Leitsatz (amtlich)

1. Ein in erster Instanz abgegebenes prozessuales Anerkenntnis kann mit der Berufung unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO widerrufen werden, wenn es auf einer Prognose (hier: Umzug und Antritt einer Vollzeitstelle) beruhte und sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergibt, dass die Prognosevoraussetzungen – endgültig – nicht eintreten (Anschluss an BGH v. 27.5.1981 – IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389 [397 f.] = MDR 1981, 924).

2. Soweit es für die Anwendung von § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB darauf ankommt, ob die Inanspruchnahme des barunterhaltspflichtigen Elternteils zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen würde, ist im Rahmen des Einkommensvergleichs auf die Einkünfte abzustellen, die der Barunterhaltspflichtige bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner (gesteigerten) Erwerbsobliegenheit erzielen könnte, sofern diese über den tatsächlich erzielten Einkünften liegen.

 

Normenkette

ZPO § 323; BGB § 1603

 

Verfahrensgang

AG Brühl (Urteil vom 17.09.2002; Aktenzeichen 31 F 65/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das als Teil-Anerkenntnisurteil bezeichnete Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil des AG – FamG – Brühl vom 17.9.2002 – 31 F 65/02 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung und die Anschlussberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die gemeinsame Tochter K., geboren am … 1987, und für den gemeinsamen Sohn N., geboren am … 1991, rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 1.1.2002 bis einschließlich 30.9.2002 i.H.v. insgesamt 450 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 50 Euro seit dem 3.1., 3.2., 3.3., 3.4., 3.5., 3.6., 3.7., 3.8. und 3.9.2002 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 1.10.2002

  • für die gemeinsame Tochter K., geboren am … 1987, im voraus bis zum Dritten eines jeden Monats Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelunterhaltsbetrages gem. § 1 der RegelbetragsVO nach der dritten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, derzeit monatlich 269 Euro,
  • für den gemeinsamen Sohn N., geboren am … 1991, im voraus bis zum Dritten eines jeden Monats Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelunterhaltsbetrages gem. § 1 der RegelbetragsVO nach der zweiten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, derzeit monatlich 228 Euro, und ab dem 1.9.2003 nach der dritten Altersstufe,

nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 497 Euro seit dem 3.10.2002, 3.11.2002, 3.12.2002, 3.1.2003, 3.2.2003 und 3.3.2003 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 46 % und der Beklagten zu 54 % auferlegt.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von den wechselseitigen Rechtsmitteln der Parteien haben nur die Berufung sowie die Anschlussberufung des Klägers nach den zuletzt im Senatstermin gestellten – eingeschränkten – Anträgen Erfolg, während die Berufung der Beklagten erfolglos bleiben muss.

I. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Wirkungen ihres erstinstanzlichen Teil-Anerkenntnisses beseitigen und die vollständige Abweisung der Klage erreichen möchte, ist unbegründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, ab dem 1.10.2002 für die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien Kindesunterhalt i.H.d. jeweiligen Regelbeträge nach § 1 der RegelbetragsVO – insgesamt also derzeit (269 Euro + 228 Euro =) 497 Euro monatlich – zu zahlen. Im Umfang dieser Unterhaltsverpflichtung ist die Beklagte leistungsfähig.

1. Widerruf des Teil-Anerkenntnisses der Beklagten

Dem Erfolg ihrer Berufung steht allerdings nicht schon das Teil-Anerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 9.7.2002 vor dem AG, mit dem sie den Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt (Mindestunterhalt) i.H.v. 100 % des Regelbetrages nach § 1 der RegelbetragsVO i.H.v. 269 Euro bzw. 228 Euro für die Zeit ab dem 1.10.2002 anerkannt hat, entgegen. Denn dieses Teil-Anerkenntnis hat die Beklagte mit der Berufung wirksam widerrufen. Sie ist deshalb an ihre Prozesserklärung nicht mehr gebunden.

Zwar ist ein in erster Instanz erklärtes prozessuales Anerkenntnis (§ 307 ZPO) grundsätzlich bindend und kann daher weder wegen Irrtums erfolgreich nach §§ 119, 123 BGB angefochten noch analog § 290 ZPO wirksam widerrufen werden, wenn der Anerkennende die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse falsch eingeschätzt hat (vgl. grundlegend BGH v. 27.5.1981 – IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389 [391 ff.] = MDR 1981, 924; s. auch OLG Bamberg v. 11.3.1993 – 2 UF 173/92, NJW-RR 1993, 1219 [1221]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Vor § 306 Rz. 6 m.w.N.). Der Widerruf ist aber dann möglich, wenn und soweit ein Restitutionsgrund vorliegt, aufgrund dessen das Urteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte, oder wenn bei einem Anerkenntnis, das laufende Unterhaltszahlungen betrifft, ein Abänderungs...

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