Rz. 102

Die vorstehenden Vermutungen für das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit im Zeitpunkt der Geltendmachung der Verbraucherrechte (nach § 327k Abs. 1 BGB für den Fall einer einmaligen Bereitstellung oder einer Reihe einzelner Bereitstellungen) gelten nach § 327k Abs. 3 BGB[513] in Umsetzung von Art. 12 Abs. 4 und 5 Digitale-Inhalte-RL[514] – vorbehaltlich § 327 Abs. 4 BGB (Gegenausnahme) – nicht, wenn

die digitale Umgebung (i.S.v. § 327e Abs. 4 Satz 3 BGB, womit zur digitalen Umgebung neben der Hard- und Software auch die Netzverbindung zählt) des Verbrauchers mit den technischen Anforderungen des digitalen Produkts zur maßgeblichen Zeit nicht kompatibel war (Nr. 1:[515] Inkompatibilität – in diesem Fall "trägt der Verbraucher in Anwendung der allgemeinen Grundsätze die Beweislast dafür, dass die digitalen Produkte zum maßgeblichen Zeitpunkt mangelfrei waren")[516] oder
der Unternehmer nicht feststellen kann, ob die Voraussetzungen der Nr. 1 vorlagen, weil der Verbraucher eine hierfür (nach objektivem Maßstab unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls) notwendige und ihm mögliche Mitwirkungshandlung nicht vornimmt (vernünftigerweise "notwendige" Mitwirkungshandlung, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 Digitale-Inhalte-RL)[517] und der Unternehmer zur Feststellung ein technisches Mittel einsetzen wollte, das für den Verbraucher den geringsten Eingriff (sonst ist ihm die Mitwirkung nicht zuzumuten, in Umsetzung von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Digitale-Inhalte-RL[518] – Art. 7 und 8 EuGrCH, Achtung der Kommunikation und des Schutzes personenbezogener Daten des Verbrauchers, Mittel, welche die Privatsphäre des Verbrauchers anhand eines objektiven Maßstabs am wenigsten beeinträchtigen)[519] darstellt (Nr. 2:[520] unterlassene Mitwirkungshandlungen des Verbrauchers bei der Fehlersuche des Unternehmers als Obliegenheitsverletzung des Verbrauchers).[521] Der Verbraucher trägt, wenn er seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachkommt (im Falle einer Obliegenheitsverletzung) die Beweislast für die Mangelhaftigkeit des digitalen Produkts (so Art. 12 Abs. 5 Satz 3 Digitale-Inhalte-RL).[522] Von Nr. 2 ist die Ermittlung der genauen Umstände der Mangelhaftigkeit nicht umfasst. Die Notwendigkeit beurteilt sich unter Berücksichtigung von Art und Zweck des digitalen Produkts, den Umständen des Einzelfalls und Gebräuchen und Gepflogenheiten der Vertragsparteien (Erwägungsgrund 46 der Digitale-Inhalte-RL).[523] Der Unternehmer muss technische Mittel verwenden, die mit Blick auf Standard oder bewährte Verfahren höchsten Anforderungen an den Schutz der Privatsphäre des Verbrauchers erfüllen.
[513] Näher HK-BGB/Schulze, § 327k Rn 6.
[514] "Die Absätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer nachweist, dass die digitale Umgebung des Verbrauchers in Bezug auf die technischen Anforderungen der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht kompatibel ist, und wenn er den Verbraucher vor Vertragsschluss in klarer und verständlicher Weise von diesen Anforderungen in Kenntnis gesetzt hat".
[515] Näher HK-BGB/Schulze, § 327k Rn 6.
[516] Brönneke/Föhlisch/Tonner/Tamm/Tonner, Das neue Schuldrecht, § 2 Rn 162.
[517] "Der Verbraucher arbeitetet mit dem Unternehmer zusammen, sobald dies vernünftigerweise notwendig und möglich ist, um festzustellen, ob die Ursache für die Vertragswidrigkeit der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen zu dem in Art. 11 Abs. 2 oder Abs. 3 genannten Zeitpunkt in der digitalen Umgebung des Verbrauchers lag".
[518] "Die Pflicht zur Zusammenarbeit ist auf die technisch verfügbaren Mittel beschränkt, die für den Verbraucher dem geringsten Eingriff darstellen".
[519] Erwägungsgrund 60 der Digitale-Inhalte-RL: "Unbeschadet des Grundrechts auf Schutz der Privatsphäre, einschließlich der Vertraulichkeit der Kommunikation, und auf Schutz der personenbezogenen Daten des Verbrauchers sollte der Verbraucher mit dem Unternehmer im Hinblick darauf zusammenarbeiten, dass der Unternehmer unter Verwendung der zur Verfügung stehenden technischen Mittel, die die Privatsphäre des Verbrauchers am wenigsten beeinträchtigen, prüft, ob die Ursache für die Vertragswidrigkeit in der digitalen Umgebung des Verbrauchers liegt. Dies kann beispielsweise erfolgen, indem dem Unternehmer automatisch erzeugte Berichte über Zwischenfälle übermittelt werden, oder mittels Details der Internetverbindung des Verbrauchers. Nur in begründeten Ausnahmefällen, in denen es keine andere Möglichkeit gibt, obwohl alle anderen Mittel ausgeschöpft wurden, müssen Verbraucher möglicherweise virtuellen Zugang zu ihrer digitalen Umgebung gewähren. Arbeitet der Verbraucher jedoch nicht mit dem Unternehmer zusammen und wurde er über die Folgen mangelnder Zusammenarbeit unterrichtet, sollte nicht nur die Beweislast für die Vertragswidrigkeit digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen beim Verbraucher liegen, sondern auch die Beweislast dafür, dass die Vertragswidrigkeit digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen im Falle eines Vertrags, in dem...

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