Rz. 641

Hat der Arbeitgeber gegen Inhalt oder Thema des Seminars Bedenken oder hält er die Veranstaltung für nicht erforderlich, steht das betroffene Betriebsratsmitglied vor der Frage, ob es gegen den Willen des Arbeitgebers trotzdem an der Schulung teilnimmt. Dies kann mit einem erheblichen Arbeitsentgelt- und Kostenrisiko verbunden sein.

 

Rz. 642

Vielfach wird vertreten, dass das Teilnahmerecht nicht durch eine einstweilige Verfügung abgesichert werden könne (LAG Hamm v. 21.5.2008 – 10 TaBVGa 7/08, juris; LAG Düsseldorf v. 6.9.1995 – 12 TaBV 69/95, juris). Dem wird im Hinblick auf eine effektive Rechtsschutzgewährung nicht zu folgen sein (wie hier Fitting, § 37 Rn 252 mit umfangreichen Nachweisen). Das Risiko würde derart auf die Betriebsratsmitglieder verlagert werden, dass sie – gerade dann, wenn der Arbeitgeber kategorisch eine Teilnahme ablehnt – in unzumutbarer Weise an der Teilnahme an einer Schulung gehindert wären. Es spricht daher trotz der hiermit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache vieles dafür, den Anspruch auf Teilnahme unter Fortzahlung der Vergütung und den Anspruch auf Kostenerstattung hierfür auch im Wege einer einstweiligen Verfügung zu gestatten. Die ArbG könnten zumindest in denjenigen Fällen, in denen eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Erforderlichkeit der Schulung spricht, für Rechtssicherheit sorgen (für die Zulässigkeit LAG Hessen v. 14.2.2019 – 16 TaBVGa 24/19, juris, unter ausdrücklicher Aufgabe früherer anderslautender Rechtsprechung; LAG Düsseldorf v. 5.12.2017 – 4 TaBVGa 7/17, juris; LAG Hamburg v. 27.9.2018 – 8 TaBVGa 1/18, juris; in Ausnahmefällen LAG Hamm v. 8.7.2005 – 13 TaBV 119/05, juris). Soweit man die einstweilige Verfügung nur auf Freistellung zulässt – ähnlich wie bei der Rspr. zur Urlaubsgenehmigung (jetzt auch LAG Hessen v. 22.5.2017 – 16 TaBVGa 116/17 mit der zutreffenden Begründung, zwar müsse der Arbeitgeber keine Willenserklärung auf Freistellung abgeben, weil das Betriebsratsmitglied im Falle des Schulungsanspruchs automatisch von der Arbeitspflicht befreit sei, es gehe aber um Klärung dieser Frage) –, müsste anderenfalls erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden, ob der Arbeitgeber die Kosten zu erstatten hat und ob das durch einstweilige Verfügung freigestellte Betriebsratsmitglied Fortzahlung des Entgeltes für die Schulungsdauer und Erstattung der Schulungskosten verlangen kann. Dies erscheint nicht als zumutbar.

 

Rz. 643

 

Hinweis

Nach BAG (v. 12.1.2011 – 7 ABR 94/09, juris) ist ein Feststellungsantrag des Betriebsrats dahingehend, dass die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer bestimmten Schulungsveranstaltung erforderlich ist, wegen Unbestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, wenn der Antrag weder die zeitliche Lage noch den Ort der Schulungsveranstaltung enthält. Wenn aber Schulungsinhalt, -ort und -zeit zum Streitgegenstand des Anspruchs zählen, kann der Betriebsrat – anders als während des Verfahrens erster Instanz – wegen des verstrichenen Zeitablaufs nach der erstinstanzlichen Entscheidung nicht im Beschwerdeverfahren eine zeitlich spätere Schulungsmaßnahme zur Entscheidung des Gerichts stellen. Es würde sich dann um einen anderen Streitgegenstand handeln, für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens mit dem neuen Streitgegenstand fehlt es an der Beschwer (so ausdrücklich LAG Nürnberg v. 19.10.2017 – 1 TaBV 25/17, juris).

Das BAG führt hierzu ausdrücklich aus, es werde nicht verkannt, dass es hierdurch schwierig oder fast unmöglich werden könne, vor dem Schulungsbesuch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Schulung herbeizuführen. Dies sei nach der Rechtsordnung in Kauf zu nehmen, zumal dem Betriebsrat ja sein Beurteilungsspielraum zugutekomme. Das Verfahren verlange keine abschließende Beurteilung dazu, ob das Betriebsratsmitglied jedenfalls für die unmittelbar zu leistenden, ihm finanziell nicht möglichen oder nicht zumutbaren Aufwendungen einen Vorschuss des Arbeitgebers im Wege einstweiliger Verfügung verlangen könne. Unzulässig, weil vergangenheitsbezogen, ist ein Antrag auf Feststellung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat von den Kosten einer bestimmt bezeichneten Schulung freizustellen, wenn der Schulungstermin verstrichen ist (BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 73/10, juris).

 

Rz. 644

Der Arbeitgeber muss die Seminarteilnahme nicht besonders genehmigen oder das Betriebsratsmitglied für den Schulungsbesuch freistellen (LAG Hamm v. 30.5.2008 – 10 TaBV 129/07, juris; LAG Hessen v. 22.5.2017 – 16 TaBVGa 116/17, juris). Er kann aber die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes und die Übernahme der Schulungskosten verweigern. Besucht das Betriebsratsmitglied dennoch die Schulung, erfolgt die Klärung der den Arbeitgeber nach § 37 Abs. 2 und § 40 BetrVG treffenden Pflichten erst nach Beendigung des Seminars, indem das Betriebsratsmitglied das fortzuzahlende Arbeitsentgelt im Urteilsverfahren und das Betriebsratsmitglied oder der Betriebsrat als Organ im Beschlussverfahren die Sc...

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