Rz. 103

Das Verhältnis zwischen Erbstatut und Güterrechtsstatut kann im Rahmen der Nachlassabwicklung mit internationalem Bezug problembehaftet sein. Schließlich findet im Erbfall sowohl im Erb- als auch im Güterstatut die Verteilung von Vermögen statt. Stimmen Erbstatut und Güterstatut überein, unterliegen also derselben Rechtsordnung, so kommt es im Rahmen der Nachlassabwicklung in aller Regel zu keinen Problemen. Fallen die Statute jedoch auseinander, so ist deren Bestimmung und Abgrenzung unbedingt erforderlich.

Die Bestimmung des Güterstatuts erfolgt nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB. Darüber hinaus kann durch einen Ehevertrag das Güterrechtsstatut gemäß Art. 15 Abs. 2 EGBGB verändert werden. Für den Rest des beweglichen sowie im Ausland belegenen Vermögens sind die Harmonisierungsmöglichkeiten jedoch oft nicht vorhanden.

 

Rz. 104

Sofern das Güterstatut nicht mit dem Erbstatut übereinstimmt, tauchen nach dem Tod eines Ehegatten fast zwangsläufig Probleme insbesondere mit dem Erbrecht des Ehegatten auf. Fast schon klassisch ist die Diskussion betreffend der Einordnung des § 1371 BGB in den Kontext der erbrechtlichen Normen und wann diese Vorschrift bei Sachverhalten mit Auslandsbezug anzuwenden ist.[220]

[220] Umfangreich zur künftigen europäischen Regelung, dem aktuellen Streitstand zur Qualifizierung des § 1371 BGB Süß/Süß, Erbrecht in Europa, § 3 Rn 76–94.

1. Einordnung des § 1371 BGB

 

Rz. 105

Vorherrschend ist, dass § 1371 BGB, obwohl eine mit dem Erbrecht sehr enge Verzahnung besteht, noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist.[221] Dabei ist jedoch beachtlich, dass über § 1371 BGB der schematisierte Zugewinnausgleich, welcher im Güterrecht der Ehegatten seinen Ausgangspunkt hat, erbrechtlich realisiert wird.[222] Unerheblich ist dabei, ob überhaupt tatsächlich ein Zugewinn erwirtschaftet wurde oder nicht. In der Rechtsprechung indes überwogen in den vergangenen Jahren Entscheidungen, nach denen die Erbquoten ausschließlich nach dem Erbstatut bestimmt werden.[223] Weiter befeuert werden dürfte der Streit durch die vor kurzem ergangene Entscheidung des EuGH zur Aufnahme der pauschalen Erhöhung nach § 1371 BGB als weiteres ¼ Erbquote der Ehegattin in einem Europäischen Nachlasszeugnis. Der EuGH hat in diesem Fall die Aufnahme im ENZ "wie selbstverständlich" angenommen und (ggf. zu recht) erbrechtlich qualifiziert.[224]

[221] OLG Stuttgart ZEV 2005, 444, OLG Karlsruhe NJW 1990, 1420, LG Mosbach ZEV 1998, 489 f., OLG München NJW-RR 2012, 1096; BGH FamRZ 2015, 1180; Staudinger/Thiele, Vorbem. zu § 1371 BGB Rn 12, 13.
[222] NK-BGB/Kroiß, § 1931 BGB Rn 36.
[224] EuGH FamRZ 2018, 632, 633 f.

2. Anwendbarkeit des § 1371 BGB bei Auslandsbezug

 

Rz. 106

Es erscheint angebracht, deutsches Güterstatut und ausländisches Erbstatut als kombinationsfähig anzusehen und, soweit erforderlich, einer "anpassenden Reduktion" zu unterziehen.[225] Dies erhöht also den Erbteil des Ehegatten (pauschalierter Zugewinnausgleich) trotz des Umstandes, dass der § 1371 BGB derzeit noch als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist[226] und auch nach Auffassungen im Schrifttum nach Einführung der EuErbVO weiterhin möglich erscheint.[227] Die zuvor erwähnte "anpassende Reduktion" soll immer dann angewandt werden, wenn die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils – nach ausländischem Recht – zu einer höheren Erbquote führt als dies bei der Anwendung deutschen Ehegüter- und Erbrechts der Fall wäre.[228]

 

Rz. 107

Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Impulse von der nunmehr ergangenen Positionierung des EuGH ausgehen werden. Im internationalen Bezug jedenfalls ist die Erhöhung der Erbquote auf zwei Mal ¼ mithin ½ (§§ 1371 und 1931 BGB) beim überlebenden Ehegatten, unter Anwendung deutschen gesetzlichen Erbrechts, jedenfalls keine Schlechterstellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Erbfall. Allein aus rein pragmatischen Gesichtspunkten spricht einiges dafür, im internationalen Erbfall stets von einer erbrechtlichen Qualifizierung auszugehen.

[225] Hohloch/Heckel, in: Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, Kapitel 26 Rn 117.
[226] Palandt/Heldrich, Art 15 EGBGB Rn 26; OLG Hamm IPRax 1994, 49, 51; LG Wuppertal MittRhNotK 1988, 46; LG Mosbach ZEV, 1998, 490, Tersteegen, NotBZ 2005, 351; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 740, 741.
[227] Dutta/Herrler/Dörner, EuErbVO., S. 77 ff.; Dutta, FamRZ 2013, 3; Markowski, ZEV 2014, 121.
[228] OLG Düsseldorf FamRZ 15, 1237; OLG Schleswig NJW 14, 88; Schurig, IPRax 90, 391; Dörner, ZEV 05, 445; Ludwig, DNotZ 05, 590.

3. Exkurs: Die neue Europäische Güterrechtsverordnung EU 2016/1103

 

Rz. 108

Nach Einführung der EuErbVO wurde schnell der Ruf nach einer weiteren Harmonisierung auch im Bereich des Familienrechts laut. Der Rat verabschiedete am 26.6.2016 die Verordnung 2016/1103 "zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands" (EuGüRVO). Diese Verordnung tritt zum 29.1.20...

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