Rz. 330

Es ist streitig, ob und inwieweit Entscheidungen des Wahlvorstandes während der laufenden Wahl angegriffen und gerichtlicherseits korrigiert werden können. Zumindest für den Abbruch der Wahl vertritt das BAG die Ansicht, dass ein solcher nur dann durch die ArbGe – regelmäßig im Verfahren einstweiliger Verfügung – verfügt werden kann, wenn das ArbG von der voraussichtlichen Nichtigkeit der in der Durchführung begriffenen Wahl überzeugt ist (BAG v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, juris). Das BAG begründet dies damit, dass – würde man die voraussichtlich sichere Anfechtbarkeit genügen lassen – verhindert würde, dass zumindest vorläufig ein Betriebsrat zustande komme, wie ihn das BetrVG vorsehe. Dies zeigten neben der Regelung des § 19 BetrVG mit der erst ex nunc wirkenden Anfechtungswirkung auch die Vorschriften der §§ 21a, 21b und 22 BetrVG, die eine möglichst vollständige Repräsentation durch Betriebsräte sicherstellen sollen (zum BAG ist der Fall – im Hauptsacheverfahren – gelangt, weil ArbG und LAG wegen gravierender Mängel bei der Bestellung des Wahlvorstandes den Abbruch der Wahl im Hauptsacheverfahren verfügt hatten). Dem sind die LAGs gefolgt (z.B. LAG Berlin-Brandenburg v. 14.12.2021 – 21 TaBVGa 1658/21; LAG Berlin-Brandenburg v. 23.11.2021 – 13 TaBVGa 1534/21; LAG Hessen v. 3.4.2014 – 9 TaBVGa 42/14; LAG Köln v. 8.4.2014 – 7 Ta 101/14; LAG Hamm v. 15.9.2014 – 13 Ta 434/14; LAG Rheinland-Pfalz v. 23.4.2015 – 2 TaBVGa 1/15; LAG Hamm v. 16.5.2014 – 7 TaBVGa 17/14; LAG Hamm v. 31.8.2016 – 7 TaBVGa 3/16, sämtlich zitiert nach juris).

 

Rz. 331

Nach a.A. (etwa LAG Berlin-Brandenburg v. 14.12.2021 – 21 TaBVGa 1658/21, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 19.3.2010 – 4 TaBVGa 5/10, juris; differenzierend Fitting, § 18 Rn 32 ff. mit umfangreichen Nachweisen) – kann ein korrigierender Eingriff ins Wahlverfahren erfolgen, wenn das ArbG vom Vorliegen von Fehlern überzeugt ist, die mit größter Wahrscheinlichkeit zu einer Anfechtbarkeit führen. Das Problem besteht allerdings darin, dass das Verfahren – insbesondere wenn es durch zwei Instanzen geht – zu lange dauert: Eine Abkürzung der Beschwerdefrist ist auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nicht vorgesehen, vorläufige Vollstreckbarkeit scheidet regelmäßig aus. Eine differenzierte Betrachtung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der im Wege einstweiliger Verfügung erfolgte Eingriff nicht die Gefahr birgt, dass eine betriebsratslose Zeit droht – etwa wenn die Betriebsratswahl außerhalb des Wahlzeitraums erfolgt und der bisherige Betriebsrat die Geschäfte auch noch etwas länger fortführen kann (vgl. § 22 BetrVG; LAG Nürnberg v. 30.3.2006 – 6 TaBV 19/06, juris).

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