Rz. 109

Erst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbietet dem Anwalt, vom Mandanten einen Vorschuss nach § 9 RVG zu fordern. Erst seine Beiordnung verpflichtet den Anwalt zur Vertretung. Solange Prozesskostenhilfe lediglich beantragt ist, kann der Anwalt seine Partei um einen Vorschuss bitten. Erhält der Anwalt dann diesen Vorschuss, kann er nach § 58 Abs. 2 RVG diesen Vorschuss auf seine gesetzliche Vergütung anrechnen. Soweit der Vorschuss nicht die gesamten gesetzlichen Gebühren abdeckt, kann der Rechtsanwalt die ausstehende Differenz der Gebühren aus der Staatskasse nach § 49 RVG beanspruchen.

 

Rz. 110

Bei einem Streitwert bis zu 4.000 EUR sind die gesetzlichen Regelgebühren genauso hoch wie die PKH-Gebühren. Darüber sind die PKH-Gebühren gemäß § 49 RVG geringer als die gesetzlichen Regelgebühren. Bei einem Streitwert von über 50.000 EUR wirkt sich eine Erhöhung des Gegenstandswertes bei den PKH-Gebühren nicht mehr aus.

 

Beispiel

Arbeitnehmer AN kommt mit einer fristlosen Kündigung seines Arbeitgebers, bei dem er zuletzt durchschnittlich 3.000 EUR brutto monatlich verdient hat, zu Rechtsanwalt R und beauftragt diesen, Klage zu erheben. AN hat keine Rechtsschutzversicherung und R weist ihn darauf hin, dass er die Möglichkeit hat, Prozesskostenhilfe zu beantragen. R übergibt dem AN die Unterlagen zum Beantragen von Prozesskostenhilfe und bittet um einen Vorschuss von 1.300 EUR. Zugleich reicht R absprachegemäß Klage ein, beantragt Prozesskostenhilfe und kündigt an, dass er die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers mit den erforderlichen Anlagen nachreiche.

Sodann bringt AN dem R die ausgefüllte und unterschriebene Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Anlagen zurück und überweist den erbetenen Vorschuss.

In der Güteverhandlung kommt es zu einer vergleichsweisen Einigung, wonach das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbesteht. Prozesskostenhilfe wird ohne Ratenzahlung bewilligt.

Als gesetzliche Regelvergütung erhält R bei einem Streitwert von 9.000 EUR (Quartalsverdienst) Gebühren von 3,5 (Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV: 1,3; Terminsgebühr Nr. 3104 VV: 1,2; Einigungsgebühr Nr. 1003 VV: 1,0), also 1.933,00 EUR netto. Zuzüglich 20 EUR Auslagenpauschale und 19 % Umsatzsteuer ergibt sich somit ein Gesamtbetrag von 2.347,87 EUR. Davon hat er schon 1.300 EUR durch den Vorschuss erhalten, so dass er noch 1.047,87 EUR beanspruchen kann. Die PKH-Gebühren bei einem Streitwert von 9.000 EUR und Gebühren in Höhe von 3,5 betragen nach § 49 RVG 1.148,00 EUR, nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer insgesamt 1.389,92 EUR. R erhält die noch fehlenden 1.047,87 EUR von der Landeskasse. Der Vorschuss, den AN gezahlt hat, kommt nach § 58 RVG teilweise R und teilweise der Landeskasse zugute.

Hätte AN nur einen Vorschuss von 500 EUR gezahlt, hätte R 1.389,92 EUR von der Landeskasse beanspruchen können und hätte wegen seiner restlichen gesetzlichen Regelvergütung in Höhe von 457,95 EUR (2.347,87 EUR – 500,00 EUR – 1.389,92 EUR = 457,95 EUR) weder eine Forderung gegen AN noch gegen die Landeskasse gehabt.

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