Rz. 23

Im Gegensatz zu den Fällen, in denen der Erblasser die Vor- und Nacherbfolge anordnet und die Auswahl der Nacherben dem Vorerben oder sonst einem Dritten überlässt,[36] stehen die Fälle, in denen die Nacherbeneinsetzung selbst unter einer Bedingung steht. Während die einen Klauseln wegen Verstoßes gegen § 2065 BGB unwirksam sind, ist die zweite Gestaltungsmöglichkeit nach § 2075 BGB möglich. So kann der Erblasser verfügen, dass die von ihm bestimmten Nacherben unter der auflösenden Bedingung eingesetzt werden, dass der Vorerbe nicht anderweitig letztwillig verfügt. In diesem Fall wird spätestens mit dem Tod des "Vorerben" klar, ob dieser die Stellung eines Vorerben innehatte oder durch abweichende Verfügung dafür gesorgt hat, dass er Vollerbe wurde, der nun seinerseits letztwillig auch den Vermögensanteil des Erblassers weitergeben kann. Der Erblasser kann es von der Handlung des Erben abhängig machen, ob sich die Erbeinsetzung als (bedingte) Vorerbschaft oder als (bedingte) Vollerbschaft verwirklicht. In dieser Gestaltung ist auch keine unzulässige Umgehung des § 2065 BGB zu erkennen. Auflösende Bedingungen sind gesetzlich normiert, § 2065 BGB geht § 2075 BGB nicht vor.[37] Prozessual muss es dann möglich sein, dass der "Vorerbe" nach Abschluss eines bindenden Erbvertrages mit seinen Erben auf Feststellung klagen kann, dass ein Nacherben-Anwartschaftsrecht nicht (mehr) besteht.

[36] Was entgegen der "Dieterle-Klausel" gegen § 2065 BGB verstößt, vgl. BayObLG FamRZ 1991, 610, 611; OLG Frankfurt/Main DNotZ 2001, 143; aA. jedoch zuletzt KG RNotZ 2022, 486 (489); ebenso OLG Hamm ZEV 2019, 276.
[37] Vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 646 m. zutreffendem Hinw. auf die der Vor- und Nacherbenanordnung eigentümlichen Schwäche der Möglichkeit von Potestativbedingungen.

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