Rz. 59

Rund zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl 2021 hat die sog. Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP am 7.12.2021 ihren 177 Seiten starken Koalitionsvertrag unterzeichnet.

 

Rz. 60

Vorliegend von Relevanz sind auszugsweise insb. folgende Vereinbarungen:

Selbstständige

Zitat

"Selbstständige sind wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Nach der aktuellen Reform des Statusfeststellungsverfahrens führen wir im Lichte der Erfahrungen einen Dialog mit Selbstständigen und ihren Verbänden, um dieses zu beschleunigen und zu verbessern. Ziel ist, in der digitalen und agilen Arbeitswelt unbürokratisch Rechtssicherheit zu schaffen."[95] (Anm.: Hervorhebungen durch den Verfasser).

 

Rz. 61

Diesen Formulierungen ist zu entnehmen, dass die Ampelkoalition sich darüber im Klaren ist, dass mit der Reform des Statusfeststellungsverfahrens zum 1.4.2022 die notwendige Reform noch nicht abgeschlossen ist. Denn es soll ein Dialog mit dem Ziel von Rechtssicherheit geführt werden. Auch wenn die Formulierungen im Koalitionsvertrag 2021 recht vage sind, so bleibt zu hoffen, dass die Ampelkoalition die – oben bei Rdn 58 im Kasten mit der Überschrift Praxisbedeutung der Reform des Statusfeststellungsverfahrens – aufgezeigte Linie nach Schaffung eines einheitlichen und klar definierten Arbeitnehmer-/Beschäftigtenbegriffs für alle betroffenen Rechtsgebiete (Arbeit-, Steuer-und Sozialversicherungsrecht) im Interesse der Rechtssicherheit aufgreift und umsetzt.

 

Rz. 62

Weiterhin sollen auch Selbstständige sowie Gründerinnen und Gründer durch einen erleichterten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung unterstützt werden.[96] Dies stand schon einmal auf der Liste von Minister Hubertus Heil, der nunmehr erneut als Arbeitsminister die Chance auf Umsetzung im Kabinett Scholz hat.

 

Rz. 63

Ferner sollen zur Unterstützung von Solo-Selbstständigen in der andauernden Corona-Pandemie die Neustarthilfe im Rahmen der Überbrückungshilfe III Plus solange wie benötigt fortgeführt werden.

 

Rz. 64

Digitale Plattformen

Digitale Plattformen werden als eine Bereicherung für die Arbeitswelt gesehen, deswegen seien gute und faire Arbeitsbedingungen wichtig. In diesem Sinne sieht der Koalitionsvertrag die Überprüfung des bestehenden Rechts und die Verbesserung der Datengrundlagen vor. Auch hier soll ein Dialog geführt werden mit Plattformanbietern, -Arbeitern, Selbstständigen sowie Sozialpartnern. Die Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen will die Ampelkoalition konstruktiv begleiten.[97] Dies klingt nicht nach einem konkreten Gesetzesvorhaben, sondern eher nach Abwarten auf eine europäische Lösung. Am 9.12.2021 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vorgelegt.[98] Dieser entspricht in wesentlichen Punkten dem oben unter § 4 Rdn 41 ff. dargestellten Eckpunktepapier des BMAS v. 27.11.2020.

 

Rz. 65

Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitskräftemobilität

Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung werden von der Ampelkoalition als notwendige Instrumente angesehen. Strukturelle und systematische Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz will die Koalition durch effektivere Rechtsdurchsetzung verhindern. Beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz prüft die Koalition im Fall einer europäischen Rechtsprechung, ob und welche gesetzlichen Änderungen unter Berücksichtigung der Gesetzesevaluierung vorzunehmen sind. Damit soll der Schutz von Beschäftigten bei grenzüberschreitenden Einsendungen gestärkt und bürokratische Hürden abgebaut werden.[99]

[95] Vgl. Koalitionsvertrag 2021, 69.
[96] Vgl. Koalitionsvertrag 2021, 69.
[97] Vgl. Koalitionsvertrag 2021, 72.
[98] Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie der EU-Kommission v. 9.12.2021 – COM(2012) 762 final; Fuhlrott, ArbR 2022, 191.
[99] Vgl. Koalitionsvertrag 2021, 70/71.

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