Rz. 32

Haben die Arbeitsvertragsparteien eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt, berührt das nicht die Wirksamkeit der vereinbarten Arbeit auf Abruf. Es gelten die zum Schutz des Arbeitnehmers gesetzlich fingierten Arbeitszeiten,[16] nämlich eine Arbeitszeit von (mindestens) zwanzig Stunden bezogen auf die Woche und (mindestens) drei Stunden bezogen auf die Tagesarbeitszeit als vereinbart (§ 12 Abs. 1 S. 3 und 4 TzBfG). Diese Fiktion greift aber nur dann ein, wenn keine Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien geschlossen ist und sich der tatsächliche Wille der Parteien auch nicht aus dem gelebten Arbeitsverhältnis ergibt. Lässt sich bei streitigem Parteivortrag nicht feststellen, welche Vereinbarung über die Menge der Arbeitszeit getroffen wurde, kommt der tatsächlichen Durchführung erhebliches Gewicht für die Auslegung der zugrunde zu legenden Absprachen zu,[17] und zwar vorrangig vor dem Eingreifen der gesetzlichen Arbeitszeitfiktion. Eine Vereinbarung mit dem Inhalt, der Arbeitnehmer bekomme nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt, ist wegen Umgehung des Kündigungsschutzes unwirksam. Auch in einem solchen Fall ist die bisherige durchschnittliche Arbeitsmenge zugrunde zu legen.[18]

 

Rz. 33

Greift die Fiktion ein, so ist der Arbeitgeber hieran gebunden. Ob ein Abruf unterhalb der Grenzen z.B. des § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG unzulässig ist und zu einem Leistungsverweigerungsrecht[19] führt oder zu befolgen ist,[20] ist streitig. Zwar ist der ein Leistungsverweigerungsrecht ablehnenden Ansicht darin zuzustimmen, dass die wesentliche Regelung der Mindestdauer darin besteht, dem Arbeitnehmer die Gegenleistung zu sichern. ­Jedoch liegt nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG nahe, dass durch diese Festlegung auch die Interessen des Arbeitnehmers auf einen Abruf von mindestens drei Stunden gewahrt werden sollen. § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG spricht nämlich ausdrücklich davon, dass der Arbeitgeber die Leistung für jeweils mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen hat. Richtigerweise wird man dem Arbeitnehmer also ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligen müssen.

 

Rz. 34

Erweist sich eine Bandbreitenregelung als unwirksam, so ist hinsichtlich der Rechtsfolgen stets zu beachten, ob eine Teilnichtigkeit wirklich in Frage kommt. Denn wird aus dem Arbeitsvertrag deutlich, dass die Parteien eine Abrufkomponente gewollt haben, so widerspräche eine Reduzierung der vertraglichen Regelung auf eine feste wöchentliche Arbeitszeit diesem Parteiwillen. Die Nichtigkeit einer solchen Regelung wird daher regelmäßig zur vollständigen Nichtigkeit der vertraglichen Arbeitszeitvereinbarung führen. Eine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit, die nach § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der vertraglichen Regelung treten könnte, besteht nicht. Ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG wird der Interessenlage der Flexibilisierung ebenfalls nicht gerecht. Die Lösung ist – trotz des Verbots geltungserhaltender Reduktion nach § 306 BGB – in einer ergänzenden Vertragsauslegung zu suchen. Hierbei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten. Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens wiederum ist die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung. Sie gibt Aufschluss über die von den Parteien wirklich gewollte Arbeitszeitdauer.[21]

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