Rz. 176

Eine vom Nennbetrag abweichende Bewertung ist aber für Fälle vorgesehen, in denen besondere Umstände vorliegen, die der Forderung bzw. Verbindlichkeit immanent sind.[230] Hierbei handelt es sich neben den in § 12 Abs. 2 (Uneinbringlichkeit) und Abs. 3 (Unverzinslichkeit) explizit geregelten Fällen insbesondere um das Vorliegen einer niedrigen oder hohen Verzinsung und einen Ausschluss der Kündbarkeit für einen längeren Zeitraum.[231]

 

Rz. 177

Von einer niedrigen Verzinsung ist auszugehen, wenn der jährliche Zinssatz unter 3 v.H. liegt;[232] eine hohe Verzinsung wird angenommen, wenn der Zinssatz 9 v.H. p.a. übersteigt.[233] Die Niedrig- bzw. Hochverzinslichkeit muss langfristig ausgerichtet sein. Bei (Rest-)Laufzeiten von weniger als vier Jahren sind Unter- bzw. Überschreitungen des genannten Zinskorridors daher unbeachtlich.[234] Eine Laufzeit von mehr als vier Jahren kann nur dann angenommen werden, wenn diese vor dem Stichtag für die konkrete Forderung vereinbart wurde.[235]

Allgemein stellt sich die Frage, ob in Niedrigzinsphasen, in denen das allgemeine Zinsniveau am Geldmarkt eine Verzinsung von 3 % p.a. nicht oder nur eingeschränkt zulässt, durch den Nachweis eines niedrigeren Marktzinses ein Ansatz von Verbindlichkeiten unter dem Nennbetrag vermieden werden kann.[236] Die gleich lautenden Ländererlasse vom 10.10.2010[237] sehen insofern keine entsprechenden Beurteilungs- bzw. Anpassungsspielräume vor. Auch der BFH ist hinsichtlich des Nachweises eines niedrigeren zugrunde zu legenden Zinses durch den Steuerpflichtigen äußerst restriktiv und stellt insoweit hohe Anforderungen.[238] Im Bereich des Einkommensteuerrechts wird dies aber teilweise anders gesehen.[239]

 

Rz. 178

Der sich aus einer niedrigen bzw. hohen Verzinsung ergebende Wertab- bzw. -aufschlag wird durch Kapitalisierung des jeweiligen Zinsverlustes bzw. Zinsgewinns für den Zeitraum vom Stichtag bis zur möglichen Kündigung bzw. Fälligkeit der zu beurteilenden Forderung ermittelt.[240] Der jeweilige Zinsgewinn bzw. -verlust wird zusätzlich zum eigentlichen Nennbetrag der Kapitalforderung berücksichtigt.[241] Eine entsprechende Abzinsung ist auch bei betagten Forderungen vorzunehmen.[242]

Uneinbringliche Forderungen sind beim Gläubiger gem. § 12 Abs. 2 BewG nicht anzusetzen. Von einer uneinbringlichen Forderung ist auszugehen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist oder wenn eine grundpfandrechtlich gesicherte Forderung im Rahmen der Zwangsversteigerung ausgefallen ist. Auch verjährte Forderungen können als uneinbringlich anzusehen sein.[243] Grundsätzlich ist die Frage aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Maßgebliche Kriterien sind dabei in erster Linie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des jeweiligen Schuldners.[244]

 

Rz. 179

Unverzinsliche, befristete Kapitalforderungen und Schulden sind gem. § 12 Abs. 3 BewG nicht mit ihrem Nennbetrag, sondern mit ihrem Gegenwartswert anzusetzen. Dieser ergibt sich als Differenz von Nennbetrag und Zwischenzinsen (unter Berücksichtigung von Zinseszinsen), wobei ein Zinssatz von 5,5 v.H. p.a. zugrunde zu legen ist.[245] Voraussetzung für die Durchführung der Abzinsung ist neben der Unverzinslichkeit lediglich, dass am Stichtag eine noch verbleibende Mindestlaufzeit von mehr als einem vollen Jahr besteht. Bei einer Laufzeit bis zu einem Jahr findet eine Abzinsung nicht statt.[246] Eine Kapitalforderung, die jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, hat keine Laufzeit i.S.v. § 12 BewG. Sie ist deshalb stets ohne Rücksicht auf die Höhe des vereinbarten Zinssatzes mit dem Nennbetrag anzusetzen.[247]

[231] "Mindestens vier Jahre" vgl. R B 12.1 Abs. 2 ErbStR 2019.
[232] Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 12 Rn 10.
[233] R B 12.1. Abs. 2 ErbStR 2019.
[234] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 100.
[235] Die Einräumung eines Rahmenkredits mit wechselnder Höhe reicht hierfür nicht aus, vgl. FG Münster v. 22.7.1999 – 3 K 6176/96 VSt, EFG 2000, 43, rkr.
[236] Früher war dies durchaus möglich, vgl. FinMin Baden-Württemberg v. 20.1.2000, ZEV 2000, 102; FinMin NRW v. 14.2.2000 – S 3811 – 15 – V A 2, BB 2000, 552.
[237] BStBl I 2010, 810 Tz. 1.2. und 1.2.2.
[239] Vgl. hierzu FG Münster v. 9.7.2010 – 9 K 1213/09, EFG 2010, 2007, m. Anm. Kuhfus; zur Vereinbarkeit von § 6a Abs. 3 S. 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vgl. FG Köln v. 12.10.2017 – 10 K 977/17, EFG 2018, 287, vorgelegt an BVerfG (– 2 BvL 22/17); vgl. hierzu auch Eilers, Ubg 2018, 65.
[240] Zum Berechnungsmodus vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 10.10.2010, BStBl I 2010, 810, Tz. 1.2.2.
[241] BFH v. 17.10.1980 – III R 52/79, BStBl II 1981, 247; wegen der Berechnung vgl. auch Erlasse vom 7.12.2001, BStBl I 2001, 1041.
[243] Vgl. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 12 Rn 14.

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