I. Dem Nacherben gegenüber unwirksame Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

 

Rz. 90

Gläubiger des Vorerben können aus einem gegen den Vorerben erwirkten Vollstreckungstitel in den Nachlass die Zwangsvollstreckung betreiben. Dies gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob die betreffende Verbindlichkeit eine Nachlassverbindlichkeit oder eine Eigenverbindlichkeit des Vorerben ist. Aber der Nacherbe soll letztlich nicht für die Verbindlichkeit eines Dritten – hier des Vorerben – haften. Diesem Anliegen wird § 2115 BGB gerecht.

 

Rz. 91

Danach ist eine in der Zwangsvollstreckung oder in Vollziehung eines Arrestes gegen den Vorerben getroffene Verfügung absolut unwirksam, soweit die Rechtsstellung des Nacherben beeinträchtigt wird und nicht eine der in § 2115 S. 2 BGB genannten Ausnahmetatbestände vorliegt:[85]

(1) Zulässig ist die Vollstreckung durch einen Nachlassgläubiger. Denn der Nachlass haftet auch mit Wirkung gegenüber dem Nacherben für Nachlassverbindlichkeiten. Darunter fallen auch Nachlassverbindlichkeiten in der Variante der Nachlasserbenschuld, die zugleich Eigenverbindlichkeiten des Vorerben sind, weil sie aus Verwaltungshandeln des Vorerben herrühren (§ 2120 BGB).
(2) Wirksam sind auch Zwangsverfügungen, die aufgrund eines an einem Nachlassgegenstand wirksam bestellten Rechts, bspw. eines Grundpfandrechts, durchgeführt werden. Hierunter fallen nicht nur die von dem Erblasser, sondern ebenso die von dem Vorerben mit Wirkung gegen den Nacherben an Nachlassgegenständen begründeten Rechte.
[85] Steinbacher in Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare Erbrecht, § 14 Rn 229 ff.

II. Die klageweise Geltendmachung der Rechte des Nacherben

 

Rz. 92

Ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, soll gem. § 773 ZPO nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 BGB dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. Der Nacherbe kann nach Maßgabe des § 771 ZPO eine Drittwiderspruchsklage erheben, § 773 ZPO.

Nur für Gläubiger des Vorerben gilt § 773 ZPO. Handelt es sich um den Titel eines Nachlassgläubigers oder um ein auch dem Nacherben gegenüber wirksames Recht an einem Nachlassgegenstand, so bleibt die Verfügung auch mit dem Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben gegenüber wirksam (§ 2115 S. 2 BGB), womit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2115 S. 1 BGB nicht gegeben sind.

 

Rz. 93

Nach § 773 S. 2 ZPO kann der Nacherbe gem. § 771 ZPO Widerspruch erheben. Mehrere klagende Nacherben sind einfache, nicht notwendige Streitgenossen, weil vor dem Nacherbfall unter ihnen noch keine Erbengemeinschaft besteht.[86]

III. Der Nacherbe als Beteiligter im Zwangsversteigerungsverfahren

 

Rz. 94

Der Nacherbe ist gem. § 9 Nr. 1 ZVG von Amts wegen am Verfahren zu beteiligen. Ist die Person des Nacherben – noch – nicht bekannt, dürfte für eine Beteiligung am Verfahren die Bestellung eines Zustellungsvertreters nach § 6 ZVG nicht ausreichen, vielmehr bedarf es der Bestellung eines Pflegers nach § 1913 BGB (für unbekannte Beteiligte), die durch das Familiengericht erfolgt, nachdem es vom Versteigerungsgericht informiert worden ist (§ 22a FamFG). Der so bestellte Pfleger hat die Rechte des Nacherben wahrzunehmen. Zustellungen und Benachrichtigungen im Verfahren erfolgen an ihn.[87]

[87] Klawikowski, Rpfleger 1998, 100.

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