Rz. 12

Es ist unstreitig, dass die im Teil 3 des VV RVG genannten Gebühren nur dann anfallen, wenn der Anwalt einen unbedingten Verfahrensauftrag hat.

Es wird darüber gestritten, wann nur ein solcher unbedingter Verfahrensauftrag vorliegt und wann zunächst ein außergerichtlicher Auftrag und dann erst ein Verfahrensauftrag (sei es zur Einreichung der Klage oder zur Protokollierung des erzielten Vergleichs) anzunehmen ist.

Streitig sind insbesondere zwei Fälle:

Ob dann, wenn der Auftrag an den Anwalt lautet, er solle sich um eine Einigung bemühen, die, wenn sie gelingt, gerichtlich oder notariell beurkundet werden soll, ein außergerichtlicher Auftrag verbunden mit einem aufschiebend bedingten Verfahrensauftrag vorliegt, oder ob dann, wenn eine gerichtliche Beurkundung beabsichtigt ist, von Anfang an und ausschließlich ein Verfahrensauftrag vorliegt und zwar ein unbedingter.[3]
Zum anderen ist problematisch, ob der Antragsgegner einen unbedingten Verfahrensauftrag schon haben kann, bevor der Antragsteller seinen Antrag bei Gericht eingereicht hat.[4]
 

Rz. 13

Die Verwendung von Worten wie "falls" und "wenn" und "etwaig" deutet immer darauf hin, dass hier eine Bedingung vorliegt. Wenn der Auftraggeber den Anwalt beauftragt, ihn gegen eine Klage zu vertreten, "falls eine solche erhoben wird", ist das auch dann ein aufschiebend bedingtes Mandat, wenn damit der Auftrag verbunden ist, schon einmal die Erwiderung auf eine solche Klage vorzubereiten. Nicht anders ist es im Fall des Versuchs eines Vertragsabschlusses, wenn das Mandat lautet: Der Anwalt soll versuchen, Einigung zu erreichen und, falls dies gelingt, die Einigung gerichtlich zu protokollieren. Der Streit um das außergerichtliche Mandat verbunden mit dem aufschiebend bedingten Prozessmandat ist ein altes nicht bloß dogmatisches Thema.[5] Ein Argument gegen die Auftragserteilung im gebührenrechtlichen Sinn ist, dass mit dem unbedingten Verfahrensauftrag das Mandat nicht richtig umschrieben ist.

Selbstverständlich ist nicht zu bezweifeln, dass der Protokollierungsauftrag selbst ein Verfahrensauftrag ist. Wie aber soll gerechtfertigt werden, dass mit den Worten "… beauftragt ist, eine Einigung der Parteien … zu Protokoll zu nehmen" nicht nur der Protokollierungsvorgang erfasst ist, sondern auch die Korrespondenz, die Mandantengespräche, das Vierer-Gespräch, kurz: alles, was einer Einigung vorausgegangen ist.[6] Man halte nicht dagegen, dass auch für den Antrag (= Klage) Vorarbeiten nötig sind: Der Versuch außergerichtlicher Einigung setzt voraus, dass alle Arbeiten geleistet werden, die zu einer Klageerhebung notwendig sind, dass aber darüber hinaus noch eine Vielzahl weiterer Arbeiten geleistet wird. Der Verfahrensauftrag ist der Auftrag, die Vereinbarung zu protokollieren, nicht aber die Vereinbarung zu erarbeiten. Die Protokollierung einer evtl. erreichten Einigung ist nur der 2. Teil des Auftrags. Wenn die Einigung erreicht wird, soll sie protokolliert werden, wenn nicht, soll das gerichtliche Verfahren eingeleitet werden. Es liegen zwei alternative, aufschiebend bedingte Verfahrensaufträge vor. Der Anwalt, der die Korrespondenz geführt hat, telefoniert und vielleicht auch mündlich persönlich verhandelt hat, braucht keine Vermutungen zu widerlegen. Er hat die Geschäftsgebühr verdient.

 

Rz. 14

Gegen die Theorie vom sofortigen Verfahrensauftrag spricht vor allem – und das dürfte das gewichtigste Argument sein – die Intention des Gesetzgebers bei der Gestaltung des RVG: Der Gesetzgeber wollte außergerichtliche Vereinbarungen begünstigen, der Anwalt sollte angemessen honoriert werden. Geht man von einem alleinigen Verfahrensauftrag aus, bedeutet das, dass der Anwalt im Gelingensfall ungefähr so steht, wie er bei Annahme eines außergerichtlichen Mandats auch stünde, vielleicht sogar etwas besser (die 2,0 Geschäftsgebühr muss erst verdient werden; die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr sind feste Werte, die gleichfalls 2,0 ausmachen, auch wenn der Aufwand geringer war – was im Übrigen dem Mandanten schwer zu vermitteln ist). Im Misslingensfall dagegen ist der Anwalt in der gleichen Situation wie er vor Einführung des RVG war: Er hat vor der Klageeinreichung praktisch umsonst gearbeitet, weil er ohne die umfangreichen Bemühungen um eine Vereinbarung das Gleiche verdient hätte.

[3] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 14: Verhandlungen über Trennungs- und Verhandlungen über Scheidungsfolgen werden, wenn eine etwa erzielte Vereinbarung gerichtlich protokolliert werden soll, ausschließlich im Verfahrensauftrag geführt; soweit es sich um Verhandlungen über Scheidungsfolgen handelt, besteht darüber hinaus eine Vermutung für ein alleiniges Verfahrensmandat.
[4] BGH AGS 2010, 483; Bischof, JurBüro 2013, 232; Gerold/Schmid/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 20 – alle für den unbedingten Verfahrensauftrag auf Gegnerseite, alle für den Fall, dass das Mandat die Rechtsverteidigung in einem etwaigen Klageverfahren umfasst; a.A. Schons, AGS 2010, 485.
[5] Zur Historie vgl. Vorauf...

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