Leitsatz (amtlich)

a) Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes ist eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

b) Hat ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug einer anderen Person überlassen, kann er als Zustandsstörer unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt.

c) Dem Parkplatzbetreiber steht gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zu (insoweit Aufgabe von BGH, Urt. v. 21.9.2012 - V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rz. 13).

 

Normenkette

BGB § 858 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 10.06.2014; Aktenzeichen 2 S 304/13)

AG Regensburg (Urteil vom 11.11.2013; Aktenzeichen 10 C 2620/13)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Urteil des LG Regensburg - 2. Zivilkammer - vom 10.6.2014 aufgehoben und das Urteil des AG Regensburg vom 11.11.2013 teilweise geändert.

Der Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 600 EUR verurteilt, es zu unterlassen, den Pkw schwarz, amtliches Kennzeichen, unberechtigt auf dem Parkgelände der Klägerin in der B. (Parkhaus OG) in R. selbst abzustellen bzw. durch dritte Personen dort abstellen zu lassen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin betreibt einen privaten Parkplatz im Obergeschoss eines Gebäudes. Eine Beschilderung weist die Nutzer auf die Vertrags- und Einstellbedingungen der Klägerin hin. Danach ist der Nutzer mit der Einfahrt in die Parkeinrichtung zur Zahlung des Mietpreises und dazu verpflichtet, den Parkschein sichtbar und lesbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen. Bei Nichtlösen und Nichtauslegen des Parkscheins sowie bei Überschreiten der bezahlten Parkzeit um mehr als 15 Minuten ist ein "Nutzungsentgelt" von 20 EUR (nachfolgend: erhöhtes Nutzungsentgelt) sofort zur Zahlung fällig.

Rz. 2

Der Beklagte ist Halter eines Pkw. Am 19.10.2012 war das Fahrzeug gegen 10.30 Uhr auf dem genannten Parkplatz der Klägerin abgestellt, ohne dass ein gültiger Parkschein auslag. Bei einer Kontrolle wurde dies festgestellt und am Fahrzeug ein Hinweis angebracht mit der Aufforderung zur Zahlung von 20 EUR. Eine Zahlung erfolgte nicht. Nach Ermittlung des Beklagten als Halter forderte die Klägerin ihn vergeblich zur Zahlung oder Benennung des Fahrers auf. Die Klägerin begehrte sodann erfolglos die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung.

Rz. 3

Mit der Klage verlangt sie von dem Beklagten, es unter Meidung eines Ordnungsgeldes von 600 EUR zu unterlassen, seinen Pkw unberechtigt auf dem Parkgelände selbst abzustellen bzw. durch eine dritte Person dort abstellen zu lassen, sowie die Erstattung der Kosten der Halterermittlung i.H.v. 5,65 EUR.

Rz. 4

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht verneint einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es sei schon fraglich, ob die Grundsätze zu der Zustandsstöreigenschaft des Halters einschlägig seien, da zwischen der Klägerin und dem Fahrer des Fahrzeugs ein Vertrag zustande gekommen sei. Die Klägerin wolle lediglich sicherstellen, dass das Fahrzeug künftig vertragsgemäß geparkt werde. Ob der Beklagte Zustandsstörer sei, könne jedoch dahinstehen, weil jedenfalls mangels Wiederholungsgefahr kein Unterlassungsanspruch bestehe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Parkverstoß als gering einzustufen sei. Erst ab einem zweiten Verstoß nach einer Abmahnung des Fahrzeughalters bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr.

II.

Rz. 6

Diese Ausführungen halten im Wesentlichen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 7

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem Beklagten die beantragte Unterlassung gem. § 862 BGB verlangen.

Rz. 8

a) Zu Recht hält das Berufungsgericht die Unterlassungsklage allerdings für zulässig. Der Unterlassungsantrag ist insb. hinreichend bestimmt.

Rz. 9

aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten wird, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2010 - I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rz. 1; BGH, Urteil vom 24.2.1978 - V ZR 95/75, NJW 1978, 1584). Hiervon kann allerdings nur ausgegangen werden, wenn der Klageantrag auch nach Auslegung nicht hinreichend bestimmt ist. Denn maßgeblich für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens sind nicht allein der Wortlaut des Antrags, sondern auch die bei der Auslegung mit zu berücksichtigende Klagebegründung (BGH, Urt. v. 13.9.2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rz. 27). Die Auslegung hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 8.5.2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rz. 24; BGH, Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rz. 15, jeweils m.w.N.).

Rz. 10

bb) Die Auslegung des Klageantrags, die der Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 298/13, a.a.O.), ergibt, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin auf ein Abstellen des Fahrzeugs des Beklagten auf dem Parkplatz gerichtet ist, das geeignet ist, nach den Vertrags- und Einstellbedingungen der Klägerin einen Anspruch auf das erhöhte Nutzungsentgelt zu begründen (Nichtlösen eines Parkscheins; Nichtauslegen des Parkscheins; Überschreiten der bezahlten Parkzeit um mehr als 15 Minuten). Denn aus einem solchen, das erhöhte Nutzungsentgelt auslösenden Verhalten leitet die Klägerin die Besitzstörung her, und mangels abweichender Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass sie Besitzschutzansprüche wegen solcher Handlungen geltend machen will, die mit der konkreten Besitzstörung vergleichbar sind.

Rz. 11

b) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht aber die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Rz. 12

aa) Das Abstellen des Fahrzeugs des Beklagten auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz der Klägerin ohne Auslegung des Parkscheins stellt eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB dar.

Rz. 13

(1) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass derjenige, der sein Fahrzeug unbefugt auf ein Privatgrundstück abstellt, verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 Abs. 1 BGB begeht (BGH vom 4.7.2014 - V ZR 229/13, NJW 2014, 3727 Rz. 13; Urt. v. 21.9.2012 - V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rz. 5; Urt. v. 6.7.2012 - V ZR 268/11, NJW 2012, 3373 Rz. 6; Urt. v. 2.12.2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rz. 6; Urt. v. 5.6.2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rz. 13). Das gilt nicht nur dann, wenn das Parken überhaupt nicht erlaubt ist, sondern auch dann, wenn das Parken an bestimmte Bedingungen geknüpft ist (Parken auf einem Kundenparkplatz: BGH, Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 229/13, NJW 3727; Urt. v. 5.6.2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233).

Rz. 14

(2) So ist es hier. Der Fahrzeugführer war nicht befugt, das Fahrzeug des Beklagten auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz der Klägerin ohne Entrichtung des vereinbarten Entgelts und ohne Auslegen des Parkscheins abzustellen.

Rz. 15

(a) Dem steht nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und dem Fahrzeugführer ein Mietvertrag über einen Fahrzeugabstellplatz zustande gekommen ist, nämlich dadurch, dass dieser das als Realofferte in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot der Klägerin durch das Abstellen des Fahrzeugs angenommen hat (§§ 145, 151 BGB). Damit bestand zum Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeugs ein Mietvertrag, ohne dass es hierzu weiterer Willenserklärungen bedurfte.

Rz. 16

(b) Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt allerdings darin zuzustimmen, dass innerhalb eines Vertragsverhältnisses nicht jedes vertragswidrige Verhalten gegenüber dem anderen Vertragspartner eine verbotene Eigenmacht darstellt. Es gelten vielmehr in aller Regel vorrangig die vertraglichen Ansprüche. So verhält sich der Mieter, der den vereinbarten Mietzins nicht zahlt, zwar vertragswidrig; er begeht aber keine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB. Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung des BGH, dass dem Vermieter gegen den Mieter, der die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, keine Besitzschutzansprüche aus § 859 Abs. 1 BGB zustehen (vgl. Urt. v. 14.7.2010 - VIII ZR 45/09, NJW 2010, 3434 Rz. 10; Urt. v. 6.7.1977 - VIII ZR 277/75, NJW 1977, 1818, Rz. 24; Urt. v. 1.10.2003 - VIII ZR 326/02, NJW-RR 2004, 493 Rz. 8; vgl. auch Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rz. XIII 25). Bei einem klassischen Mietverhältnis ist die Besitzeinräumung durch den Vermieter unbedingt geschuldet. Sie kann nicht unter den Vorbehalt vertragsgemäßen Verhaltens des Mieters gestellt werden.

Rz. 17

(c) Bei einem Vertrag über die kurzzeitige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes gilt dies jedoch nicht in gleicher Weise. Eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber ist nicht geschuldet. Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

Rz. 18

(aa) Bei dem Parken auf einem Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft. Der Betreiber bietet den Parkplatz keinem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit für ein kurzzeitiges Parken an. Der Vertrag kommt in der Weise zustande, dass ein Fahrzeugführer das Fahrzeug abstellt und damit das Angebot annimmt (§ 151 Satz 1 BGB). Indem der Parkplatzbetreiber das Parken zulässt, erfüllt er die ihm obliegende vertragliche Hauptpflicht zur Besitzverschaffung (§ 535 Satz 1 BGB) und erteilt gleichzeitig die Zustimmung zur (dinglichen) Besitzausübung (§ 854 Abs. 1 BGB). Nur auf diese Weise ist die Abwicklung des Mietvertrags über einen Parkplatz einfach und praktikabel zu handhaben. Deshalb ist auf Seiten des Parkplatzbetreibers ein gewichtiges Interesse gegeben, bereits bei der Besitzübergabe die Zustimmung zur Besitzausübung von der Zahlung eines Mietpreises abhängig zu machen. Das ist für den Nutzer klar erkennbar. Ähnlich wie bei einem nachträglichen Eigentumsvorbehalt ist die Erklärung eines Vorbehalts bei der dinglichen Besitzübergabe zulässig (zum nachträglichen Eigentumsvorbehalt vgl. BGH, Urt. v. 9.7.1975 - VIII ZR 89/74, BGHZ 64, 395, 397; Urt. v. 13.9.2006 - VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488 Rz. 11). Ob es sich dabei um eine Bedingung handelt, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte (§§ 158 ff. BGB) analog anzuwenden sind (Staudinger/Gutzeit, BGB [2012], § 858 Rz. 20) oder um eine bloße tatsächliche Voraussetzung, von der die Zustimmung abhängig gemacht wird (so Joost in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 858 Rz. 7), ist für die rechtliche Beurteilung ohne Belang.

Rz. 19

(bb) Von einem solchen Vorbehalt bei der Übergabe des Besitzes an dem Parkplatz ist hier auszugehen. Die Klägerin hat keine generelle Zustimmung dazu erteilt, dass Fahrzeuge geparkt werden. Sie hat die Besitzüberlassung in ihren Vertrags- und Einstellbedingungen von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig gemacht. Nutzt der Fahrzeugführer den Parkplatz, ohne sich an diese Vertrags- und Einstellbedingungen zu halten, fehlt die Zustimmung der Klägerin, und die Besitzausübung stellt sich als verbotene Eigenmacht dar (§ 858 Abs. 1 BGB).

Rz. 20

bb) Der Beklagte ist gegenüber der Klägerin als Zustandsstörer verantwortlich.

Rz. 21

(1) Zustandsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat. Darüber hinaus muss ihm die Beeinträchtigung zurechenbar sein. Hierzu genügt es nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (st.Rspr. des BGH, Urt. v. 21.9.2012 - V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rz. 7; Urt. v. 1.12.2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432 Rz. 14; Urt. v. 30.5.2003 - V ZR 37/02, BGHZ 155, 99, 105; Urt. v. 11.6.1999 - V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 69 f., jeweils m.w.N.).

Rz. 22

(2) Danach war der Beklagte hinsichtlich der durch das parkende Fahrzeug hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes der Klägerin Zustandsstörer. Er beherrscht die Quelle der Störung, da er allein darüber bestimmen kann, wie und von wem sein Fahrzeug genutzt wird. Ihm war die Beeinträchtigung auch zuzurechnen. Da er nichts Gegenteiliges vorgetragen hat, ist davon auszugehen, dass er sein Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat. Es ist somit sachgerecht, ihm als Halter die Störung zuzurechnen, die dadurch entsteht, dass das Fahrzeug von dieser Person unberechtigt abgestellt wird (vgl. Lorenz, NJW 2009, 1025, 1026; Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550, 2551; a.A. Woitkewitsch, MDR 2005, 1023, 1026). Daran ändert es nichts, dass das Ausleihen von Fahrzeugen insb. an nahe Familienangehörige sozialadäquat ist.

Rz. 23

(3) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Zurechnung des Fehlverhaltens des Fahrers nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Parkplatz nicht mit einem Schrankensystem ausgestattet hat. Soweit der Beklagte damit den Vorwurf erheben möchte, die Klägerin habe ihr Geschäftsmodell auf "Schwarzparker" ausgerichtet, um auf der Grundlage ihrer Vertrags- und Einstellbedingungen Forderungen gegen Fahrzeugführer und -halter geltend zu machen, kann er sich damit der Halterhaftung für die Überlassung des Fahrzeugs an einen nicht rechtstreuen Nutzer nicht entziehen.

Rz. 24

cc) Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die tatrichterliche Würdigung, ob Wiederholungsgefahr besteht, ist im Revisionsverfahren zwar nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (BGH, Urt. v. 14.10.1994 - V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 134). Solche liegen aber vor.

Rz. 25

(1) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass schon das einmalige unbefugte Abstellen des Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück die tatsächliche Vermutung dafür begründet, dass sich die Beeinträchtigung wiederholt (BGH, Urt. v. 21.9.2012 - V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rz. 12; vgl. auch Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 46/10, ZUM 2011, 333 Rz. 28; Urt. v. 12.12.2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, Rz. 9).

Rz. 26

(2) Der Beklagte kann als Halter auf künftige Unterlassung des Falschparkens sowohl durch Dritte als auch durch ihn selbst in Anspruch genommen werden.

Rz. 27

Die Zurechnung der Besitzstörung durch einen mit dem Halter personenverschiedenen Fahrer beruht darauf, dass diese mittelbar auf den Willen des Halters zurückgeht, indem er das Fahrzeug freiwillig Dritten zur Benutzung überlassen hat. Daran ist bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr anzuknüpfen. Für den Halter selbst, der als bloßer Zustandsstörer in Anspruch genommen wird, ist zwar eine Wiederholungsgefahr nicht indiziert. Er kann aber unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er - wie hier - auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt. Dieses Verhalten macht bei wertender Betrachtung künftige Besitzstörungen wahrscheinlich. Das ist für einen Unterlassungsanspruch nach allgemeiner Ansicht ausreichend (vorbeugender Unterlassungsanspruch; Erman/Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 862 Rz. 6; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 862 Rz. 9; Staudinger/Gutzeit, BGB [2012], § 862 Rz. 7; zu § 1004 BGB: BGH, Urt. v. 17.9.2006 - V ZR 230/03, BGHZ 160, 232, 236 m.w.N.; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 1004 Rz. 214).

Rz. 28

(3) Die (Wieder-)Begehungsgefahr kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung verneint werden, der Parkverstoß sei "als gering einzustufen". Im Gegenteil ist, der Argumentation des Beklagten folgend, gerade ein geringfügiger Parkverstoß nicht unüblich, was für und nicht gegen eine Wiederholungsgefahr spricht.

Rz. 29

2. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO. Dem Vollstreckungsgläubiger ist die Möglichkeit unbenommen, die Androhung eines den gesetzlichen Rahmen des § 890 Abs. 1 ZPO unterschreitenden Ordnungsmittels zu beantragen, wenn sowohl die Art der für den Fall der Zuwiderhandlung vorgesehenen Rechtsfolge als auch die von dem Gläubiger beantragte niedrigere Höchstgrenze konkret bezeichnet ist (BGH, Urt. v. 6.6.1995 - I ZR 58/93, NJW 1995, 3177, 3181; Gruber in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 890 Rz. 27). Das ist hier der Fall. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass es sich bei dem beantragten Ordnungsgeld von 600 EUR um die Obergrenze eines Ordnungsgeldes handeln soll.

Rz. 30

3. Unbegründet ist die Revision, soweit die Klägerin von dem Beklagten die Erstattung der Kosten von 5,65 EUR für die Halterermittlung verlangt. Es handelt sich dabei um Kosten für eine Maßnahme, die nicht der Beseitigung der konkreten Besitzstörung, sondern der Vorbereitung der Unterlassungsaufforderung an den Beklagten diente. Dem Parkplatzbetreiber steht gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zu.

Rz. 31

a) Ein Ersatzanspruch ist nicht nach den Grundsätzen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag begründet (§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB). Allerdings hat der Senat (Urt. v. 21.9.2012 - V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 Rz. 13) die Aufwendungen zur Ermittlung des Fahrzeughalters in Anlehnung an die Rechtsprechung des I. Zivilsenats zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer berechtigten außergerichtlichen Abmahnung (Urt. v. 10.5.2012 - I ZR 70/11, GRUR 2012, 759 Rz. 9) als zur Vorbereitung der an den Zustandsstörer gerichteten Unterlassungsaufforderung erforderlich und nach §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB als ersatzfähig angesehen. Daran hält er jedoch nicht fest.

Rz. 32

aa) Es entspricht nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen eines Halters, als Adressat einer Unterlassungsaufforderung ermittelt zu werden. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von den Fällen der wettbewerblichen Abmahnung (BGH, Urt. v. 22.1.2009 - I ZR 139/07, GRUR 2009, 502 Rz. 11; Urt. v. 21.1.2010 - I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rz. 8; Urt. v. 18.11.2010 - I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rz. 16; Urt. v. 9.11.2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rz. 21). Diese liegt im Interesse des dem Abmahnenden bekannten potentiellen Rechtsverletzers, weil er dadurch Gelegenheit erhält, einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Demgegenüber ist den Fällen des unberechtigten Parkens die Person des Halters nicht bekannt. Es kann nicht angenommen werden, dass er ein Interesse daran hat, aus der Anonymität herauszutreten, um auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Anders kann es liegen, wenn sein unbefugt abgestelltes Fahrzeug abgeschleppt wird (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rz. 11).

Rz. 33

bb) Der entgegenstehende Wille des Beklagten ist auch nicht unbeachtlich, § 679 BGB. Das Erfüllen der Unterlassungspflicht liegt nicht im öffentlichen, sondern im alleinigen Interesse des Parkplatzbetreibers, wenn sich der Parkverstoß auf einem privaten Parkplatz ereignet, selbst wenn dieser für die Allgemeinheit eröffnet ist.

Rz. 34

b) Der Ersatzanspruch kann nicht auf §§ 677, 684 Satz 1, 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB gestützt werden. Der Beklagte hat durch die Halteranfrage nichts erlangt, was sein Vermögen vermehrt hätte.

Rz. 35

c) Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Zwar ist § 858 Abs. 1 BGB ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 5.6.2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rz. 15; BGH, Urt. v. 7.5.1991 - VI ZR 259/90, BGHZ 114, 305, 313; Urt. v. 21.1.1981 - VIII ZR 41/80, NJW 1981, 865, 866; BGH, Urt. v. 7.3.1956 - V ZR 106/54, BGHZ 20, 169, 171). Der Schadensersatzanspruch setzt aber ein Verschulden voraus, an dem es hier fehlt. Es ist nicht festgestellt oder aus den Umständen ersichtlich, dass es der Beklagte war, der das Fahrzeug verbotswidrig abgestellt hat, oder dass die verbotene Eigenmacht durch den Fahrzeugführer für ihn konkret vorhersehbar war.

Rz. 36

d) Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs scheidet aus (§ 280 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. § 286 BGB). Der Beklagte befindet sich nicht in Verzug. Es fehlt an einer verzugsbegründenden Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB). Diese war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 ZPO entbehrlich (zum Schuldnerverzug des Kunden beim Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle vgl. BGH, Urteil vom 4.5.2011 - VIII ZR 171/10, NJW 2011, 2871 Rz. 12 u. 18 ff.). Die Klägerin macht lediglich einen Anspruch auf Unterlassung einer künftigen Störung geltend. Es ist weder festgestellt, dass der Beklagte das Fahrzeug unberechtigt abgestellt hat, noch dient die Halterabfrage der Beseitigung der Störung.

III.

Rz. 37

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9034449

NJW 2016, 863

JurBüro 2016, 329

NZM 2016, 384

NZM 2016, 6

WM 2016, 1094

ZAP 2016, 511

ZMR 2016, 2

ZMR 2016, 765

ZfIR 2016, 153

DAR 2016, 200

DAR 2016, 304

JuS 2016, 1128

MDR 2016, 267

NZV 2016, 172

VRS 2016, 3

VersR 2016, 871

RÜ 2016, 218

SVR 2016, 4

VRR 2016, 6

FMP 2016, 43

GreifRecht 2016, 5

IWR 2016, 47

JM 2016, 361

LL 2016, 221

LL 2016, 295

LL 2016, 379

Verkehrsjurist 2016, 4

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