Rz. 20

Die Ausschlagung ist nicht form- und nicht fristgebunden, jedoch bedingungs- und befristungsfeindlich und erfolgt gegenüber dem Beschwerten (§ 2180 BGB). Für die Ausschlagung gelten die §§ 2176, 2180 BGB und über § 2180 Abs. 3 BGB von den Vorschriften über die Erbschaftsausschlagung die §§ 1950, 1952 Abs. 1, 3 BGB und § 1953 Abs. 1 und 2 BGB. Sie kann erst nach Eintritt des Erbfalls erklärt werden, jedoch bereits vor Anfall des Vermächtnisses, was bei bedingten Vermächtnissen zur Erlangung des ungekürzten Pflichtteils erforderlich ist (siehe Rdn 31). Die Ausschlagung kann nicht nur für einen Teil des Vermächtnisses erklärt werden.[36]

 

Rz. 21

Da die Ausschlagung formlos erklärt werden kann, kann sie auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen.[37] Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls, jedoch wird mit einer solchen Annahme Zurückhaltung geboten sein. Dabei ist in persönlicher Hinsicht zu beachten, dass in der bloßen Pflichtteilsgeltendmachung wegen § 2180 Abs. 2 S. 1 BGB nur dann eine Ausschlagung liegen kann, wenn der Pflichtteilsschuldner zugleich der mit dem Vermächtnis Beschwerte ist.[38] In sachlicher Hinsicht ist zu beachten, dass eine Ausschlagung durch schlüssiges Verhalten dann zu verneinen ist, wenn dem Pflichtteilsberechtigten das Vermächtnis nicht bekannt war oder er meint, er könne neben ihm auch noch den Pflichtteil fordern.[39] Im Einzelnen wird vieles dadurch verwickelt, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht nur den vollen Pflichtteilsanspruch, sondern vielleicht nur den Pflichtteilsrestanspruch geltend machen kann und will und letzterer gerade auch bei Annahme des Vermächtnisses besteht. Daher ist hier vieles streitig.[40] Man sollte dabei nicht darauf vertrauen, dass in der Literatur teilweise vertreten wird, dass in Zweifelsfällen die dem Pflichtteilsberechtigten günstigere Lösung gelten soll.[41]

 

Praxishinweis

In Verhandlungen mit dem Pflichtteilsschuldner muss der Vermächtnisnehmer darauf achten, dass sein Verhalten klar ist und nicht entgegen seinem Willen daraus die schlüssige Ausschlagung oder Annahme des Vermächtnisses gefolgert werden kann.

 

Rz. 22

Folge der wirksamen Ausschlagung des Vermächtnisses ist, dass dessen Anfall an den Pflichtteilsberechtigten als nicht erfolgt gilt (§§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1 BGB). Damit kann der Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteil fordern. Er berechnet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, also unter Berücksichtigung von Ausgleichungs- und Anrechnungspflichten (§§ 2315, 2316 BGB). Schlägt der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner bei einer Zugewinngemeinschaft aus, so kommt es zur sog. güterrechtlichen Lösung und er kann nur den sog. kleinen Pflichtteil (berechnet nur nach dem nicht erhöhten Erbteil, § 1931 BGB) und den rechnerischen Zugewinn verlangen (§ 1371 Abs. 3 BGB), hat aber kein Wahlrecht zum großen Pflichtteil.[42] Die Tragung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis bestimmt sich nach § 2321 BGB, wobei darauf abgestellt wird, wem die Ausschlagung zugute kommt. Umstritten ist, wann der Pflichtteilsanspruch bei einer solchen Ausschlagung entsteht (siehe hierzu § 3 Rdn 68).

[36] Staudinger/Haas (Neubearb. 2006), § 2307 Rn 11.
[37] Dazu etwa OLG Colmar OLGRspr 12, 390 = Recht 1905 Nr. 2556; eingehend mit Beispielen Staudinger/Otte, § 2180 Rn 5.
[38] Planck/Greiff, § 2307 Anm. 1; Staudinger/Otte, § 2307 Rn 11; MüKo-BGB/Lange, § 2307 Rn 13.
[39] Staudinger/Otte, § 2307 Rn 11; MüKo-BGB/Lange, § 2307 Rn 13; Soergel/Dieckmann, § 2307 Rn 6; vgl. auch Zittelmann, ArchBürgR 29 (1906) 159, 160.
[40] Zu Details siehe etwa Staudinger/Haas (Neubearb. 2006), § 2307 Rn 12; Planck/Greiff, § 2307 Anm. 2a; Kipp/Coing, Erbrecht, § 10 II Fn 19; Francke, AcP 101, 410 ff.
[41] So Staudinger/Haas (Neubearb. 2006), § 2307 Rn 12.
[42] MüKo-BGB/Lange, § 2307 Rn 10; Braga, FamRZ 1957, 334, 339.

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