Rz. 214

Ist eine zumutbare Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten zu bejahen, können ihm erzielbare Nettoeinkünfte aus einer entsprechenden Erwerbstätigkeit fiktiv zugerechnet werden.[234]

Voraussetzung ist, dass er sich nicht ernsthaft um eine entsprechende Arbeitsstelle bemüht und bei ernsthaften Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte.

 

Rz. 215

Die Höhe fiktiver Einkünfte kann nur im Einzelfall im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO ermittelt werden.[235] Zugrunde zu legen ist derjenige Nettobetrag, der sich nach Abzug der ggf. zu zahlenden Steuern und Vorsorgeaufwendungen erzielt werden könnte. Diese Schätzung hat im Einzelfall unter Berücksichtigung von Alter, Vorbildung, Fähigkeiten und Gesundheitszustand zu erfolgen.[236]

 

Rz. 216

Dose[237] schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass als vergleichbare Beträge die in den Anlagen zum Fremdrentengesetz (FRG)[238] aufgeführten Bruttojahresentgelte herangezogen werden können, wenn im Einzelfall verlässliche konkrete Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen. Geeignet sind allerdings auch Schätzungen, die auf den von den Berufskammern herausgegebenen Übersichten über das im jeweiligen Bereich erzielbare Durchschnittseinkommen beruhen.[239]

 

Rz. 217

Es kann im Übrigen auf die Höhe des früheren Einkommens abgestellt werden, wenn der Unterhaltsberechtigte ein früheres Arbeitsverhältnis leichtfertig aufgegeben hat und davon ausgegangen werden kann, dass dieses Einkommen ohne die leichtfertige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach wie vor erzielt werden würde.[240]

 

Rz. 218

Sind fiktive Einkünfte zu berücksichtigen, sind sie nach der Differenz- bzw. Additionsmethode bei der Bedarfsbemessung und der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.[241]

[234] OLG Brandenburg FamRZ 2021 357.
[235] BGH FamRZ 1984, 662; BGH FamRZ 1986, 885; OLG Köln FamRZ 1982, 707, 709.
[236] BGH FamRZ 1984, 374, 377; OLG Hamm FamRZ 2005, 35; OLG Koblenz FamRZ 2006, 725.
[237] Wendl/Dose/Dose, § 1 Rn 793.
[238] Vgl. BGBl I 2006, S. 1881 ff.
[239] OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 220.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge