Rz. 445

Auch im schriftlichen Verfahren, d.h. in Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, die aber im Einverständnis mit den Beteiligten nicht stattfindet, oder in den Fällen des § 307 ZPO (Anerkenntnisbeschluss nach Aufforderung zur Anzeige der Verteidigungsabsicht) oder § 495a ZPO (Entscheidung des Gerichts bei Verfahrenswert unter 600,– EUR das schriftliche Verfahren durchzuführen) kann der Rechtsanwalt eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 erhalten, vgl. dazu Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG. Dies gilt auch dann, wenn im schriftlichen Verfahren entschieden oder ein Vergleich geschlossen wird, vgl. dazu Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG.

Zusammenfassend:

schriftliches Verfahren ist vorgeschrieben[283] (nicht bei einstweiliger Verfügung und Entscheidung nach § 128 Abs. 3 ZPO (§§ 91a, 269 Abs. 4, 516 Abs. 3 ZPO));
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder;
bei Anerkenntnisbeschluss im schriftlichen Verfahren oder;
bei Versäumnisbeschluss im schriftlichen Verfahren oder;
Entscheidung in Bagatellstreitigkeiten nach § 495a ZPO (Achtung: Auf Antrag muss mündliche Verhandlung anberaumt werden!);
Vergleich in derartigen Verfahren.
 

Rz. 446

Zitat

"Wird in einem in erster Instanz geführten Zivilprozess über den rechtshängigen Anspruch (auf Vorschlag des Gerichts) ein schriftlicher Vergleich nach § 278 VI ZPO geschlossen, entsteht für den beauftragten Prozessbevollmächtigten – neben einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV und einer 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV – eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV."[284]

 

Rz. 447

Das Kammergericht hat in einer Entscheidung, ebenfalls vom 27.10.2005, auch für Vergleiche, die auf Vorschlag der Parteien/Beteiligten zustande kommen, den Anfall einer Terminsgebühr bejaht.[285]

 

Rz. 448

Das OLG Stuttgart hatte im September 2010 über die Frage zu entscheiden, ob eine Terminsgebühr entstehen kann, wenn in einem Sorgerechtsverfahren ohne Durchführung eines Erörterungstermins eine Entscheidung ergeht und hat dies positiv beantwortet:

Zitat

"§ 155 Abs. 2 S. 1 FamFG schreibt für den Regelfall die Durchführung eines Erörterungstermins in den in Abs. 1 genannten Verfahren vor. Wird im Einverständnis mit dem Beteiligten ohne Termin entschieden, so entsteht gemäß Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 VV RVG gleichwohl eine Terminsgebühr."[286]

Das OLG Stuttgart vertrat in dieser Entscheidung auch die Auffassung, dass die Terminsgebühr nicht mit der Begründung versagt werden kann, es liege keiner der in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Verfahrensgegenstände vor, wenn ein Elternteil nach § 1671 BGB die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf sich allein beantragt habe, denn der Antrag auf Übertragung der vollständigen Alleinsorge für ein Kind umfasse auch den Aufenthalt des Kindes.

Das OLG Stuttgart hat sich mit seiner Entscheidung ausdrücklich gegen die nach altem Recht (bis 31.8.2009 geltende Regelung) ausgesprochen, wonach in derartigen Verfahren seinerzeit eine Terminsgebühr nicht anfallen konnte.[287]

Die Tatsache, dass in § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht der Begriff der mündlichen Verhandlung, sondern vielmehr der Erörterung verwendet wird, führt nach Ansicht des OLG Stuttgart nicht dazu, dass die Terminsgebühr zu verneinen ist, da diese stark am Wortlaut der Nr. 3104 VV RVG haftende Auffassung den Sinn und Zweck von § 155 Abs. 2 FamFG außer Acht lassen würde.[288]

 

Rz. 449

Anwaltsunfreundlich entschied das OLG Schleswig:

Zitat

"Findet im Verfahren nach § 1666 BGB kein Gerichtstermin statt, so entsteht keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VVRVG (Entscheidung ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung), weil § 157 FamFG eine Soll-Vorschrift ist und die in § 155 Abs. 2 FamFG vorgeschriebene Erörterung sowie die in § 160 Abs. 1 FamFG vorgeschriebene Anhörung keine mündliche Verhandlung sind."[289]

 

Rz. 450

Entscheidet das Familiengericht in einem Verfahren auf Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (§ 1671 BGB) ohne Termin, entsteht für den Rechtsanwalt keine Terminsgebühr.[290]

 

Rz. 451

Spätestens seit der Neufassung des Abs. 3 der Vorbem. 3 zu Teil 3 VV dürfte klargestellt sein, dass eine Terminsgebühr aufgrund einer Erledigungsbesprechung unabhängig davon entstehen kann, ob für das jeweilige gerichtliche Verfahren nun eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder nicht (vgl. Rdn 473 ff.).

 

Rz. 452

Sofern das Gericht über den abgetrennten Versorgungsausgleich im schriftlichen Verfahren entscheidet, entsteht eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nicht, da nach der Anmerkung Abs. 1 zu Nr. 3104 VV RVG eine solche nur entstehen kann, wenn in solchen Verfahren schriftlich entschieden wird, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

 

Rz. 453

Fraglich ist, ob eine Terminsgebühr nach Nr. 3100 VV RVG entstehen kann, wenn in einem einstweiligen Anordnungsverfahren im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Zum Teil wird in der Rechtsprec...

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