Rz. 28

Nach § 45 Abs. 1 S. 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese generalklauselartige Regelung setzt eine konkrete Gefahrenlage für die Sicherheit des Verkehrs voraus.[44] Alle Verkehrsbeschränkungen müssen darüber hinaus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Notwendig ist auch eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Diese Ermessensentscheidung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach Maßgabe des § 114 VwGO.

 

Rz. 29

Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Anordnung zur Zweckerfüllung geeignet ist, das Übermaßverbot beachtet und die Interessen der Betroffenen, insbesondere auch die der Anlieger, berücksichtigt sind, wobei die beteiligten Interessen gegeneinander abzuwägen sind. In diesem Rahmen kommt es unter anderem darauf an, was – einerseits – den Betroffenen zumutbar ist und – andererseits – was durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden könnte.

Prüfkriterien können dabei insbesondere sein:[45]

Wurde das Ermessen gesehen und auch ausgeübt?
Richtige Gewichtung der auf dem Spiel stehenden Interessen.
Zweck der verkehrsregelnden Maßnahme muss erkennbar sein.
Sind weniger belastende Maßnahmen denkbar? Sind solche in die Überlegungen eingestellt worden?
Ist speziell das zu behebende Gefahrenpotential durch weniger einschneidende Maßnahmen zu beseitigen?
Geltungsdauer der verkehrsregelnden Maßnahme.
 

Rz. 30

Zur Annahme einer den Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung aufgrund dieser Bestimmung nach der Rechtsprechung des BVerwG notwendigen Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs bedarf es jedoch nicht des Nachweises, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Es genügt vielmehr die Feststellung, die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder einer bestimmten Strecke einer Straße lege die Befürchtung nahe, es könnten – möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände – irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten.[46]

 

Rz. 31

Gründe der Verkehrssicherheit: Eine auf überhöhte Geschwindigkeiten zurückzuführende evidente Häufung von Unfällen auf einem bestimmten Streckenabschnitt einer Bundesautobahn kann zu einer auf § 45 Abs. 1 StVO gestützten rechtmäßigen Geschwindigkeitsbegrenzung auf der BAB[47] führen. Sowohl das angestrebte Ziel (Senkung der Unfallzahlen zumindest auf das Niveau der angrenzenden Streckenabschnitte) als auch das hierzu ausgewählte Mittel der Geschwindigkeitsbeschränkung sind rechts- und ermessenfehlerfrei bedacht worden.[48] Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h auf der BAB muss auf § 45 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 9 S. 2 StVO beruhen und ist dann rechts- und ermessensfehlerfrei, wenn die Senkung der Unfallzahlen gewollt und die Geschwindigkeitsbeschränkung als Mittel geeignet ist.[49]

 

Rz. 32

Die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf der BAB darf also nur ergehen, wenn eine konkrete Gefahr auf dem betreffenden Straßenabschnitt vorliegt, die über das normale und unvermeidliche Maß ständiger Gefahr durch den Kfz-Verkehr hinausgeht. Daher muss die Verkehrssituation des betreffenden Streckenabschnitts unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, ob der Eintritt eines schädigenden Ereignisses, d.h. also eine konkrete Verkehrsgefahr, hinreichend wahrscheinlich ist.[50]

 

Rz. 33

Insbesondere ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn eine nach verkehrsärmeren und verkehrsreichen Zeiten differenzierende Verkehrsregelung als mildere Maßnahme nicht getroffen wurde, weil die durch entsprechend differenzierte Anordnungen eintretende Verwirrung der Verkehrsteilnehmer als unvertretbar angenommen wurde. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die zur Lösung des Problems zwar tauglichen radargesteuerten Verkehrsleitsysteme mit Blick auf die erheblichen Kosten dieser Systeme nicht eingesetzt werden.[51] Das BVerwG hat dabei die Vorinstanz[52] bestätigt.[53]

 

Rz. 34

Parkraumbewirtschaftung: Maßnahmen der Verkehrsbeschränkung sind durch die Ermächtigung des § 45 Abs. 1 S. 1 StVO dann gedeckt, wenn sie zum Zwecke der Wiederherstellung oder Verbesserung der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs in innerstädtischen Ballungsgebieten geeignet und erforderlich sind[54] und wenn die Beeinträchtigung über das normale und unvermeidliche Maß ständiger Gefahren durch Kfz-Verkehr hinausgeht.

 

Rz. 35

Hat die Behörde nach eingehenden Untersuchungen und Analysen die erhebliche Beeinträchtigung der Leichtigkeit des Verkehrs durch die Überlastung der bestimmter Zonen mit Parkplatz suchenden Verkehrsteilnehmern zum Anlass genommen, in das Verkehrsgeschehen im Wege einer Parkraumbewirtschaftung durch Errichtung von Sonderparkzonen einzugreifen, so ist dies ermessensfehlerfrei.[55] Dabei ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 46...

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