Rz. 81

Probleme kann die Berechnung des Erstattungsanspruchs bei teilweisem Obsiegen von Streitgenossen bereiten. Jeder einzelne Streitgenosse haftet dem Anwalt im Innenverhältnis nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG nur für diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (vgl. Rdn 10 ff.). Insgesamt kann der Anwalt nicht mehr als die nach § 7 Abs. 1 RVG berechneten Gebühren, also die Gebühren für die gesamte Angelegenheit einschließlich der Erhöhungsbeträge, fordern (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG).

 

Rz. 82

 

Beispiel

Gegen Fahrer F, Halter H und Versicherer V wird nach einem Unfall Klage auf Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR erhoben. Die drei beauftragen A mit ihrer Vertretung. Nach Beweisaufnahme wird der Klage gegen H und V stattgegeben. Gegen F wird die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des F werden folglich im Urteil dem Gegner auferlegt.

A kann folgende Gebühren aus einem Wert von 10.000 EUR abrechnen:

 
1. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008   1.166,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   736,80 EUR
3. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 1.923,40 EUR  
4. Umsatzsteuer, VV 7008   365,45 EUR
Gesamt   2.288,85 EUR

Für diesen Vergütungsanspruch haften F, H und V gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 RVG jeweils in Höhe von 1.850,45 EUR, nämlich in Höhe desjenigen Betrages, der bei einer Einzelvertretung ohne erhöhte Verfahrensgebühr entstanden wäre. Welche Kosten können nun von F im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldet und gegen den Gegner festgesetzt werden?

 

Rz. 83

Da Streitgenossen nicht verpflichtet sind, ihre Ansprüche gemeinsam anzumelden, kann F allein die Festsetzung betreiben. Streitig ist nun, ob der obsiegende Streitgenosse seinen nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG zu berechnenden Anteil zur Festsetzung anmelden kann oder nur denjenigen Bruchteil, der seiner wertmäßigen Belastung im Innenverhältnis entspricht.

 

Rz. 84

Eine Meinung[51] billigt dem obsiegenden Streitgenossen einen Anspruch auf Festsetzung der Anwaltskosten bis zur Haftungsgrenze nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG zu. Eine Ausgleichspflicht im Innenverhältnis sei weder gesetzlich vorgeschrieben noch für den Regelfall anzunehmen. Im konkreten Fall würde das bedeuten, dass F einen Betrag von 1.850,45 EUR zur Festsetzung gegen den unterlegenen Gegner anmelden kann. Der Anwalt müsste bei entsprechender Zahlung durch F dann nur noch den Restbetrag bei V und H einfordern.

 

Rz. 85

Nach herrschender Meinung[52] kann der obsiegende Streitgenosse im Kostenfestsetzungsverfahren dagegen nur den Bruchteil geltend machen, der seiner wertmäßigen Beteiligung entspricht. Dadurch soll der üblicherweise im Innenverhältnis vorgeschriebene Ausgleich nach § 426 BGB erreicht werden. Im konkreten Fall würde das bedeuten, dass F nur einen Betrag in Höhe von 762,95 EUR zur Festsetzung gegen den unterlegenen Gegner anmelden kann. Dieser Betrag entspricht der anteiligen Haftung im Innenverhältnis (Ausgleich nach Kopfteilen zwischen drei Gesamtschuldnern). Etwas anderes gilt nach dieser Meinung nur dann, wenn der Innenausgleich an der Zahlungsunfähigkeit eines ausgleichspflichtigen Streitgenossen scheitert. Dann wird dem obsiegenden Streitgenossen ein weitergehender Erstattungsanspruch bis zur Höhe des Haftungsanteils nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG zugebilligt.

 

Rz. 86

Noch weitergehend wird der Erstattungsanspruch von Teilen der Rechtsprechung eingeschränkt, wenn es sich bei einem der unterlegenen Streitgenossen um den Haftpflichtversicherer der übrigen handelt. In diesen Fällen könne angenommen werden, dass dieser für die Kosten der gemeinsamen Prozessführung intern allein aufzukommen habe, so dass der obsiegende Streitgenosse insofern überhaupt keine Kosten tragen müsse.[53] Umgekehrt könne der obsiegende Haftpflichtversicherer die Kosten vom Gegner in voller Höhe und nicht nur in Höhe eines Bruchteils verlangen, weil er die Kosten im Innenverhältnis stets auch für die Streitgenossen zu tragen habe.[54] Im konkreten Fall würde das bedeuten, dass F überhaupt keine Anwaltskosten zur Festsetzung anmelden könnte, weil diese im Innenverhältnis der drei Streitgenossen allein von V getragen werden.

 

Rz. 87

 

Hinweis

Im Rahmen der Kostenausgleichung für einen obsiegenden Streitgenossen sind daher vom Prozessbevollmächtigten die Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, aus denen sich die Höhe der internen Kostentragungspflicht ergibt.

[51] OLG Hamm OLGR 2002, 380; AnwK-RVG (Volpert), § 7 Rn 64.
[52] BGH, RVG prof. 2006, 85; BGH MDR 2003, 1142; OLG Koblenz zfs 2004, 130; OLG Koblenz JurBüro 2000, 85; OLG Dresden NJW-RR 1999, 293; OLG München Rpfleger 1995, 519.
[53] OLG Koblenz zfs 2004, 130.
[54] OLG Schleswig AGS 1999, 62.

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