Rz. 48

In Art. 31 EuErbVO ist die Anpassung dinglicher Rechte geregelt, für den Fall, dass das Recht des Mitgliedstaates, in welchem das Recht geltend gemacht wird, das dingliche Recht nicht kennt. Für diesen Fall soll eine Anpassung des dinglichen Rechts an die Rechtsordnung des Mitgliedstaates mit dem am ehesten vergleichbaren Recht erfolgen. Damit soll dem sachenrechtlichen numerus clausus des Lageorts Rechnung getragen werden.[109] Besonders praxisrelevant war Art. 31 EuErbVO bei sogenannten Vindikationslegaten (legatum per vindicationem – Erwerb kraft Bestimmung durch den Erblasser).[110] Ursprünglich ging insbesondere die Bundesregierung davon aus, dass sich gem. Art. 1 Abs. 2 lit. k EuErbVO das deutsche Sachenrecht gegen ein ausländisches Erbstatut durchsetzen werde, welches einem Stückvermächtnis unmittelbar dingliche Wirkung verleiht.[111] Dieses Ansinnen hat der EuGH jedoch in seiner Entscheidung im Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16[112] (Kubicka Entscheidung) vollständig abgeräumt. In der vorbezeichneten Entscheidung hat der EUGH nämlich klargestellt, dass die Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkung des Vindikationslegats unzulässig ist, wenn die Ablehnung allein auf der Begründung beruht, dass dieses Vermächtnis das Eigentum an einer Immobilie betrifft, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Rechtsordnung das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung im Zeitpunkt des Erbfalls nicht kenne (Rn 67 EUGH C-218/16). Mithin sind Vindikationslegate nicht nur im Europäischen Nachlasszeugnis aufzuführen, sondern auch, bei Vorlage des ENZ, durch die Grundbuchämter unmittelbar zu beachten.[113] Für eine Umdeutung nach Art. 31 EuErbVO verbleibt damit in Zukunft wohl kein Raum mehr, da sich der Eigentumsübergang außerhalb des Grundbuchs vollzieht.[114] Dabei betont der EuGH jedoch stets, dass er den numerus clausus der jeweiligen nationales Sachenrechte nicht anfasse; vielmehr sei das Vermächtnis mit unmittelbar dinglicher Wirkung nicht Gegenstand des Sachenstatuts, sondern des Erbstatuts. Wichtig ist jedoch, dass auch beim Vorliegen eines Vindikationslegates ein genügender Nachweis gem. § 35 GBO zu erbringen ist. Dies kann beispielsweise durch ein Europäisches Nachlasszeugnis geschehen.[115]

 

Rz. 49

Eine weitere Auswirkung der Entscheidung des EUGH (Kubicka C-218/16) dürfte sich in der Anerkennung ausländischer Ehegattennießbräuche ergeben. Unter anderem in Frankreich,[116] Spanien, Italien und Ungarn wird der überlebende Ehegatte mit einem Nießbrauch an bestimmten Aktiva des Nachlasses ausgestattet (sämtlicher Hausrat, vollständige Wohnungseinrichtung, die Ehewohnung in seiner Gesamtheit als solches). Allerdings kennt das deutsche Sachenrecht nur die Bestellung eines Nießbrauchsrechts an einzelnen Vermögensgegenständen, nicht jedoch die Bestellung eines Nießbrauchs an einer Gesamtheit von Vermögensgegenständen.[117] Dennoch wird man, unter Zugrundlegung der Entscheidung des EUGH vom 12.10.2017, akzeptieren müssen, dass diese Nießbräuche auch in Deutschland unmittelbar dinglich wirken und auch darüber hinaus in einem Europäischen Nachlasszeugnis mit aufzuführen sind.[118]

 

Rz. 50

 

Beispiel

Ein in Deutschland lebender Testator, welcher ausschließlich die französische Staatsbürgerschaft besitzt, errichtet in Deutschland ein Testament, wobei er eine Rechtswahl zugunsten des Rechts seines Heimaltlandes trifft. Da er nur in Frankreich über Immobilienvermögen verfügt, lässt er dies im Wege eines Vindikationslegates seinem Enkel zukommen. Im Übrigen bedenkt er seine in Deutschland lebende Ehefrau und Sohn als Erben zu gleichen Teilen. Nach dem Ableben des Erblassers möchte der Enkel nunmehr ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen. Das Vindikationslegat wirkt unmittelbar dinglich und findet Erwähnung im ENZ, auch wenn es von einem deutschen Nachlassgericht erteilt wurde. Ausgestattet mit diesem kann er direkt Eigentümer der Immobilie werden. Eines Zutuns der Erben bedarf es nicht mehr. Die Vorlage des ENZ als einzige Legitimation genügt, um den Vermächtnisnehmer im französischen Gebäudekataster einzutragen.

[109] Grüneberg/Thorn, Art. 31 EuErbVO Rn 1.
[110] Hertel, in Würzburger Notarhandbuch, Teil 7 Kap. 3 Rn 120.
[111] BR-Drucks 644/14, 54 gefunden in Süß/Süß, Erbrecht in Europa, § 3 Rn 116.
[112] NJW 2017, 3767, DNotZ 2018, 33.
[113] Zu den daraus folgenden Problemen im deutschen Grundbuchverfahren und dem Anpassungsbedarf der GBO: Dorth, ZEV 2018, 11.
[114] Burandt/Rojahn/Schmuck, Erbrecht, Art. 31 EuErbVO Rn 3.
[115] Burandt/Rojahn/Schmuck, Erbrecht, Art. 31 EuErbVO Rn 4.
[116] OLG Saarbrücken ZEV 2019, 640 m.krit. Anm. Leitzen; auch kritisch Litzenburger, FD-ErbR 2019, 418921.
[117] Grüneberg/Herrler, § 1030 BGB Rn 1.
[118] Süß/Süß, Erbrecht in Europa, § 3 Rn 124–127.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge