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Ist das digitale Produkt mangelhaft, so kann der Verbraucher nach § 327m Abs. 1 BGB in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Digitale-Inhalte-RL[383] den Vertrag gemäß § 327o BGB durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer (nur) beenden (sofortige Vertragsbeendigung), wenn (entsprechend der Grundsätze des allgemeinen Leistungsstörungsrechts)[384] – enumerativ und abschließend gelistet (dem grundsätzlichen Primat der Nacherfüllung folgend)[385]

der Nacherfüllungsanspruch gemäß § 327l Abs. 2 BGB (i.V.m. § 275 Abs. 1 BGB) wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist (Nr. 1[386] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Digitale-Inhalte-RL),
der (vorrangige) Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchers durch den Unternehmer nicht gemäß § 327l Abs. 1 BGB innerhalb angemessener Frist erfüllt wurde (Nr. 2[387] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. b Digitale-Inhalte-RL, wenn der Anspruch nach § 327l Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, gilt hingegen Nr. 1),[388]

sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt – und die Nacherfüllung sich damit als "fehlgeschlagen" erweist[389] (Nr. 3[390] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. c Digitale-Inhalte-RL).

Der Verbraucher soll nicht auf eine nochmalige – d.h. zweite – Möglichkeit der Nacherfüllung verwiesen werden – wodurch das Gewährleistungsrecht für digitale Produkte vom Kaufrecht (vgl. § 440 Satz 2 BGB: Minderung oder Rücktritt erst nach einem erfolglosen zweiten Versuch) abweicht.[391]

Erfasst werden auch bereits bei Bereitstellung vorliegende, aber noch nicht erkennbare Mängel erfolgloser Nacherfüllungsversuche in Bezug auf den geltend gemachten Mangel oder bei erfolgreicher Nacherfüllung, wenn sich hiernach ein anderer Mangel zeigt; womit der Verbraucher, weil das notwendige Vertrauen in den Unternehmer erschüttert ist, auf keinen weiteren Nacherfüllungsanspruch verwiesen wird.

der Mangel derart (d.h. besonders) schwerwiegend ist (z.B. die Bereitstellung eines Antivirenprogramms, welches selbst mit Viren infiziert ist),[392] dass die sofortige Vertragsbeendigung gerechtfertigt ist[393] (Nr. 4[394] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. d Digitale-Inhalte-RL – Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall),

der Unternehmer die ihm gemäß § 327l Abs. 1 Satz 1 BGB obliegende ordnungsgemäße Nacherfüllung (nach einem entsprechenden Verlangen des Verbrauchers) verweigert hat (Nr. 5[395] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. e Digitale-Inhalte-RL, vgl. dazu auch die Wertungsparallele in § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Unerheblich ist dabei, ob der Unternehmer die Nacherfüllung berechtigt oder unberechtigt verweigert hat.[396] Im Fall einer berechtigten Verweigerung, geht der Nacherfüllungsanspruch unter und die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe greifen nach Nr. 5. Bei unberechtigter Verweigerung kann der Verbraucher nach seiner Wahl (zusätzliche Option) den Nacherfüllungsanspruch durchsetzen (Beharren auf Nacherfüllung und zwangsweise Durchsetzung des entsprechenden Anspruchs) oder die weiteren Rechtsbehelfe ergreifen.[397]

oder es nach den Umständen offensichtlich ist, dass (trotz fehlender ausdrücklicher Weigerung) der Unternehmer nicht gemäß § 327l Abs. 1 Satz 2 BGB ordnungsgemäß nacherfüllen wird (Nr. 6[398] in Umsetzung von Art. 14 Abs. 4 Buchst. e Digitale-Inhalte-RL, vgl. auch § 324 Abs. 4 BGB mit einer vergleichbaren Wertung).

Die genannten Umstände – von denen nur einer erfüllt sein muss – sind geeignet, dem Unternehmer das "Recht zur zweiten Andienung" zu nehmen.[399]

 

Beachte

Das Rechtsinstitut der Beendigung erfasst sowohl Verträge mit einmaligem Leistungsaustausch als auch Dauerschuldverhältnisse, im Übrigen sowohl Fälle unterbliebener Bereitstellung (§ 327c BGB) als auch mangelhafter Bereitstellung (§ 327m BGB).

§ 327m Abs. 1 BGB erlangt Relevanz auch für den Schadensersatz- und Aufwendungsersatzanspruch (§ 327m Abs. 3 BGB, siehe dazu unter Rdn 95 ff.) und die Minderung (§ 327n BGB, dazu unter Rdn 92).

[383] "Der Verbraucher hat Anspruch entweder auf eine anteilsmäßige Minderung des Preises gemäß Abs. 5, wenn die digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen gegen Zahlung eines Preises bereitgestellt werden, oder auf Beendigung des Vertrags gemäß Abs. 6, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt:"

a) die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen ist gemäß Abs. 2 unmöglich oder unverhältnismäßig;

b) der Unternehmer hat den vertragsgemäßen Zustand der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht gemäß Abs. 3 hergestellt;

c) eine Vertragswidrigkeit tritt trotz des Versuchs des Unternehmers ein, den vertragsgemäßen Zustand der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen herzustellen;

d) die Vertragswidrigkeit ist derart schwerwiegend, dass eine sofortige Preisminderung oder Beendigung des Vertrags gerechtfertigt ist; oder

e) der Unternehmer hat erklärt oder es ist klar aus den Umständen zu erkennen, dass er den vertragsgemäßen Zustand der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstl...

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