Rz. 27

Unabhängig von der Rechtslage muss zunächst für die Beratungspraxis ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass durch den bloßen Erwerb einer neuen FE das Grundproblem, das zum Entzug der FE im Inland geführt hat, nicht gelöst wird. Selbst wenn nach der Rechtsprechung des EuGH in bestimmten Konstellationen eine EU-Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen mag, so zeigt die Erfahrung, dass die überwiegende Zahl der Führerscheininhaber, denen zuvor etwa wegen Alkoholmissbrauchs oder Drogenmissbrauchs die FE entzogen worden ist, nach relativ kurzer Zeit wegen genau derselben Problematik wieder auffällig werden.

 

Rz. 28

Für Verkehrsauffälligkeiten nach der Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis, die die Fahreignung des Betroffenen in Frage stellen oder ausschließen, gilt nach der Rechtsprechung des EuGH, dass das nationale Fahrerlaubnisrecht anwendbar ist. Art. 8 Abs. 2 der Zweiten Führerschein-Richtlinie bzw. Art. 11 Abs. 3 der Dritten Führerschein-Richtlinie lassen in diesen Fällen die Anwendung der nationalen Vorschriften über den Entzug bzw. die Einschränkung der FE auf den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis zu.[71] Das bedeutet, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Aufklärung der eignungsrelevanten Umstände durch Beibringung einer medizinischen oder medizinisch-psychologischen Untersuchung fordern kann oder muss, bzw. die FE ohne weitere Ermittlungen (§ 11 Abs. 7 FeV) sofort zu entziehen hat mit der Wirkung, dass die ausländische FE nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt (§ 46 Abs. 5 FeV).

 

Rz. 29

Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Auffälligkeit für sich allein bereits Eignungszweifel oder die Fahrungeeignetheit begründet (z.B. Einnahme von "harten" Drogen), sondern auch dann, wenn es für die Begründung von Eignungszweifeln oder der Ungeeignetheit auf eine Summe mehrerer Umstände ankommt und diese Summe nach Erteilung der EU-Fahrerlaubnis erreicht wird. Das ist etwa der Fall bei

wiederholter Alkoholauffälligkeit (§ 13 Nr. 2b FeV),[72]
Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 4 Abs. 3 StVG) (früher: Mehrfachtäter-Punktsystem): hier kommt es auf den Zeitpunkt des Erreichens einer bestimmten Summe von Punkten an,[73]
Auffälligkeiten außerhalb des Punktsystems, die eine Überprüfung der Fahreignung nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4–7 FeV begründen, wobei es darauf ankommt, dass die Schwelle, die Eignungszweifel auslöst, nach Erteilung der FE in einem anderen Mitgliedstaat überschritten wird.[74]
[71] Ausdrücklich EuGH v. 6.4.2006, a.a.O., Rn 38 f.; OVG RLP v. 14.6.2006, zfs 2006, 593; OVG Saarland v. 27.3.2006, zfs 2006, 355 m.w.N.; BayVGH v. 22.2.2007, zfs 2007, 354.
[72] Vgl. BayVGH v. 21.11.2007 – 11 CS 07.1435, juris.
[73] Vgl. BVerwG v. 25.9.2008 – 3 C 3.07, DAR 2009, 46; vom 25.9.2008 – 3 C 34.07, DAR 2009, 104.
[74] VG Augsburg vom 14.5.2008 – Au 3 S 08.495, juris; vgl. EuGH, Beschl. v. 2.12.2010, C-334/09, Rechtssache "Schäffler", NJW 2010, 217.

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