Rz. 51

Primär richtet sich das auf die Scheidung (und damit auch auf den Versorgungsausgleich anzuwendende Recht nach dem Recht des Staates, in welchem die Ehegatten beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 8 Buchst. a VO 1259/2010). Es muss sich nicht um einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt handeln; es reicht, dass beide in einem Staat leben.

 

Rz. 52

 

Beispiel

Die beiden in Frankreich lebenden Deutschen M und seine Frau F wollen sich scheiden lassen. Scheidungsstatut ist in diesem Fall das französische Recht, weil beide Ehegatten beide Ehegatten dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 8 Buchst. a VO 1259/2010). Nach diesem Recht richtet sich dann auch der Versorgungsausgleich und findet deswegen in Deutschland grds. nicht von Amts wegen statt. Erforderlich ist vielmehr unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ein Antrag mindestens eines der Ehegatten.

 

Rz. 53

 

Beispiel

Der Türke M und die Russin F wollen sich in Frankfurt scheiden lassen, wo sie die letzten zehn Jahre gelebt haben. Eine Rechtswahl haben sie nicht getroffen. In diesem Fall ist das auf die Scheidung anzuwendende Recht nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute in Frankfurt deutsches Recht (Art. 8 Buchst. a VO 1259/2010 "Rom III"). Nach deutschem Recht würde sich daher grds. auch der Versorgungsausgleich richten. Gleichwohl findet ein Versorgungsausgleich nur auf Antrag und unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB statt, weil weder das türkische noch das russische Recht einen Versorgungsausgleich kennen.

 

Rz. 54

Bei der Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt kommt es darauf an, wo der Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen der Eheleute liegt. Es kommt also auf den dauerhaften oder zumindest als dauerhaft geplanten Lebensmittelpunkt an. Dieser kann ggf. sehr schwer zu ermitteln sein, wenn die unterschiedlichen Beziehungen in verschiedene Länder verweisen. Gleichwohl hält die herrschende Auffassung daran fest, dass es nur einen gewöhnlichen Aufenthalt geben kann.

 

Rz. 55

 

Beispiel

Das Rentnerehepaar Max und Frieda Meier lebt 8 Monate im Jahr auf Mallorca. Dort sind sie Eigentümer einer Finca und haben ein Konto bei einer örtlichen Bank. In der deutschen Community haben sie viele Freunde. Auch Spanier zählen zu ihrem Bekanntenkreis. In Deutschland verbringen sie die Weihnachtstage und die Zeiten, in denen es ihnen auf Mallorca zu heiß ist. Bei Besuchen in Deutschland erledigen sie auch die notwendigen Arztbesuche. Auch hier haben sie Immobilieneigentum und ein Konto. Welches Recht ein Gericht in diesem Fall auf die Scheidung anwenden würde, ist durchaus zweifelhaft. Es ist nicht auszuschließen, dass ein deutsches Gericht immer noch Deutschland als gewöhnlichen Aufenthaltsort des Paares ansehen würde, ein spanisches aber Spanien – womöglich in dem nachvollziehbaren Bestreben zur Anwendung des jeweils eigenen Rechts zu kommen.

 

Rz. 56

 

Beispiel

Arjen und Silvie Willems sind niederländische Staatsbürger. Sie leben in einem großen Baugebiet bei Nordhorn in Niedersachsen, das ausschließlich von Niederländern bewohnt wird, weil in Deutschland die Grundstückspreise niedriger sind als in den Niederlanden. Sie haben ein Konto in Deutschland und eines in den Niederlanden. Ihre sozialen Kontakte haben sie in ihrer Siedlung und in den Niederlanden. Sie arbeiten beide in den Niederlanden. In diesem Fall ist es nahezu unmöglich, exakt das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes zu bestimmen. Es sprechen ebenso viele Gründe für Deutschland wie für die Niederlande. Wahrscheinlich wird man in einem solchen Fall dem Recht des Wohnortes die größere Bedeutung einräumen.

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