Rz. 1133

Grundsätzlich erbringt der betreuende Elternteil seinen Anteil am Unterhalt des Kindes durch tatsächliche Ausübung der Betreuung. Auch der betreuende Elternteil kann jedoch ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB sein, wenn der Kindesunterhalt von ihm unter Wahrung seines angemessenen Selbstbehaltes gezahlt werden kann und ohne seine Beteiligung an der Barunterhaltspflicht ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde.

 

Rz. 1134

Kann jedoch auch der an sich barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des vollen Kindesunterhaltes seinen angemessenen Selbstbehalt wahren, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhaltes nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.[1170]

 

Rz. 1135

Es gilt daher grundsätzlich, dass auch der betreuende Elternteil unterhaltspflichtig sein kann, wenn er in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes aufzubringen.

Um die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) dabei nicht ins Leere laufen zu lassen, setzt die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barunterhalt des minderjährigen Kindes jedoch voraus, dass ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils an Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde.[1171]

Nach diesen Maßstäben kann die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhaltes in der Lage wäre.

 

Rz. 1136

Kann der barunterhaltspflichtige Elternteil demgegenüber auch bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt noch verteidigen, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhaltes nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.[1172]

Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist nicht schematisch durch Gegenüberstellung der beiderseitigen, auf Seiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils ggf. auch fiktiven[1173] zu beurteilen.[1174]

 

Rz. 1137

Konkret ist die unterhaltsrechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen zu würdigen.

Auf Seiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher insbesondere berücksichtigt werden, ob sein eigener Unterhalt in neuer Lebensgemeinschaft gesichert ist.[1175]

 

Rz. 1138

Auf Seiten des betreuenden Elternteils wird es darauf ankommen, inwieweit dieser aufgrund der individuellen Verhältnisse durch die Übernahme Kindesbetreuung neben der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit belastet wird. Daneben kann auch seine Belastung mit – ggf. auch nachrangigen – Unterhaltspflichten von Bedeutung sein.

 

Rz. 1139

Schließlich ist zugunsten eines wirtschaftlich besser gestellten betreuenden Elternteils zu bedenken, dass das minderjährige Kind faktisch auch dessen gehobene Lebensverhältnisse teilt; ein dadurch erzeugter zusätzlicher Barbedarf des Kindes muss von vornherein allein durch den betreuenden Elternteil befriedigt werden.[1176]

 

Rz. 1140

Wenn konkret der betreuende Elternteil über das Dreifache der unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkünfte des barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, ist eine Grenze erreicht, nach der es der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen.[1177] Unterhalb solcher erheblicher Einkommensdifferenz scheidet eine Enthaftung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils aus.[1178]

 

Rz. 1141

Ebenfalls ausscheiden wird eine Inanspruchnahme des betreuenden Elternteils dann, wenn zwar die Einkommensdifferenz das Dreifache erreicht oder überschreitet, jedoch der nicht betreuende Elternteil ebenfalls über hohe Einkünfte verfügt.[1179]

[1170] BGH FamRZ 2002, 742; FamRZ 2013, 1558 m. Anm. Maurer, FamRZ 2013, 1562.
[1171] BGH FamRZ 2008, 137; FamRZ 2011, 1041.
[1172] BGH FamRZ 2002, 742; FamRZ 2013, 1558, 1561.
[1173] OLG Bamberg FamRZ 1995, 566; OLG Köln FamRZ 2004, 829; MüKo BGB/Born, § 1603 Rn 114.
[1174] Grüneberg/von Pückler, § 1606 Rn 16.
[1175] Vgl. FAKomm-FamR/Klein, § 1603 Rn 41.
[1176] Vgl. Gutdeutsch, FamRZ 2006, 1724, 1727.
[1177] BGH FamRZ 2013, 1558, 1561; OLG Celle FamRZ 2009, 56; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1650; OLG Naumburg FamRZ 2013, 796; Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 434.
[1178] BGH FamRZ 2013, 1558, 1561.
[1179] Maurer, FamRZ 2013, 1562, 1563.

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