Rz. 46

Ob die Schädigung eines künstlichen Körperteils eine Gesundheitsschädigung darstellt, hängt von der rechtlichen Bewertung der Körperersatzteile ab. Unstrittig gelten hierbei jederzeit vom Körper trennbare Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte, Rollstühle, Zahnprothesen und abnehmbare Prothesen von Armen und Beinen weiter als Sachen. Eine Beschädigung dieser Gegenstände stellt keinen Körperschaden dar, sondern einen Sachschaden, weshalb mangels Gesundheitsschädigung kein Unfall vorliegt.[116]

 

Hinweis

Es gibt Sondervereinbarungen, die auch die Beschädigung einer Brille oder eines Hörgeräts mitversichern. Diese Versicherung eines Sachschadens ist eine Ausnahme. Sie ist auch von einer Kostenübernahme oder Bezuschussung von Hilfsmitteln zu unterscheiden, die erst durch den Unfall (erstmalig) erforderlich werden (z.B. Medizinische Hilfsmittel vgl. § 5 Rn 362 ff.).

 

Rz. 47

Umstritten ist die Frage, ob fest mit dem Körper verbundene Körperersatzteile wie Herzklappen oder Gelenke als Sachen oder als Körperbestandteile anzusehen sind. Nach richtiger Ansicht führt das feste Verbinden von Körperersatzteilen mit dem menschlichen Körper zum Verlust der Sacheigenschaft des Ersatzteils und wird damit zum Körperteil.[117] Die Gegenmeinung sieht die künstlichen Körperteile trotz Verbindung mit dem menschlichen Körper als Sache an.[118] Auch nach dieser Meinung sieht man (organische) Spenderorgane als Körperteil an.

Versagt ein Spenderorgan, ist dies nach allgemeiner Ansicht nicht als Unfall, sondern als körpereigener Vorgang zu werten. Versicherungsschutz besteht somit nicht.

Versagt z.B. eine künstliche Herzklappe, dann ist auch dies nach richtiger Ansicht ein körpereigener Vorgang und es besteht kein Versicherungsschutz. Nach anderer Ansicht soll der Defekt der Herzklappe einen Sachschaden darstellen, der insoweit "von außen" gesundheitsschädigend auf den Körper einwirke. Es läge hiernach ein Unfall vor. Allerdings ist dem Herzklappendefekt eine Heilmaßnahme (Herzoperation) vorangegangen, deren Risiko sich auch erst später verwirklichen kann, was zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt.[119]

 

Rz. 48

Vergleichbar mit Fällen der künstlichen Herzklappe ist die Situation bei künstlichen Hüftgelenken oder in den Körper eingebrachten Silikonimplantaten, welche nach richtiger Ansicht ebenfalls als Körperbestandteile zu qualifizieren sind. Die Luxation eines künstlichen Hüftgelenkes oder die Folgen eines porösen Silikonimplantates sind somit als rein körperinnerer Vorgang nicht versichert, sofern Ursache nicht eine Einwirkung außerhalb des Körpers war. Die Gegenmeinung müsste auch hier von einem Sachschaden ausgehen, mit der Folge, dass insoweit bei weitergehenden Folgeschädigungen eine gesundheitsschädigende Einwirkung "quasi" von außen auf den Körper vorläge und unter den weiteren Voraussetzungen ein Unfall gegeben wäre. Der Versicherungsschutz wird aber auch hier durch den Ausschluss von Heilmaßnahmen und Eingriffen versagt. Im Hinblick auf Silikonimplantate ist im Falle einer Einwirkung von außen nach beiden Ansichten noch zu differenzieren:

 

Rz. 49

Ist die weitergehende Gesundheitsschädigung direkt durch die Gewalteinwirkung hervorgerufen worden, wie z.B. eine offene Wunde, so besteht hinsichtlich der Implantate nach richtiger Auffassung insoweit Versicherungsschutz. Ist die Gesundheitsschädigung dagegen nur als mittelbare Folge der direkten Gewalteinwirkung durch austretendes Silikon verursacht worden (welches z.B. in den Blutkreislauf gelangt ist und daraufhin Organe geschädigt hat), so verwirklicht sich das allgemein mit dem Eingriff der Silikonpolsterimplantation verbundene Risiko eines undichten Implantats; hier greift der Ausschlusstatbestand des Eingriffs (siehe § 4 Rn 183 ff.) nach beiden Auffassungen.

Bei künstlich implantierten Zähnen wird es in der Regel nur durch äußere Einwirkung zu Schädigungen kommen. Nach hier vertretener Ansicht ist der implantierte Zahn Körperteil und Versicherungsschutz bei äußerer Einwirkung gegeben, nach der Gegenmeinung handelt es sich um einen nicht versicherten Sachschaden (vgl. § 5 Rn 303 ff.).

Ist die Sonderbedingung zu kosmetischen Operationen bzw. Zahnschäden vereinbart, wonach nur natürliche Zähne versichert sind, besteht kein Versicherungsschutz, so dass es auf den Streit nicht ankommt (vgl. § 5 Rn 305).

Nach beiden Auffassungen greifen die Regelungen zur Vorinvalidität (vgl. § 5 Rn 69) und zur Mitwirkung (vgl. § 7 Rn 1 ff.).

[116] Grimm, Ziff. 1 Rn 48; Wussow/Pürckhauer, § 1 Rn 59.
[117] Palandt-Ellenberger, § 90 Rn 3; OLG Stuttgart v. 22.1.1987 – 7 U 185/86, VersR 1987, 355 – In der Revision vom BGH wurde die Frage nicht entschieden, BGH v. 21.9.1988 – IVa ZR 44/87, r+s 1988, 383.
[118] Wussow, WI 1987, 178, 179 m.w.N. für beide Meinungen und ausführlicher Darstellung.
[119] BGH v. 21.9.1988 – IVa ZR 44/87, r+s 1988, 383.

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