Rz. 21

Vom Versorgungsausgleich erfasst werden auch Versorgungen wegen Invalidität. Nach herkömmlicher Definition sind das alle Versorgungen wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit einschließlich der Versorgungen, welche die Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze betreffen (vgl. § 33 Abs. 3 SGB VI). Der Begriff wurde zwar im aktuellen Rentenrecht nicht beibehalten; der Gesetzgeber des VersAusglG verwendet ihn aber weiterhin, um zu zeigen, dass sich hier keine Änderungen ergeben haben, zumal auch in vielen anderen Versorgungssystemen die bisherige Terminologie beibehalten wurde.[15]

 

Rz. 22

Auf die Rechtsnatur der Versorgung kommt es auch hier nicht an: Erfasst werden die Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung (über den Ausgleich der allgemeinen Anrechte), Invalidenversorgungen des Beamten- und Soldatenrechts sowie berufsständische und private Invaliditätsversorgungen. Im Einzelnen sind diese Versorgungen sehr unterschiedlich ausgestaltet, weil die Voraussetzungen, an die sie anknüpfen, kaum miteinander vergleichbar sind. In der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung bildet der Invaliditätsschutz einen Annex zu der Absicherung des Altersrisikos; Einbeziehung in den Versorgungsausgleich bedeutet in diesen Fällen nur, dass das Anrecht nicht in seine Teilabsicherungen "zerlegt" werden muss.

 

Rz. 23

 

Praxistipp

Bei berufsständischen Versorgungen ist der Invaliditätsschutz meistens berufsbezogen ausgestaltet, d.h. sie greifen schon (bzw. erst) ein, wenn eine Tätigkeit in dem Beruf nicht mehr möglich ist, für den die berufsständische Versorgung besteht, wenn also ein Zahnarzt nicht mehr als Zahnarzt "am Stuhl" arbeiten kann oder ein Steuerberater als Steuerberater. Insoweit ist zu beachten, dass eine derartige Invaliditätsabsicherung dem anderen Ehegatten dann keine Vorteile bringt, wenn er nicht auch genau diesen Beruf ausübt (also auch Zahnarzt, Steuerberater usw. ist); denn dann kann er aus dieser Versorgung niemals selbst eine Invaliditätsversorgung erlangen, weil er deren materiell-rechtliche Voraussetzungen nicht erfüllen kann, obwohl ihm "auf dem Papier" eine Invaliditätsversorgung zusteht. In derartigen Fällen ist es besser, wenn die berufsständische Versorgung den Invaliditätsschutz für den Ausgleichsberechtigten direkt ausschließt und als Ausgleich dafür die Altersversorgung erhöht (§ 11 Abs. 3 VersAusglG, zur Majorisierung als Kompensation für den Wegfall von Invaliditätsversorgungen siehe unten § 8 Rdn 29 ff.). Sieht die Satzung des Versorgungsträgers das nicht vor, sollte mit dessen Zustimmung extern ausgeglichen werden (§ 14 VersAusglG, zum externen Ausgleich siehe unten § 8 Rdn 335 ff.) oder aber mit dem anderen Ehegatten eine vertragliche Regelung des Versorgungsausgleichs mit einer "Kompensationsregelung" (zu derartigen Vereinbarungen siehe unten § 7 Rdn 70 ff.) getroffen werden.

 

Rz. 24

Die ausdrückliche Einbeziehung der Invaliditätsversorgungen hat dann Bedeutung, wenn es sich um eine isolierte, auf dieses Risiko bezogene Versicherung handelt. Derartiges kommt v.a. als private Versorgungen vor (Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherungen).

 

Rz. 25

Zu beachten ist: Für den Ausgleich dieser privaten Versorgungen wegen Invalidität bestehen besondere Voraussetzungen. § 28 Abs. 1 VersAusglG bestimmt insoweit, dass ein Anrecht der Privatvorsorge wegen Invalidität nur auszugleichen ist, wenn der Versicherungsfall schon in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt (zu Einzelheiten siehe unten § 8 Rdn 29 ff.).[16]

 

Rz. 26

Diese Versorgungen werden also nur noch dann ausgeglichen, wenn beide Ehegatten in der Ehezeit invalide (geworden) sind. Das bedeutet eine erhebliche Einschränkung ggü. dem früheren Recht, weil dieses nur voraussetzte, dass die Invalidität aufseiten des Inhabers der Versorgung eingetreten war. Ein weiterer Unterschied besteht in der Art des Ausgleichs: Während die genannten Versorgungen früher im allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ausgleich bei der Scheidung ausgeglichen wurden, sieht § 28 Abs. 3 für diese Anrechte nunmehr vor, dass sie in einer Art schuldrechtlichen Ausgleich auszugleichen sind, denn für sie wird die entsprechende Anwendung der §§ 20 bis 22 VersAusglG angeordnet (siehe unten § 8 Rdn 483 ff.).

 

Rz. 27

Von der Regelung erfasst werden private Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsversicherungen und private Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Private Unfallversicherungen werden dagegen nicht erfasst,[17] da sie Entschädigungs- und nicht Versorgungscharakter haben.[18] Ebenso wenig erscheint die analoge Anwendung auf Invaliditätsrenten aus einer betrieblichen Altersversorgung gerechtfertigt.[19] Insoweit fehlt es an einer planwidrigen Lücke.

[15] BT-Drucks 16/10144, S. 46.
[16] Siehe als Beispiel den Berufsunfähigkeitsbaustein bei der Journalistenversorgun...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge