Entzug der Fahrerlaubnis bei ärztlich verordnetem Amphetamin

Die medizinische Behandlung mit einem amphetaminhaltigen Medikament kann zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs durch den Betroffenen unter drogentypischen Ausfallerscheinungen nicht auszuschließen ist.

In einem Eilverfahren hat das VG Koblenz die Entscheidung einer Führerscheinbehörde bestätigt, mit der diese einem Führerscheininhaber die Fahrerlaubnis entzogen hat, weil dieser mit einem amphetaminhaltigen Arzneimittel behandelt wird.

Drogentypische Ausfallerscheinungen bei Personenkontrolle

Im Rahmen eines Polizeieinsatzes war der Betroffene in eine allgemeine Personenkontrolle - also nicht in eine Verkehrskontrolle - geraten. Der Betroffene war zu diesem Zeitpunkt mit einer Begleitperson zu Fuß unterwegs und hielt in seiner Hand einen Fahrzeugschlüssel zu dem ihm gehörenden, in geringer Entfernung geparkten PKW. Während der Personenkontrolle stellten die kontrollierenden Beamten bei dem Betroffenen drogentypische Erscheinungen wie gerötete und wässrige Augen, lichtstarre, geweitete Pupillen sowie Zittern und Unruhe fest.

Entzug der Fahrerlaubnis folgte umgehend

Die Beamten veranlassten darauf eine toxikologische Blutuntersuchung. Diese ergab eine nicht völlig unbedeutende Amphetaminkonzentration im untersuchten Blut. Daraufhin entzog die zuständige Behörde dem Betroffenen die Fahrerlaubnis.

Ärztliche Verordnung eines amphetaminhaltigen Medikaments

Der hiergegen gerichtete Eilantrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb beim VG ohne Erfolg. Der Autofahrer legte dem Gericht eine ärztliche Bescheinigung vor, nach der ihm das Medikament „Elvanse“ zur dauernden Einnahme verordnet wurde. Dieses enthält einen amphetaminhaltigen Wirkstoff und wird vornehmlich zur Behandlung von ADHS-Patienten eingesetzt.

Kein behördliches Ermessen beim Entzug der Fahrerlaubnis

Nach der Entscheidung des VG ist die Tatsache der ärztlichen Verordnung eines Amphetamins für die Frage der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht entscheidend. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach sei die Verwaltungsbehörde zum Entzug der Fahrerlaubnis verpflichtet, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.

Privilegierung von Cannabiskonsumenten

Das VG verwies zunächst auf Nr. 9 I der Anlage 4 zur FeV, wonach die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BTMG grundsätzlich verneint wird. Für Cannabis gelte dabei die Besonderheit, dass bei gelegentlicher Einnahme die Fahreignung bejaht werden kann, wenn der Betroffene in der Lage ist zwischen Konsum und Fahren klar zu trennen, d.h. er sich unter dem Einfluss des Rauschmittels grundsätzlich nicht ans Steuer setzt.

Fahreignung bei medizinisch indizierter BTM-Einnahme nicht immer ausgeschlossen

Für die ärztlich verordnete Dauerbehandlung mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln gelten darüber hinaus die Sondervorschriften der Nr. 9.6.2. der Anlage 4 zur FeV. Danach kann die Fahreignung einer Person, die mit einem amphetaminhaltigen Arzneimittel behandelt wird, unter bestimmten Voraussetzungen entgegen der allgemeinen Regelung angenommen werden, wenn 

  • die Einnahme des betäubungsmittelhaltigen Arzneimittels medizinisch indiziert und ärztlich verordnet ist, 
  • der Betroffene das Arzneimittel zuverlässig exakt nach ärztlicher Verordnung einnimmt, 
  • keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Betroffenen festzustellen sind, 
  • die Grunderkrankung und deren Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweisen, 
  • der Betroffene charakterlich die Gewähr dafür bietet, kein Kraftfahrzeug zu führen, wenn er selbst negative Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation auf seine Fahrtüchtigkeit bemerkt.

Starke Anzeichen für Kontrollverlust

Bei der Bewertung des konkreten Falls maß das Gericht den von den Polizeibeamten festgestellten Ausfallerscheinungen des Antragstellers eine erhebliche Bedeutung bei. Die lichtstarren und erweiterten Pupillen, das Zittern und die Unruhe seien starke Anzeichen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Kontrolle unter drogentypischen Beeinträchtigungen litt. Der Fahrzeugschlüssel in seiner Hand lasse darüber hinaus den Schluss zu, dass er kurz zuvor trotz dieser Beeinträchtigungen mit seinem Kraftfahrzeug gefahren war, er also nicht die volle Kontrolle über sein Verhalten hatte.

Gefahr übersteigerter Selbstwahrnehmung

Das Gericht berücksichtigte in seiner Entscheidung darüber hinaus, dass auch nach der aus dem Gesetz ersichtlichen Wertung der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass allein die Gefahr des Kontrollverlustes infolge der Einnahme harter Drogen - zu denen auch Amphetamine gehören - grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Betroffene sich ans Steuer eines Kraftfahrzeugs setzen, nicht zuletzt auch infolge der stimulierenden Wirkung des Amphetamins und eines subjektiv entstehenden, mit der Realität nicht übereinstimmenden Eindrucks besonderer Leistungsfähigkeit und hoher Konzentrationsfähigkeit.

Möglichkeit des Medikamentenmissbrauchs muss geklärt werden

Im übrigen betonte das VG, dass eine nähere Beschäftigung mit den aufgetretenen Fragen dem Hauptverfahren vorbehalten werden müsse. Insbesondere bedürfe es für eine endgültige Entscheidung der Klärung der Frage, ob der Antragsteller das ihm verschriebene Medikament exakt entsprechend der ärztlichen Verordnung einnimmt oder ob die aufgetretenen Ausfallerscheinungen möglicherweise mit einer übermäßigen Einnahme und damit einem Medikamentenmissbrauch zusammenhängen.

Entzug der Fahrerlaubnis im Eilverfahren bestätigt

Im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren konnte nach Auffassung des Gerichts nicht ausgeschlossen werden, dass eine dem Eilantrag stattgebende Entscheidung mit erheblichen Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs verbunden sein könnte. Der Eilantrag blieb daher ohne Erfolg.

(VG Koblenz, Beschluss v. 19.5.2022, 4 I 455/22)


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