A. Wirksamkeit durch Bekanntgabe – Bekanntgabe durch Aufstellen des Verkehrsschildes

 

Rz. 1

Der VA wird gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.[1] Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen Vorschriften der StVO durch Aufstellen des Verkehrsschildes.[2] Dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe.[3]

 

Rz. 2

§ 45 Abs. 4 Hs. 1 StVO regelt dabei zunächst, dass die Behörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Ausnahmen benennt § 45 Abs. 4 letzter Hs. StVO. Er ermöglicht in diesem Umfang eine abweichende Form der Bekanntgabe. Danach dürfen die Behörden den Verkehr in den Fällen des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO (also bei Maßnahmen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit) regeln und lenken, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden können, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Ansonsten bleibt es bei der Regel des § 45 Abs. 4 Hs. 1 StVO.[4]

 

Rz. 3

Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, die für jedermann gelten sollen, müssen nämlich auch für alle Verkehrsteilnehmer erkennbar sein, die den betroffenen Streckenabschnitt durchfahren. Dies ist grundsätzlich nur durch standardisierte Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen hinreichend gewährleistet. Dabei müssen sich die Verkehrsteilnehmer auch auf die Vollständigkeit dieser Regelungen verlassen können. Dass Verkehrsteilnehmer, gerade auch ortsfremde Verkehrsteilnehmer, von einer nur in örtlichen Bekanntmachungsblättern und Zeitungen bekannt gegebenen Regelung ausreichend Kenntnis erlangen könnten, ist lebensfremd.[5]

 

Rz. 4

Sind danach Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon "mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann,[6] so entfalten sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.[7] Das gilt unabhängig davon, ob die Bekanntgabe in Form starrer Verkehrszeichen erfolgt oder mit Hilfe der Anzeige über Streckenbeeinflussungsanlage oder Prismenwender.[8]

 

Rz. 5

Dies entspricht insgesamt der Wirkung vergleichbarer anderer öffentlicher Bekanntmachungen (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 15 Abs. 3 S. 2 und S. 3 VwZG und § 74 Abs. 5 VwVfG)[9] und steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerwG,[10] wonach ein Verkehrsteilnehmer von dem VA erst dann betroffen wird, "wenn er sich (erstmalig) der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht".[11] Mit dieser Formulierung sollte nämlich, wie der Kontext der Entscheidung ergibt, nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Wirksamkeit des Verkehrszeichens von der subjektiven Kenntnisnahme des Verkehrsteilnehmers abhängt. Kern der Aussage des BVerwG ist allein, dass es sich hier um eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe handelt. Diese kann von der Wirkung anderer Formen öffentlicher Bekanntgabe durchaus abweichen.[12] Hier bedeutet dies z.B., dass mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz) mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens und der damit verbundenen spezialgesetzlich geregelten Bekanntgabe nicht bereits die Anfechtungsfrist gegenüber jedermann zu laufen beginnt. Diese Anfechtungsfrist wird vielmehr erst dann ausgelöst, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht.[13]

 

Rz. 6

Das bedeutet zunächst einmal, dass die durch das Verkehrszeichen getroffene Anordnung für den Verkehrsteilnehmer dann verbindlich wird, wenn er in den Wirkungsbereich des Verkehrszeichens gelangt und wenn er es wahrnehmen kann.[14]

 

Rz. 7

Auch bloß rechtswidrige Verkehrsregelungen sind wirksam (§ 43 Abs. 2 VwVfG) und damit zu beachten. Nur nichtige Regelungen sind unbeachtlich (§ 44 VwVfG; insgesamt vgl. dazu § 39 Rdn 96 ff.).

 

Rz. 8

§ 45 Abs. 4 Hs. 1 StVO regelt aber nur die Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen gegenüber Verkehrsteilnehmern, nicht aber gegenüber den Straßenanliegern zwingend.[15] Will die Straßenverkehrsbehörde sicherstellen, dass eine verkehrsregelnde Allgemeinverfügung, die durch Aufstellung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen an die Verkehrsteilnehmer bekannt gegeben werden soll, allen Straßenanliegern bekannt wird, so hat sie die Möglichkeit, zusätzlich zu der Bekanntgabe nach § 45 Abs. 4 Hs. 1 StVO, bestimmten betroffenen Einzelpersonen nach § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG den VA auch individuell bekannt zu geben. § 45 Abs. 4 StVO regelt nämlich lediglich die Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen gegenüber Verkehrsteilnehmern abschließend, so dass der Rückgriff auf die subsidiäre Bestimmung des § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG für die Bekanntgabe gegenüber Straßenanliegern möglich bleibt. § 45 Abs. 4 StVO ist eine Ausprägung des Sichtbarkeitsprinzips (vgl. Rdn 9 ff.). Gegenüber Straßenanliegern, die...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge