Rz. 118

Dann, wenn weder ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat besteht oder wenn Gesamt- oder Konzernbetriebsrat die Bestellung unterlassen haben, erfolgt die Bestellung in einem bisher betriebsratslosen Betrieb durch eine Betriebsversammlung der Arbeitnehmer. Nur dann, wenn diese Betriebsversammlung trotz Einladung nicht stattfindet – etwa weil der Arbeitgeber die Teilnahme verboten, bei Abhaltung Kündigungen angedroht oder das Einladungsschreiben sofort entfernt hat – oder wenn auf dieser Betriebsversammlung aus welchen Gründen auch immer keine Einsetzung des Wahlvorstandes zustande kommt, kann in diesem Fall die Einsetzung durch das ArbG beantragt werden (§ 17 Abs. 4 BetrVG). Zu weitgehend erscheint es allerdings (so aber BAG v. 26.2.1992 – 7 ABR 39/91, juris), wenn von den Einladenden bei Weigerung der Verleihfirma, Namen und Adressen der auswärtig tätigen Leiharbeitnehmer mitzuteilen oder die Einladung mit der Lohnabrechnung zu versenden, verlangt wird, diese Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers erst gerichtlich zu erzwingen mit der Folge, dass die sofortige Anrufung des ArbG zur gerichtlichen Einsetzung unzulässig sei. Das Gesetz stellt mit der gerichtlichen Bestellung ein einfaches Verfahren zur Verfügung, um lange Streitigkeiten über die Bestellung zu vermeiden.

 

Rz. 119

Fraglich ist, wann ein Unterlassen der Bestellung durch den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat anzunehmen ist. Man wird verlangen können, dass wenigstens ein wahlberechtigter Arbeitnehmer die Bestellung durch den Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat beantragt hat und dass Gesamt- oder Konzernbetriebsrat die Bestellung nicht spätestens auf der übernächsten Sitzung vorgenommen haben (a.A. jederzeitige Möglichkeit, weil Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat von sich aus immer bestellen müssten, GK/Kreutz, § 17 Rn 8 und 18; Fitting, § 17 BetrVG Rn 9, 12 ff.; wie hier Richardi/Thüsing, § 17 Rn 8 f.; vgl. auch BAG v. 23.11.2016 – 7 ABR 13/15, juris).

 

Rz. 120

Zur Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen (die Gewerkschaft muss nicht tarifzuständig für den Betrieb sein, s.o. Rdn 115; unerheblich soll sein, ob das Gewerkschaftsmitglied, auf das sich das Vertretensein stützt, wahlberechtigt ist, LAG Hessen, 15.5.2014 – 9 TaBV 194/13, juris). Streitig ist, ob auch der Arbeitgeber zu einer solchen Betriebsversammlung einladen kann; da dies einen Eingriff in Arbeitnehmerrechte bedeuten würde, ist dies abzulehnen (Fitting, § 17 Rn 22 m.w.N.; a.A. mit weiteren Einzelheiten GK/Kreutz, § 17 Rn 27).

 

Rz. 121

Die Einladung muss Zeitpunkt, Ort und Gegenstand der Betriebsversammlung ("Wahl eines Wahlvorstandes zur Betriebsratswahl") benennen. Aushang an den geeigneten betriebsüblichen Stellen ist ausreichend, Handzettel nur, wenn sichergestellt ist, dass alle Arbeitnehmer erreicht werden, E-Mails nur, wenn alle Arbeitnehmer E-Mail-Anschluss haben. Die Einladenden müssen gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG rechtzeitig eingeladen werden (BAG v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, juris, unter II.1.a. der Gründe; das BAG spricht teilweise ungenau von "Wahlberechtigten"; nach dem klaren Gesetzeswortlaut sind jedoch alle Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG – vgl. § 5 BetrVG: nicht aber leitende Angestellte – teilnahme- und abstimmungsberechtigt; für weniger strenge Anforderungen etwa Fitting, § 17 BetrVG Rn 17 ff.). Rechtzeitigkeit ist i.d.R. gegeben, wenn es sich um einen einheitlichen Betrieb auf einem Betriebsgelände handelt und wenn zwischen Aushang und Durchführung drei Arbeitstage liegen (LAG Rheinland-Pfalz v. 26.9.2019 – 5 TaBV 29/18, juris; LAG Baden-Württemberg v. 20.2.2009 – 5 TaBVGa 1/09, juris: Aushang 30.12. und Betriebsversammlung 2.1. ist unzureichend; sehr weitgehend LAG Hamm v. 13.4.2012 – 10 TaBV 109/11, juris: sechs Tage sind, zumal bei Vorverlegung des ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkts, unzureichend; ArbG Hamburg v. 7.1.2015 – 27 BVGa 5/14, juris: eine Woche ist nur ausreichend, wenn alle Arbeitnehmer in benachbarten Gebäuden arbeiten).

 

Rz. 122

Die Annahme, die Wahl des Wahlvorstandes sei nichtig, wenn schon im Vorfeld erkennbar sei, dass ein wesentlicher Teil der Wahlberechtigten betriebsbedingt nicht an der Betriebsversammlung teilnehmen könne, dürfte zu weit gehen (so aber LAG Sachsen-Anhalt, 29.6.2011 – 5 TaBVGa 1/11, juris). Die Einsetzung soll nicht an zu strengen Formalien scheitern. Aus diesem Grund ist die Bestellung nicht schon dann nichtig, wenn Unbekannte die Aushänge mit den Einladungen zur Betriebsversammlung entfernt haben – mutmaßlich um die Betriebsratswahl zu verhindern (so mit Recht LAG Düsseldorf v. 12.10.2018 – 6 TaBVGa 7/18, juris). Problematisch ist es, die Betriebsversammlung an einem Ort außerhalb des Betriebs stattfinden zu lassen. Aber jedenfalls dann, wenn dies aus nachvollziehbaren Gründen (kein ausreichender Raum im Betrieb nutzbar) und nicht in der Absicht erfolgt, den Mitarbeitern die Teilnahme zu erschweren, wird man nur von Anfechtbarkeit, ni...

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