Rz. 14

Auch der für den Trennungsunterhalt maßgebliche Bedarf orientiert sich in erster Linie an den Einkommen beider Eheleute, die während der Ehe erzielt worden sind und die Lebensverhältnisse geprägt haben. Zur Bedarfsbemessung gehören aber auch eheprägende Belastungen z.B. durch unterhaltsberechtigte Kinder und Ratenbelastungen. Dabei bezieht sich der Begriff des Bedarfs auf den allgemeinen Lebensbedarf, also Wohnung, Kleidung, Ernährung, Freizeit, Urlaub usw. Relevant sind also die finanziellen Mittel, die regelmäßig für die Ehegatten und die übrigen Familienmitglieder für den Lebensunterhalt und den Konsum verbraucht worden sind.

Auch hier gilt allerdings eine Einschränkung: Wurde während des ehelichen Zusammenlebens ein Teil der Einkünfte der Ehegatten nicht für den allgemeinen Lebensbedarf verwendet, hat dieser Einkommensanteil auch nach Trennung und Scheidung bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben.[9] Denn der Begriff des Bedarfs orientiert sich nur an den für den Lebensunterhalt und den Konsum benötigten und verwandten Mitteln. Daher bleiben diejenigen Teile des gehobenen Einkommens, die regelmäßig zur Vermögensbildung und nicht für den laufenden Lebensunterhalt verwendet worden sind, bei der Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen außer Betracht.[10] Das hat nicht nur für die Fälle der Unterhaltsberechnung bei gehobenen Einkommensverhältnissen (siehe hierzu auch die sog. "konkrete Bedarfsberechnung") besondere Bedeutung.

 

Rz. 15

Bei niedrigen und bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen kann man davon ausgehen, dass das gesamte Familieneinkommen regelmäßig durch Konsum verbraucht worden ist. Der BGH nimmt hier jetzt in diesen Fällen eine tatsächliche Vermutung für eine vollständige Ausgabe des Einkommens zu Konsumzwecken an.[11] Will ein Ehegatte eine abweichende Berechnungsweise durchsetzen, muss er diese Vermutung des vollständigen Verbrauches des gemeinsam erzielten Einkommens für den Konsum während der Zeit der Ehe widerlegen.[12]

 

Rz. 16

Besonders bei gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen findet zwar auch ein deutlicher höherer Verbrauch für einen deutlich höheren und teureren Lebensunterhalt statt. Es bleibt dennoch regelmäßig ein nicht unerheblicher Teil des regelmäßigen Einkommens übrig, der auch i.d.R. in Rücklagen der verschiedensten Arten der Vermögensbildung abgeführt wird.

 

Rz. 17

 

Praxishinweis:

Regelmäßige Rücklagen zur Vermögensbildung sind also für die Bemessung des Bedarfes nach den ehelichen Lebensverhältnissen außer Ansatz zu lassen.[13]
Dabei kann im normalen Einkommensbereich nach der Lebenserfahrung auf eine Vermutung dafür abgestellt werden kann, dass das gesamte Einkommen für den allgemeinen Lebensunterhalt verbraucht worden ist.[14]
In höheren Einkommensverhältnissen greift diese Vermutung allerdings nicht mehr.
Der BGH zieht die Grenze bei einem Familieneinkommen in Höhe des doppelten Betrages des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle, 2021 also bei 2 * 5.500 EUR = 11.000 EUR.[15]
Zwar ist die Düsseldorfer Tabelle 2022 bis zum Einkommensbereich von 11.000 EUR erweitert worden. Noch nicht geklärt ist, ob sich damit diese Einkommensgrenze auf jetzt 22.000 EUR (2 * 11.000 EUR) verschiebt oder es weiterhin bei der Einkommensgrenze von 11.000 EUR verbleibt.
Im Einkommensbereich bis zu einem monatlichen Familieneinkommen von 11.000 EUR wird der Unterhalt daher schlicht nach einer Quote des gesamten bereinigten Einkommens beider Ehegatten errechnet (sog. Quotenunterhalt; siehe unten Rdn 17).
Auf der Basis der Werte der Düsseldorfer Tabelle 2019 liegt die Grenze für den Bedarf der Ehefrau bei Gerichten, die mit der 3/7-Quote rechnen bei 4.714 EUR und 4.950 EUR bei Berechnung mit der jetzt allgemein geeltenden Quote von 45 %. Dass das Familieneinkommen insgesamt über dieser Grenze liegt, lässt nämlich nicht die tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des bis zur Grenze reichenden Familieneinkommens entfallen.[16] In diesem Bereich ist der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten folglich auch dann schlüssig dargelegt, wenn er nichts zur konkreten Verwendung des Familieneinkommens vorträgt.
Es kann bei diesen besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen oberhalb dieser Grenze auch ein sog. konkreter Bedarf begründet werden.[17]
 

Achtung!

Die früher mögliche Abwehrstrategie des Verpflichteten, unter Hinweis auf seine unbegrenzte Leistungsfähigkeit ein Auskunftsverlangen zu verweigern, greift nicht mehr. Es muss Auskunft erteilt werden.[18]

[9] BGH v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, NJW 2018, 468 mit Anm. Born = FamRZ 2018, 260, BGH v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19, FamRZ 2020, 21; vgl. auch OLG Düsseldorf FF 2016, 205; siehe dazu Lies-Benachib, FamRZ 2020, 21, Viefhues, jM 2020, 184.

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