1. Grundsätzliches

 

Rz. 14

Das Ereignis muss von außen auf den Körper einwirken, wobei es gleichgültig ist, ob der Zusammenstoß mechanischer, chemischer, thermischer oder elektrischer Art ist.

 

Beispiele für Unfälle

Die VP wird von einem umfallenden Regal getroffen.
Die VP rennt gegen einen Laternenpfahl.
VP stürzt und verletzt sich durch den Aufprall.

Mit dem Tatbestandsmerkmal werden vornehmlich rein innerorganische Vorgänge vom Unfallbegriff ausgegrenzt.[27] Erleidet also eine VP eine Gesundheitsschädigung, die unmittelbar auf einem Ereignis im Körperinneren beruht, liegt kein Unfall vor, sondern nur ein krankhafter innerer organischer Vorgang.

 

Keine Unfälle sind:

Tödlicher Gehirnschlag aufgrund Gefäßerkrankung.
Herzinfarkt aufgrund Arterienverschlusses
Sog. Spontanbruch bzw. pathologische Fraktur (=Knochenbruch ohne Einwirkung äußerer Gewalt)

Ein rein innerer organischer Vorgang ist auch gegeben, wenn das Ereignis nicht durch ein natürliches, sondern durch ein künstlich ersetztes Körperorgan ausgelöst worden ist[28] (str. vgl. Rn 46 ff.).

 

Rz. 15

Zu beachten ist, dass es für den Unfall allein auf das Ereignis ankommt, welches die geltend gemachte Gesundheitsbeschädigung unmittelbar ausgelöst hat, auch wenn zu Anfang rein körperinnere Vorgänge ursächlich waren.[29]

 

Beispiel

Eine auf innere organische Ursachen beruhende Ohnmacht führt zum Sturz der VP. Durch den Sturz erleidet sie eine Unterschenkelfraktur. Ein Unfall liegt vor, da unmittelbarer Auslöser der Unterschenkelfraktur der Sturz war. Hier kann aber der Ausschlusstatbestand der Ziff. 5.1.1 AUB 08/99, § 2 I S. 1 AUB 94/88, § 3 (4) AUB 61 (Bewusstseinsstörung) eingreifen.

[27] Beckmann-Mangen, § 47 Rn 14; Bruck/Möller-Leverenz, § 178 VVG Rn 40.
[28] OLG Stuttgart v. 22.1.1987 – 7 U 185/86, VersR 1987, 335 (künstliche Herzklappe); Beckmann-Mangen, § 47 Rn 14.

2. Psychisch vermittelte Einwirkung

 

Rz. 16

Auch eine rein psychisch vermittelte Einwirkung soll insbesondere nach der Rechtsprechung zur Annahme eines von außen auf den Körper wirkenden Ereignisses ausreichen.[30]

 

Beispiele

Äußere Einwirkung bejaht

Schock des Fahrers wegen Zerspringen der Windschutzscheibe[31]
Schock durch Anblick eines Unfalles[32]
 

Rz. 17

Dies wird von Teilen der Literatur abgelehnt[33] und eine – wie auch immer geartete – unmittelbare Einwirkung des Ereignisses auf den Körper gefordert bzw. das Vorliegen eines Ereignisses für notwendig erachtet, welches bei wertender Betrachtung einem Zusammenstoß gleichzusetzen sei.[34] Richtigerweise genügt aber mit der Rechtsprechung jede rein psychisch vermittelte Einwirkung von außen. Der Wortsinn von "auf den Körper wirkend" wird dabei nicht überschritten. Vielmehr fehlt eine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass nur eine unmittelbare Einwirkung des Ereignisses auf den Körper und nicht auch eine psychisch vermittelte Einwirkung von außen erfasst sein soll. Diese Auslegung des Unfallbegriffs berücksichtigt zudem, dass Körper und Psyche letztlich eine sich gegenseitig beeinflussende, untrennbare Einheit bilden. Sie führt auch nicht zu den teilweise befürchteten weitreichenden Konsequenzen durch Ausuferung des Versicherungsschutzes, da insbesondere der Ausschlussgrund der psychischen Reaktion zu beachten bleibt (siehe hierzu § 4 Rn 237 ff.).

[30] BGH v. 19.3.2003 – IV ZR 233/01, VersR 2003, 634; OLG Stuttgart v. 30.4.1998 – 7 U 260/97, VersR 1999, 1228; zustimmend auch Beckmann-Mangen, § 47 Rn 15, mit der Einschränkung, dass die psychisch Verarbeitung der Situation nicht gegenüber der psychisch vermittelten äußeren Einwirkung dominieren dürfe.
[31] BGH v. 19.4.1972 – IV ZR 50/71, VersR 1972, 582.
[32] Beckmann-Mangen, § 47 Rn 15.
[33] Bruck/Möller-Leverenz, § 178 VVG, Rn 51–54; Abel/Winkens VersR 2009, 30, 32; Grewing VersR 1973, 8, 10.
[34] Bruck/Möller-Leverenz, § 178 VVG, Rn 51.

3. Mittelbare Einwirkung

 

Rz. 18

Der direkten Einwirkung von außen hat die Rechtsprechung solche Fälle zugerechnet, in denen die Einwirkung eine Gesundheitsschädigung zwar nur mittelbar verursacht hat, diese Einwirkung die VP aber in eine Situation gezwungen hat, in der sie hilf- bzw. bewegungslos die Gesundheitsschäden erdulden musste. Probleme können sich hier aber hinsichtlich des Merkmals der Plötzlichkeit ergeben (vgl. Rn 4 ff.).

 

Beispiele

Ein Bergsteiger erfror, nachdem er durch "Verhängen" des Seils zwar unverletzt geblieben, aber bewegungslos geworden war.[35]
Ein Fußgänger stürzte in einen 2,30 m tiefen Straßengraben. Er blieb hierbei unverletzt, konnte sich aber nicht befreien und erfror.[36]

Richtigerweise ist dabei unerheblich, wodurch die Bewegungs- bzw. Hilflosigkeit ausgelöst wurde.[37] Zu beachten bleibt aber, dass nicht jede beliebige Einschränkung der Bewegungsfreiheit genügt, sondern eine "völlige" Hilflosigkeit der VP eingetreten sein muss.[38]

[35] BGH v. 15.2.1962 – II ZR 95/60, VersR 1962, 341.
[36] OLG Karlsruhe v. 9.7.1999 – 14 U 131/98, r+s 2000, 438.
[37] So Wussow/Pürckhauer § 1, Rn 49; Bruck/Möller-Leverenz, § 178 VVG, Rn 61; a.A. Bruck...

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