so liegt darin eine Besitzentziehung nach § 858 BGB und es darf abgeschleppt werden.[24] Die Verwendung von Parkkrallen auf Kundenparkplätzen ist – (u.U. als Nötigung) strafrechtlich nicht unproblematisch[25] – zivilrechtlich als verbotene Eigenmacht zu bewerten.

 

Rz. 13

Privates Abschleppen eines fremden, verkehrsbehindernd abgestellten Kfz ist aber rechtswidrig, wenn eine Möglichkeit besteht, den Besitzer des verkehrsbehindernd abgestellten Fahrzeugs kurzfristig zu verständigen. "Erzieherische" Gesichtspunkte können das private Abschleppen eines fremden Fahrzeugs grundsätzlich jedenfalls nicht rechtfertigen.[26]

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