Rz. 813

Eine Sozialauswahl hat auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zu erfolgen (BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, NJW 87, 1662; BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 89 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl); zur Änderungskündigung allgemein (vgl. § 25 Rdn 1 ff.), zum sog. Vorrang der Änderungskündigung (vgl. auch Rdn 618). Dies folgt aus der Verweisung von § 2 S. 1 KSchG auf § 1 Abs. 1 und 2 KSchG.

 

Rz. 814

Für die Frage nach der in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer kommt es bei einer Änderungskündigung nicht nur darauf an, ob die betreffenden Arbeitnehmer nach ihren bisherigen Tätigkeiten miteinander verglichen werden können und damit auf den Arbeitsplätzen, die sie bislang innegehabt haben, austauschbar sind. Hinzukommen muss, dass diese Arbeitnehmer auch für die Tätigkeit, die Gegenstand des Änderungsangebotes ist, wenigstens annähernd gleich geeignet sind. Die Austauschbarkeit muss sich also auch auf den mit der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz beziehen (BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, NJW 1987, 1662; BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 89 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl).

 

Rz. 815

Auf der Grundlage der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 1 Abs. 3 KSchG ging das BAG davon aus, dass – anders als bei einer Beendigungskündigung – bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung die Sozialauswahl nicht an der Prüfung auszurichten sei, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen werde. Bei einer ordentlichen Änderungskündigung stehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt angenommen habe oder nicht, die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes im Vordergrund. Deshalb sei bei der sozialen Auswahl primär darauf abzustellen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirke. Es sei vor allem zu prüfen, ob der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie in sozialer Hinsicht eher zumutbar gewesen wäre (so noch BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 89 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl).

 

Rz. 816

Deshalb müsse sich die Abwägung auch und vornehmlich daran orientieren, welchem Arbeitnehmer eine Umstellung auf die neue Tätigkeit nach seiner Vorbildung und seinen persönlichen Eigenschaften leichter oder schwerer fällt. Hier könnten Eigenschaften wie Wendigkeit, schnelle Auffassungsgabe, Anpassungsfähigkeit und Gesundheitszustand von Bedeutung sein. Alle diese Umstände, die jeweils ein verschiedenes Gewicht haben könnten, flössen in die Sozialauswahl ein und seien gegeneinander abzuwägen (BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 89 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl).

 

Rz. 817

Nachdem § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG seit dem 1.1.2004 als Kriterien der Sozialauswahl nur noch das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Unterhaltspflichten sowie die Schwerbehinderung nennt, ist zweifelhaft, inwieweit die bisherige Rspr. des BAG insoweit aufrechterhalten werden kann (vgl. im Allgemeinen zur Berücksichtigung von Kriterien, die nicht in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannt sind, siehe Rdn 764 ff.).

 

Rz. 818

Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass die bisher vom BAG zugrunde gelegten Kriterien Wendigkeit, schnelle Auffassungsgabe, Anpassungsfähigkeit und Gesundheitszustand jedenfalls nicht mehr maßgeblich sein können, es sei denn, sie würden in die gesetzlichen Grundkriterien einfließen (KR/Rost, § 2 KSchG Rn 103b). Diese Auffassung folgt damit im Prinzip der Ansicht, die eine Berücksichtigung von weiteren Kriterien neben den gesetzlichen Grundkriterien für zulässig hält (vgl. hierzu KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 678 l; vgl. im Einzelnen zu dieser Problematik auch Rdn 768 ff.). Jedenfalls müsste aber die Abwägung der gesetzlichen Grundkriterien nach wie vor am Ziel der Änderungskündigung ausgerichtet bleiben (KR/Rost, § 2 KSchG Rn 103b). So könnten bspw. Unterhaltspflichten nur dann eine Rolle spielen, wenn mit der Änderung der Arbeitsbedingungen finanzielle Einbußen verbunden seien (KR/Rost, § 2 KSchG Rn 103b). Wolle der Arbeitgeber mit der Änderungskündigung hingegen eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz erreichen, könne wiederum dem Lebensalter verstärkte Bedeutung zukommen, weil einem älteren Arbeitnehmer die Umstellung auf eine andere Tätigkeit schwerer falle als einem jüngeren (KR/Rost, § 2 KSchG Rn 103b).

 

Rz. 819

Das BAG hat indes ausgeführt, es spiele im Hinblick auf eine Änderungskündigung keine maßgebliche Rolle, ob ein Arbeitnehmer das für den Arbeitsmarkt wichtige Alter von 50 Jahren überschritten habe. Die Änderungskündigung solle gerade nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 89 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Änderungskündigung tatsächlich auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann.

 

Rz. 820

 

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