Rz. 25

Die Ausschlagung bewirkt, dass der Nachlass mit Rückwirkung auf denjenigen übergeht, der zum Erben berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalles nicht gelebt hätte, § 1953 Abs. 1 und 2 BGB. Oft werden das die Kinder des Ausschlagenden sein. Das Haftungsproblem ist durch die Ausschlagung also noch nicht einmal innerhalb der Kernfamilie des Erben gelöst. Vielmehr muss es hier zu einer Kettenausschlagung der engsten Familienangehörigen kommen, bei der insbesondere dann Besonderheiten zu beachten sind, wenn noch minderjährige Kinder vorhanden sind (hierzu sogleich). Wegen § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB müssen für diese grundsätzlich beide Elternteile in der Form des § 1945 BGB die Ausschlagung erklären. Ferner ist gemäß § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich[38] (Ausnahme: § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB).[39] Hiervon muss der gesetzliche Vertreter auch Gebrauch machen.[40] §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1, 2 BGB stehen nicht entgegen, da es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Für die Hemmung der Frist gilt § 206 BGB analog.[41]

 

Rz. 26

Der Nachlass fällt schließlich irgendwelchen weiter entfernten Verwandten an. Diese haben nun Einblick in die Vermögensverhältnisse des Erblassers und erfahren schließlich von der Überschuldung des Nachlasses. Sie erhalten also Einblicke in Familieninterna, die der Erblasser und seine Kernfamilie ihnen oft nicht gewähren wollen. Außerdem werden sie spätestens jetzt nicht mehr – wie wohl zunächst – darüber beglückt sein, dass sie geerbt haben, da der Erblasser ihnen einen – wie sie jetzt wissen – überschuldeten Nachlass hinterlassen hat, und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erbschaft ebenfalls ausschlagen.

Dies geht in der Regel so weiter, bis der Nachlass dem Fiskus nach § 1936 BGB[42] anfällt. Auch hier muss gut überlegt sein, ob man den Nachlass tatsächlich dem Fiskus überantworten will mit der Folge, dass dieser vollumfänglichen Einblick in die vermögensmäßigen Gestaltungen des Erblassers und vielleicht auch seiner Familie gewinnt.

[38] Zum Maßstab für die Entscheidung OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.4.2015 – 6 WF 42/15, NJW-RR 2015, 1099; OLG Köln, Beschl. v. 13.11.2018 – 10 WF 164/18, ErbR 2019, 237 = ZEV 2019, 77. Anlässlich eines Verfahrens auf Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind ist diesem zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses im Sinne von § 41 Abs. 3 FamFG nur dann ein Ergänzungspfleger zu bestellen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB a.F. (1789 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.) festgestellt sind; BGH, Beschl. v. 12.2.2014 – XII ZB 592/12, ErbR 2014, 279 = ZEV 2014, 199.
[39] OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2018 – 11 WF 112/18, ErbR 2018, 652. Der Ausnahmetatbestand des § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB greift nach der Ratio der Norm nicht, wenn Eltern bei mehreren Abkömmlingen nur für einen Teil derselben die Ausschlagung erklären, KG, Beschl. v. 13.3.2012 – 1 W 747/11, Rpfleger 2012, 533; OLG Hamm, Beschl. v. 5.2.2014 – 15 W 1/14, FamRZ 2014, 1326; siehe auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.7.2016 – 2 WF 81/16, ErbR 2016, 722.
[42] § 1936 BGB wurde durch die Erbrechtsreform zum 1.1.2010 sprachlich an die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland angepasst, Herzog/Lindner, Die Erbrechtsreform 2010, Rn 86 ff.

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