a) Grundlagen

 

Rz. 36

In Fällen mit Auslandsberührung richtet sich die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem Recht, das nach der VO 1259/10 ("Rom III") für die Scheidung maßgeblich ist (§ 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Dagegen kommt es nicht darauf an, welches Recht auf die Scheidung tatsächlich angewendet worden ist, wenn die Scheidung bereits vorausgegangen ist. Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB bezieht sich eindeutig auf das anzuwendende, nicht das angewendete Recht.[22] Daran hat sich auch nach der Novellierung nichts geändert. Zweifelhaft ist, wie dann zu verfahren ist, wenn das auf die Scheidung anzuwendende Recht gar nicht nach der VO 1259/2010 zu bestimmen ist, weil diese Frage nach einer Rechtsquelle zu beurteilen ist, die dieser Verordnung vorgeht. Betroffen von dieser Konstellation ist der Fall des deutsch-persischen Niederlassungsübereinkommens von 1929. Dieses ist die einzige Rechtsquelle, die der VO 1259/2010 vorgeht (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO 1259/2010). Letztlich wird aber auch in diesem Fall das auf die Scheidung anwendbare Recht durch diese Rechtsquelle (mit) bestimmt, denn dessen Kollisionsnormen bestimmen auch das Verhältnis zum deutsch-persischen Niederlassungsübereinkommen. Findet dieses auf die Scheidung Anwendung, gilt es deswegen auch für die Bestimmung des auf den Versorgungsausgleich anwendbaren Rechts.

 

Rz. 37

Welches Recht das ist, richtet sich danach, ob die Eheleute eine Rechtswahl nach Art. 5 VO 1259/2010 getroffen haben, bzw. danach, welches Recht nach Art. 8 VO 1259/2010 für die Scheidung der Ehe maßgebend ist. Grundsätzlich nicht einschlägig ist dagegen § 102 Nr. 2 FamFG; denn diese Vorschrift regelt nur die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entscheidung einer Versorgungsausgleichssache (dazu siehe unten § 11 Rdn 43 ff.). Diese kann nur ausnahmsweise für das anwendbare Recht Bedeutung haben, wenn als letzte Hilfsanknüpfung das Recht des Gerichtsorts berufen ist (siehe Rdn 69).

 

Rz. 38

Die Regelungen der VO 1259/2010 sind Sachnormverweisungen, verweisen also bezüglich des auf die Scheidung anzuwendende Recht direkt in das materielle Recht der berufenen Rechtsordnung, ohne dass es auf das Internationale Privatrecht dieses Staates ankäme (vgl. Art. 11 VO 1259/2010. Einen renvoi bezüglich des auf die Scheidung anzuwendende Recht gibt es nicht mehr. Dagegen ist die Verweisung in Art. 17 Abs. 3 EGBGB eine Gesamtnormverweisung, verweist also hinsichtlich des Versorgungsausgleichs zwar auf die durch die VO 1259/2010 für die Scheidung berufene Rechtsordnung, aber unter Einschluss von deren Internationalen Privatrecht (Gesamtnormverweisung, zu Einzelheiten siehe unten Rdn 79).

[22] OLG Zweibrücken NJW 2000, 2432.

b) Anwendbares Recht bei Rechtswahl

 

Rz. 39

Als Neuerung lässt die VO 1259/2010 zum ersten Mal in ihrem Art. 5 für das auf die Scheidung anzuwendende Recht eine Rechtswahl zu, beschränkt aber die wählbaren Rechte auf einige wenige. Über Art. 17 Abs. 3 EGBGB bestimmt diese Rechtswahl dann auch das auf den Versorgungsausgleich anzuwendende Recht.

 

Rz. 40

Gewählt werden können:

das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 5 Buchst. a VO 1259/2010), oder
das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5 Buchst. b VO 1259/2010), oder
das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt (Art. 5 Buchst. c VO 1259/2010), oder
das Recht des Staates des angerufenen Gerichts (Art. 5 Buchst. d VO 1259/2010).
 

Rz. 41

Die wählbaren Rechte sind gleichrangig. Die Ehegatten können sich also von den in Betracht kommenden Rechten eines aussuchen. Bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt kommt es darauf an, wo der Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen liegt. Es kommt also auf den dauerhaften oder zumindest als dauerhaft geplanten Lebensmittelpunkt an. Dieser kann ggf. sehr schwer zu ermitteln sein, wenn die unterschiedlichen Beziehungen in verschiedene Länder verweisen (siehe dazu unten, Rdn 51 ff.). Einen Mangel der Regelung bildet es, dass nicht das Recht eines künftigen gewöhnlichen Aufenthaltes gewählt werden kann – und zwar selbst dann nicht, wenn die Ehegatten wissen, dass sie sich dort demnächst gewöhnlich aufhalten werden. Die Rechtswahl wird auch nicht dadurch wirksam, dass die dort dann ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen (dann greift aber – zumindest solange dieser gewöhnliche Aufenthalt besteht – die Aufenthaltsanknüpfung des Art. 8 Buchst. a VO 1259/2010 ein).

 

Rz. 42

Kommt es auf die Staatsangehörigkeit an und besitzt ein Ehegatte mehrere Staatsangehörigkeiten, kann jedes der Rechte gewählt werden, deren Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, der einen Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit vor anderen Staatsangehörigkeiten statuiert, gilt nicht, denn der deutsche Gesetzgeber k...

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