Rz. 84

Soweit das Kind bzw. die Kinder (auch) in einer Betreuungseinrichtung sind, sind die Kosten hierfür – ohne die Verpflegungskosten – Mehrbedarf (vgl. hierzu Fall 4, siehe § 1 Rdn 53 ff.).

Nachdem die Kinder bereits älter als 3 Jahre sind, besteht grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit der F (zu den Einzelheiten vgl. Fall 15, siehe § 3 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 85

Geht man insoweit z.B. davon aus, dass die F infolge Schulbesuchs des einen Kindes und Kindergartenbesuchs des anderen Kindes monatlich 450 EUR verdienen kann bzw. könnte, so ergibt sich folgende Berechnung des Ehegattenunterhalts:

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M wie bereits errechnet: 2.144 EUR

Erwerbstätigenbonus der F: 450 EUR × 10 % = 45 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen der F = 405 EUR (450 – 45 EUR)

Halbteilungsgrundsatz

Bedarf der F = ½ aus 2.549 (2.144 + 405 EUR) = 1.274,50 EUR

Unterhaltsanspruch der F = Restbedarf = Bedarf abzüglich des um den Erwerbstätigen­bonus gekürzten Eigeneinkommens = 1.274,50 – 405 EUR = 869,50 EUR

 

Rz. 86

"Unterhaltsrichtung": Typischerweise laufen Kindesunterhaltsansprüche parallel mit einem Ehegattenunterhaltsanspruch, d.h. die Frau, die für die von ihr betreuten Kinder Kindesunterhalt erhält, hat einen Ehegattenunterhaltsanspruch. Dies muss jedoch nicht so sein. So kann gerade die Barunterhaltspflicht gegenüber einem Kind bzw. mehreren Kindern dazu führen, dass der Kindesunterhaltspflichtige einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt erlangt.

 

Beispiel:

F und M sind getrennt/geschieden. F hat ein bereinigtes unterhaltsrelevantes Einkommen von 2.100 EUR, und zwar aus Teilzeit von 75 %. F erfüllt ihre Erwerbsobliegenheit und ist auch nicht überobligatorisch tätig. M hat ein bereinigtes unterhaltsrelevantes Einkommen von 2.400 EUR.

Die beiden Kinder K1 8 Jahre und K2 12 Jahre werden von F betreut. M leistet Barunterhalt für die Kinder:

Unterhalt K1 (8J) Einkommensgruppe 3/Altersgruppe 2: 391,50 EUR (501 – 109,50 EUR)

Unterhalt K 2 (12J) Einkommensgruppe 3/Altersgruppe 3: 477,50 EUR (587 – 109,50 EUR)

M verbleiben also nach Abzug Kindesunterhalt 1.531 EUR (2.400 – 391,50 – 477,50 EUR).

M möchte nunmehr von F Ehegattenunterhalt.

Anspruchsgrundlage für Ehegattenunterhalt

Für M kommt – je nach Lage des Falles – Trennungsunterhalt oder Geschiedenenunterhalt in Form von Aufstockungsunterhalt in Betracht.

Gesamtbedarf von M und F: 2.100 × 9/10 + 1.531 × 9/10 = 1.890 + 1.378 = 3.268 EUR

Bei M ist also das um den Kindesunterhalt gekürzte Einkommen anzusetzen:

 

BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15 Rn 14 ff.

(1) Ob ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts auch für den Fall durchzuführen ist, dass der für die Kinder barunterhaltspflichtige Ehegatte erst infolge des Abzugs über ein geringeres Einkommen verfügt und er demzufolge gegenüber seinem Ehegatten unterhaltsberechtigt wird, ist in Rechtsprechung und Literatur mit der Erwägung in Zweifel gezogen worden, dass der betreuende Ehegatte dadurch indirekt zum Barunterhalt für die Kinder beitragen müsse (OLG Köln NJW-RR 2001, 1371, 1372; OLG Jena FamRZ 2004, 1207, 1208; Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 12. Aufl., Rn 28, 1052; weitergehend gegen den Vorwegabzug des Kindesunterhalts OLG Hamburg FamRZ 1992, 1187, 1188 und FamRZ 1986, 1001; anderer Ansicht OLG Stuttgart MDR 2012, 1417; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1565; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 151, 152; FA-FamR/Maier, 10. Aufl., 6. Kapitel Rn 681; MüKo-BGB/Maurer, 6. Aufl., § 1578 Rn 211; Johannsen/Henrich/Hammermann, Familienrecht, 6. Aufl., § 1573 Rn 40).

(2) Diese Bedenken teilt der Senat nicht.

Die Berücksichtigung des Barunterhalts für minderjährige Kinder bei der Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen hängt nicht davon ab, ob die Kinder vom Unterhaltsberechtigten oder vom Unterhaltspflichtigen betreut werden.

In beiden Fällen beeinflussen die für den (sächlichen) Unterhaltsbedarf der Kinder aufzuwendenden Barmittel den Lebensstandard der Familie gleichermaßen, indem sie das für den eigenen Bedarf der Ehegatten verfügbare Einkommen schmälern.

Die Regelung in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen. Diese gilt nur für den Kindesunterhalt und hat zur Folge, dass der betreuende Elternteil von der Barunterhaltspflicht für die Kinder befreit wird (vgl. Senatsbeschluss vom 5.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 236 Rn 17 f.).

Das Oberlandesgericht hat dementsprechend zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Differenzierung danach, ob der betreuende Ehegatte Unterhaltsberechtigter oder Unterhaltspflichtiger ist, nicht gerechtfertigt ist.

In beiden Fällen werden die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern geprägt und muss der betreuende Ehegatte bei der Unterhaltsbemessung nach Quoten im Ergebnis wirtschaftlich mittragen, dass sich das für den Lebensbedarf der Ehegatten verfügbare Einkommen durch den Kindesunterhalt vermindert (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1565 f.; zum Einsatzzeitpunkt für den Aufstockungsunterhalt nach Wegfall der Kindesunterhaltsverpflichtung vgl. Senat...

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