Rz. 260

Gehen Briefwahlunterlagen ein, hat der Wahlvorstand Folgendes zu veranlassen:

Er vermerkt auf dem – äußeren, größeren – Freiumschlag handschriftlich durch das Wahlvorstandsmitglied oder den Wahlhelfer (Sekretärin des Wahlvorstandes), der den Umschlag entgegennimmt oder das Postfach oder den Briefkasten des Wahlvorstands entleert hat, wann der Umschlag eingegangen ist (Datum und Uhrzeit),
er fertigt einen Eingangsvermerk im Original der Wählerliste (durch den Wahlvorstandsvorsitzenden oder ein beauftragtes Wahlvorstandsmitglied),
er vermerkt, wenn festgestellt wird, dass der Umschlag offen oder beschädigt ist; dieser Vermerk wird mit Büroklammer dem Umschlag beigefügt; eine Kopie des Vermerks wird der Wählerliste beigefügt (zu den Unterlagen des Wahlvorstands genommen),
keinesfalls werden die Umschläge geöffnet oder zurückgegeben,
die Umschläge müssen an einem sicheren Ort aufbewahrt werden (Tresor; verschließbarer Schrank im Wahlvorstandsbüro, zu dem nur der Wahlvorstand den Schlüssel hat, o.Ä.).
 

Rz. 261

 

Hinweis

Es muss gewährleistet sein, dass die Freiumschläge schon ab Eingang in der Poststelle des Betriebes so aufbewahrt werden, dass keinerlei Missbrauchsmöglichkeiten bestehen. Ist es möglich – auch schon bis zum Zeitpunkt der Abstempelung im Betrieb des Arbeitgebers –, den Freiumschlag, den Stimmzettel und den Wahlumschlag auszutauschen und die neuen, möglicherweise veränderten Unterlagen zusammen mit der ausgefüllten Erklärung über die persönliche Stimmabgabe beim Wahlvorstand einzureichen, so reicht diese Möglichkeit der Manipulation für die Annahme eines Wahlverstoßes aus, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen eine bestimmte Person festgestellt werden muss (LAG Hamm v. 1.6.2007 – 13 TaBV 87/06, juris). Der Wahlvorstand genügt seinen Verpflichtungen nicht, wenn er die Freiumschläge in offenen Boxen im abschließbaren Wahlvorstandsbüro oder in einem für jedermann zugänglichen Briefkorb sammelt, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass Wahlvorstandsmitglieder oder Besucher solche Freiumschläge austauschen könnten (LAG Hessen v. 29.6.2020 – 16 TaBV 150/19, juris; LAG Hessen v. 15.6.2020 – 16 TaBV 116/19, juris). Anderes gilt, wenn die Freiumschläge in der Poststelle oder der Pforte vorübergehend im Auftrag des Wahlvorstands in einer Box aufbewahrt und mindestens täglich abgeholt werden, wenn gewährleistet ist, dass die Poststelle ständig besetzt ist und Unbefugte nicht an diese Box gelangen können (LAG Nürnberg v. 7.3.2022 – 1 TaBV 23/21, juris).

Wenn der Mitarbeiter den Freiumschlag nicht persönlich beim Wahlvorstand einreicht, ist er verpflichtet, ihn per Post an die Betriebsadresse des Wahlvorstandes zu versenden. Freiumschläge, die – und sei es versehentlich – durch den Mitarbeiter der Poststelle des Arbeitgebers oder auch durch die Sekretärin des Wahlvorstandes geöffnet werden, können wegen der Gefahr der Verletzung des Wahlgeheimnisses nicht als gültig behandelt werden, selbst wenn der kleinere Wahlumschlag mit dem darin enthaltenen Stimmzettel noch zugeklebt ist – dieser Wahlumschlag könnte ja ausgetauscht worden sein.

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