Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung. Betriebsratswahl. Briefwahl. Freiumschlag. Stimmzettel

 

Leitsatz (redaktionell)

Die zwingend vorgegebene Verwendung eines vom Wahlvorstand zur Verfügung zu stellenden und mit bestimmten Aufdrucken zu versehenden und damit individualisierten Freiumschlags, den der Wähler vor der Übergabe oder Versendung zu verschließen hat (§ 25 S. 1 Nr. 3 WO), sorgt für die erforderliche Zuverlässigkeit bei der Übermittlung des schriftlichen Wählervotums.

 

Normenkette

BetrVG §§ 14, 19; WO §§ 11, 23-25

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 16.08.2006; Aktenzeichen 3 BV 65/06)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 7 ABN 75/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 1) – 7) und der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.08.2006 – 3 (5) BV 65/06 – abgeändert.

Die Betriebsratswahl vom 24.05.2006 wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der am 24.05.2006 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Arbeitgeberin, die einen großen in der Fläche verteilten Wohnungsbestand verwaltet, beschäftigt insgesamt 80 Mitarbeiter. Hiervon entfallen 40 auf die Verwaltung in B1, 10 auf hauptamtliche Hausmeister und 30 auf sogenannte nebenamtliche/nebenberufliche Hauswarte/Hausmeister. Letztgenannter Gruppe war bei der Wahl im Jahr 2002 kein Wahlrecht eingeräumt worden.

Anlässlich der durchzuführenden Neuwahl bestellte der Betriebsrat einen fünfköpfigen Wahlvorstand, bestehend aus drei Betriebsratsmitgliedern, die bei der jetzigen Wahl auf der Liste 1 kandidierten (N2, P5 und W3), sowie zwei weiteren Arbeitnehmern, nämlich der Beschäftigten N3 von der Liste 2 und dem Arbeitnehmer J1. Zum Vorsitzenden des Wahlvorstandes wurde Herr N2 berufen.

Am 17.03.2006 hängte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben (Bl. 95 f. d. A.) aus. Unter Ziffer 11 heißt es:

Wer am Wahltag verhindert ist, kann seine Stimme auch per Briefwahl abgeben. Die Briefwahlunterlagen können bei allen Wahlvorstandsmitgliedern angefordert werden.

Im Zusammenhang mit der Briefwahl kam dem Wahlvorstandsvorsitzenden N2 unter anderem die Aufgabe zu, auf seinem PC die für die schriftliche Stimmabgabe erforderlichen Wahlunterlagen zu erstellen; in seinem Besitz befanden sich auch die Frei- und Wahlumschläge.

Am 03.04.2006 fand eine Sitzung des Wahlvorstandes statt. Es wurde festgestellt, dass in der Reihenfolge des Eingangs beim Wahlvorstand die Vorschlagslisten „N2”, „E3” und „B7” eingegangen waren. Dementsprechend wurde zunächst auch eine laufende Nummerierung der drei Listen vorgenommen. Nach rechtlicher Beratung wurden sodann die Ordnungsnummern durch Los ermittelt, wobei nicht alle Listenvertreter anwesend waren; die Liste „N2” erhielt die Nr. 1, die Liste „E3” die Nr. 2 und die Liste „B7” die Nr. 3.

Bei der anschließenden Wahl haben von den insgesamt 80 Wahlberechtigten 48 per Briefwahl gewählt. In dem Zusammenhang suchte der Wahlvorstandsvorsitzende N2 unter anderem am 10. und 11.04.2006 zumindest 11 Wahlberechtigte in ihren Wohnorten in B8 S7, L2, B1, L3 und D1 auf, um ihnen die Briefwahlunterlagen zu bringen und diese nach erfolgter Ausfüllung sofort wieder mitzunehmen. Im Betrieb wurde auf die Freiumschläge ein Eingangsstempel mit Datumsangabe gesetzt.

Am 12.04.2006 wandte sich dann Herr N2 an das Wahlvorstandsmitglied J1 mit der Bitte, gemeinsam die Freiumschläge dergestalt zu „versiegeln”, dass die auf der Rückseite zugeklebte Lasche mit Tesafilm überklebt und anschließend auf dem Tesastreifen zwei Namenskürzel gesetzt werden sollten. Nach Weigerung des Zeugen J1 unter Verweis darauf, er könne nicht beurteilen, ob es zwischenzeitlich zum Austausch von Umschlägen gekommen sei, nahm der Wahlvorstandsvorsitzende N2 die „Versiegelung” mit dem Wahlvorstandsmitglied W3 vor.

Per Briefwahl wählten auch insgesamt sechs in der Verwaltung in B1 tätige Mitarbeiter sowie die drei Wahlvorstandsmitglieder N2, W3 und P5.

Am Wahltag wurde als Wahlurne ein Pappkarton verwendet, der mit Paketklebeband „gesichert” war.

Bei der Stimmauszählung stellte sich dann heraus, dass zwei Wähler ein vom Wahlvorstand zur Verfügung gestelltes Merkblatt zur persönlichen Stimmabgabe gemeinsam mit dem Stimmzettel in den Wahlumschlag gesteckt hatten. Die beiden Stimmen wurden deshalb als ungültig behandelt.

Ausweislich des noch am Wahltag ausgehängten Wahlergebnisses entfielen bei 77 als gültig anerkannten Stimmen 42 Stimmen auf die Liste 1, 16 auf die Liste 2 und 19 auf die Liste 3. Dementsprechend erhielten die Liste 1 im Betriebsrat drei Betriebsratssitze und die Listen 2 und 3 jeweils einen Betriebsratssitz.

Mit einem beim Arbeitsgericht am 07.06.2006 eingegangenen Antrag machten sieben Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend.

Sie haben die Auffassung vertreten, es sei in mehrfacher Hinsicht gegen wesentliche Vorschriften über das einzuhaltende Wahlverfahren verstoßen worden.

So sei der Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß durch den Betriebsrat bestellt worden...

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