Rz. 84

Die Betriebsratsgröße bestimmt sich nach der Belegschaftsstärke. Dabei kommt es nach der Staffel des § 9 BetrVG in kleineren Betrieben auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer an, in größeren Betrieben auf die Zahl der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihre Wahlberechtigung. Bei Betrieben zwischen 51 und 100 Arbeitnehmern müssen mindestens 51 Arbeitnehmer wahlberechtigt sein. Der Unterschied zwischen "wahlberechtigt" und "nicht wahlberechtigt" besteht – leitende Angestellte gelten nach § 5 Abs. 3 BetrVG nicht als Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG – praktisch nur in den unter 16-jährigen Arbeitnehmern (vgl. § 7 S. 1 BetrVG) und ggf. bei nicht über drei Monate beschäftigten Leiharbeitnehmern. Werden allerdings Arbeitsplätze regelmäßig länger als sechs Monate im Jahr mit Leiharbeitnehmern besetzt, die jeder für sich weniger als drei Monate tätig sind, dürften sie für die Betriebsratsgröße mitzuzählen sein.

 

Rz. 85

Die Zahl der i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer hat der Wahlvorstand festzustellen. Entscheidender Stichtag für die Feststellung ist der Tag des Erlasses des Wahlausschreibens, weil in diesem die Festlegung, wie viele Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, bereits endgültig getroffen sein muss (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 WO). Der Wahlvorstand muss den Regelbestand des Betriebes ermitteln, muss dabei die bisherige und aktuelle Betriebsgröße heranziehen und eine Prognose für die zukünftige Regelgröße erstellen. Zur Feststellung der bisherigen Größe ist eine rückblickende Betrachtung, für die ein Zeitraum von sechs Monaten bis zwei Jahren als angemessen zu erachten ist, erforderlich (BAG v. 18.1.2017 – 7 ABR 60/15, juris). Die Staffel ist verbindlich vorgeschrieben, Erhöhungen sind auch nicht durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen möglich (so wohl BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 17/07, juris; LAG Nürnberg v. 2.9.2022 – 8 TaBV 15/22, juris, und LAG Nürnberg v. 29.11.2022 – 1 TaBV 22/22, juris; Richardi/Thüsing, § 9 Rn 18; eher ablehnend auch Fitting, § 9 Rn 49a mit weiteren Nachweisen; a.A. GK/Jacobs, § 9 Rn 30; DKW/Homburg, § 9 Rn 5; DKW/Trümner, § 3 Rn 100 und Rn 113 mit umfangreichen Nachweisen bei Fn. 347).

 

Rz. 86

 

Hinweis

Es versteht sich von selbst, dass wegen dauerhaften Rückganges der Arbeitsmenge bereits ausgesprochene Kündigungen zu berücksichtigen sind, auch wenn die Kündigungsfrist noch läuft und die betroffenen Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben haben (LAG Hamm v. 23.2.2007 – 10 TaBV 104/06, juris). Zu berücksichtigen ist auch ein geplanter Personalabbau zumindest bei Bestehen eines Interessenausgleiches, sofern er sich alsbald – man wird auf einen Zeitraum innerhalb eines Jahres nach der Betriebsratswahl abstellen können – realisieren soll. Die künftige Entwicklung muss jedoch aufgrund konkreter Veränderungsentscheidungen bereits verbindlich feststehen (BAG v. 18.1.2017 – 7 ABR 60/15, juris). Bloße Erwartungen, Hoffnungen oder Befürchtungen ohne konkrete Entscheidungen müssen unberücksichtigt bleiben. Wenn ein Interessenausgleich schon beantragt, aber noch nicht abgeschlossen ist, wird es – z.B. wenn der Arbeitgeber seine Planungen konkret begründet hat – auf die Umstände des Einzelfalles ankommen, ob und inwieweit diese Planungen vom Wahlvorstand berücksichtigt werden müssen, sodass für eine geringere Betriebsgröße zu wählen ist. Letztlich bleibt in Grenzfällen ein Beurteilungsspielraum des Wahlvorstandes, sodass darauf abzustellen ist, ob er eine Entscheidung aus damaliger Sicht vernünftigerweise treffen durfte (instruktiv mit umfassender Auseinandersetzung für einzelne Personen LAG Berlin-Brandenburg v. 13.8.2015 – 5 TaBV 218/15, juris; ebenso LAG Hessen v. 24.2.2020 – 16 TaBV 20/19, juris).

 

Rz. 87

Für die Betriebsratsgröße nach § 9 BetrVG sind also zu zählen/nicht zu zählen:

Auszubildende zählen als ganz normale Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG);
Heimarbeiter zählen nur dann als Arbeitnehmer, wenn sie "in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten" (§ 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG);
eingetragene Geschäftsführer, mitarbeitende Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft und andere in § 5 Abs. 2 BetrVG aufgeführte Personen zählen nicht als Arbeitnehmer, sind also für die Betriebsratsgröße nie zu berücksichtigen (zu Rehabilitanden vgl. BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 6/04, juris);
leitende Angestellte (§ 5 Abs. 3 BetrVG) zählen nicht als Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG, sind daher selbstverständlich auch nicht mitzuzählen;
in Privatbetrieben tätige (zugewiesene) Arbeitnehmer und Beamte des öffentlichen Dienstes zählen nach § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG für die Betriebsratsgröße (BAG v. 15.12.2011 – 7 ABR 65/10, juris);
freie Mitarbeiter, die auf der Basis eines Dienst- oder Werkvertrages tätig werden und nicht weisungsgebunden sind, zählen nicht mit (BAG v. 29.5.1991 – 7 ABR 67/90, juris: Aushilfstaxifahrer);
Arbeitnehmer mit ruhendem Arbeitsverhältnis (Wehr-/Zivildienst, Elternzeit) zählen mit, natürlich nicht ihr Vertreter (auch nicht, wenn mehrere Teilzeitbeschäftigte eine Vollzeitstelle vertreten), falls ein sol...

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