Rz. 4

Die Einlegung des Einspruchs hemmt die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes nicht. Es bedarf der Aussetzung der Vollziehung, § 361 AO. Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, die Vollziehung von Amts wegen ganz oder teilweise aussetzen. Es empfiehlt sich aber, einen ausdrücklichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Denn auf Antrag soll die Finanzbehörde aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, § 361 Abs. 2 S. 2 AO.[4] Bei der Frage, ob ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sinnvoll ist, ist insbesondere das Zinsrisiko zu beachten, da ein ausgesetzter Betrag im Falle der Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache mit 0,5 %/Monat zu verzinsen ist (§§ 237 f. AO).[5]

[4] Nach der st. Rspr. des BFH ist die Behörde in solchen Fällen zur Aussetzung verpflichtet, BFH v. 4.12.1967, BStBl II 1968, 199, 201; BFH v. 10.2.1984, BStBl II 1984, 454, 457. An die nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO erforderliche "unbillige Härte" sind höhere Anforderungen als an die für eine Stundung gem. § 222 AO erforderliche "erhebliche Härte" zu stellen; BFH v. 9.12.1999, BFH/NV 2000, 885. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Davon wird zumindest bei inländischen Steuerpflichtigen selten Gebrauch gemacht, wenn bei diesen nicht die Insolvenz zu befürchten ist. Im Übrigen liegt ein Ermessensfehler hinsichtlich der Anordnung einer Sicherheitsleistung vor, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit der Steuerpflichtige in der Hauptsache obsiegen wird; BFH v. 8.11.1989, BFH/NV 1990, 671; BFH v. 31.7.1991, BFH/NV 1992, 409. Die Kosten für eine Sicherheitsleistung können allenfalls im Wege des Amtshaftungsanspruchs, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ersetzt werden, FG Baden-Württemberg v. 8.5.1996, EFG 1996, 997.
[5] Vgl. Streck/Kamps/Olgemöller, Der Steuerstreit, Rn 1678 ff. zu Beratungsüberlegungen, ob man den Antrag stellen sollte. Ausgewählte Beraterüberlegungen finden sich auch bei Kamps, DStR 2007, 1154.

aa) Voraussetzungen

 

Rz. 5

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten.[6] Dies ist u.a. der Fall, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, dass von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen wurde, oder wenn Fehler bei der Rechtsanwendung nicht auszuschließen sind. Dabei ist bei einer nicht eindeutigen Rechtslage im Regelfall die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.[7] Die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe müssen nicht überwiegen.[8] Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen, die über den allgemeinen wirtschaftlichen Nachteil, der mit einer Steuerzahlung stets verbunden ist, hinausgehen (z.B. Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz).[9] Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung des Folgebescheides auszusetzen, § 361 Abs. 3 S. 1 AO. Mit der Aussetzung der Vollziehung kann man – wie § 361 Abs. 2 S. 3 AO ausdrücklich klarstellt – auch die Aufhebung der Vollziehung bei zwischenzeitlicher Vollstreckung oder freiwilliger Zahlung der festgesetzten Steuerschuld erreichen, nicht jedoch die Erstattung gezahlter und wirksam festgesetzter Vorauszahlungen.

Denn nach § 361 Abs. 2 S. 4 AO gilt, dass die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt ist, soweit nicht die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.[10] Nach dieser Härteklausel dürfte die Finanzverwaltung nur dann eine vorläufige Erstattung verfügen, wenn dem Steuerpflichtigen ansonsten nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile entstehen, wie insbesondere die drohende Existenzvernichtung.[11]

[6] AEAO zu § 361 Tz. 2.5.
[8] BFH v. 10.3.2001, BFH/NV 2001, 957; AEAO zu § 361 Tz. 2.5 S. 2.
[9] AEAO zu § 361 Tz. 2.6; vgl. näher zu den Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung Rätke, in: Klein, § 361 AO Rn 6 ff.; Tipke/Kruse, § 361 AO Rn 1 ff., § 69 FGO Rn 44 ff.
[10] Vgl. die deutliche und zutreffende Kritik am Gesetzgeber bei Woerner, BB 1996, 2649. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den § 69 Abs. 2 S. 8 FGO, der dem § 361 Abs. 2 S. 4 AO entspricht, siehe Leonard, DB 1999, 2280. Der BFH sieht allerdings in diesen Regelungen keinen Verstoß gegen das GG; BFH v. 2.11.1999, BStBl II 2000, 57.
[11] Vgl. im Einzelnen AEAO zu § 361 Tz. 4.6.1.

bb) Rechtsbehelf – Klage

 

Rz. 6

Lehnt die Finanzbehörde die beantragte Aussetzung der ...

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